• 13. Juni 2022 · 10:34 Uhr

Red-Bull-Analyse: Ende der VSC-Phase hat das Rennen entschieden

Sergio Perez hat Max Verstappen in Baku auf Anweisung seines Teams kampflos durchgelassen - Jetzt wird diskutiert: War das eine Teamorder oder nicht?

(Motorsport-Total.com) - Streng genommen war der Platztausch, bei dem der Red-Bull-Kommandostand mit dem Funkspruch "Kein Kämpfen!" an Sergio Perez Regie geführt hat, keine Teamorder, findet Teamchef Christian Horner: "Die Frage war nur, wer das schnellere und wer das langsamere Auto hatte. Und Max war zu dem Zeitpunkt signifikant schneller unterwegs als 'Checo'."

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War es Teamorder oder nicht? Darüber haben viele Fans heiß diskutiert ... Zoom Download

Es geht um Runde 15 beim Grand Prix von Aserbaidschan, in der der spätere Sieger Max Verstappen die Führung übernahm. Verstappen hatte, zu dem Zeitpunkt noch hinter Charles Leclerc an dritter Stelle liegend, 3,3 Sekunden Rückstand auf Perez, als in Runde 9 das virtuelle Safety-Car (VSC) aktiviert wurde, und nur noch 2,1 Sekunden, als das Rennen wieder freigegeben wurde.

Leclerc hatte das VSC für einen Reifenwechsel genutzt, und so konnte sich Verstappen auf die Jagd nach Perez machen. In Runde 14 tauchte er erstmals im DRS-Fenster von Perez auf. Leclerc drehte in 1:47.5 Minuten auf frischen Reifen gerade die schnellste Runde. Perez fuhr 1:48.8 Minuten. Also Handlungsbedarf für Verstappen, der offensichtlich schneller konnte.

Perez: Mit dem VSC begann das Graining

Perez hatte, das konnte man von außen nicht sehen, "schweres Graining auf seinen Hinterreifen", sagt Horner und erklärt: "Also war es logisch, den Jungs zu sagen: 'Leute, drückt euch nicht gegenseitig in die Mauer! Sondern wenn ein Auto schneller ist, dann lass es vorbei, und lass uns drauf konzentrieren, das bestmögliche Teamergebnis einzufahren.'"

Gesagt, getan: Verstappen ging am Beginn von Runde 15 an Perez vorbei. Am Ende der Runde hatte er 2,4, eine Runde später bereits mehr als vier Sekunden Vorsprung. Von hinten hatte Leclerc seinen Rückstand indes von ursprünglich 16,7 auf 9,2 Sekunden reduziert.

Perez steht voll hinter der Entscheidung des Teams

Selbst für Perez war das Red-Bull-Kommando daher nachvollziehbar: "Nach dem VSC hatte ich mit dem Medium hohen Verschleiß. Max war in der Phase eindeutig viel schneller. Es war die richtige Entscheidung, uns zu sagen, dass wir nicht kämpfen sollen. Denn ich war zu langsam, und es war richtig, dass Max zu dem Zeitpunkt vorn sein sollte."

Warum Perez' Reifen nach der starken Anfangsphase so plötzlich eingeknickt sind, ist unklar. "Vielleicht haben wir nach dem VSC etwas Reifentemperatur verloren", mutmaßt der Mexikaner. Dabei hätte er als "Reifenflüsterer" der grauen Theorie nach sogar eher im Vorteil sein müssen, schließlich war Verstappen rundenlang in Leclercs "dirty Air" gefahren.

VSC: Haben Perez und sein Ingenieur geschlafen?

Als nach dem Ausfall von Carlos Sainz das VSC aktiviert wurde, hätte Perez die goldene Chance gehabt, seine Reifen mit reduziertem Zeitverlust zu wechseln. Aber "es gab unter dem VSC eine Misskommunikation mit dem Team. Das hat ziemlich gekostet", ärgert er sich.

Als Sainz in Kurve 4 ausrollte, wurden zunächst gelbe Flaggen geschwenkt. Da hätte Renningenieur Hugh Bird Perez im Nachhinein betrachtet darauf vorbereiten sollen, an die Box zu kommen - für den Fall, dass aus der gelben Flagge ein VSC wird. Stattdessen kam nur das Kommando "Reifen, 6". Darauf Perez: "Ich weiß nicht, was du meinst!" Und Bird: "Verstanden."

Möglicherweise ein Code, den Perez nicht registriert hat? "Ich hatte nicht die Information, ob wir an die Box kommen wollen oder nicht", bedauert er. "Als ich die Info bekam, war es zu spät. Wir haben normalerweise ein Kommunikationsprotokoll, damit ich weiß, ob ich an die Box kommen soll oder nicht. Da ist heute was schiefgelaufen."

Box ging davon aus, dass Perez reinkommen würde

Die Wiederholung zeigt: Perez ging ein paar Sekunden vor der Boxeneinfahrt vom Gas, weil die Rennleitung VSC einblendete. Die Ansage "Box, Box!" kam noch vor der Boxeneinfahrt - aber Perez reagierte mangels geistiger Vorbereitung nicht schnell genug. "Ich habe sie verpasst", funkte er, nachdem ihm Bird noch "Strat 12 in der Box!" angesagt hatte.

"Es war haarscharf", analysiert Horner im Nachhinein. "Wir wollten unsere Autos splitten. Max haben wir gesagt, er soll das Gegenteil von Leclerc machen. Max war zu dem Zeitpunkt schneller als Charles, aber Charles profitierte von 'Checos' Windschatten. Und der DRS-Effekt war nicht so ausgeprägt wie sonst. Also blieben wir draußen, als Leclerc reinkam."

Red Bull: Zu wenig Daten aus dem Freitagstraining

Eine Entscheidung, die aus Verstappens Sicht, dessen Reifen noch in Ordnung waren, nachvollziehbar war. Horner erklärt: "Wir hatten nur einen sechs Runden langen Longrun am Freitag und wussten nicht, wie schnell die Reifen abbauen würden. Daher setzten wir ganz auf die Strategie, Max' Stint so lang wie möglich auszudehnen, um später die frischeren Reifen zu haben."

Als sich auch der zweite Ferrari als Gegner in Luft aufgelöst hatte, waren die Red Bulls unter sich und konnten ihr Rennen motorenschonend nach Hause fahren. Perez hatte zu dem Zeitpunkt 4,4 Sekunden Rückstand auf Verstappen. Der wuchs in den restlichen 30 Runden noch auf letztendlich 20,8 Sekunden an.


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"Der Tempounterschied unserer beiden Fahrer war signifikant", analysiert Horner. "Wir hatten das heute Morgen diskutiert: 'Falls ihr gegeneinander fahren solltet, lasst einander Platz.' Und das haben sie getan. 2018 ist noch nicht lang her, das hatten wir im Hinterkopf. Daher ist es uns in dieser Phase der WM wichtig, dass die Fahrer fair miteinander umgehen."

Dabei geht es Red Bull in erster Linie darum, "die Punkte gegen Ferrari zu maximieren. Wir wissen, dass die im Moment ein sehr schnelles Auto haben. Und wir haben schon oft erlebt, wie schnell sich das Blatt wenden kann." Einen doppelten K. o. wie 2018, als Verstappen und Daniel Ricciardo kollidiert sind, kann da keiner brauchen.

Warum hat der "Reifenflüsterer" nicht geflüstert?

Der Unterschied zwischen Verstappen und Perez in Baku, vermutet Horner, sei womöglich "im Set-Up" zu suchen: "'Checo' ist normalerweise sehr schonend zu den Hinterreifen. Aber mit nur sechs Runden am Freitag hast du vor dem Rennen halt einige Unbekannte."

"Es gibt subtile Unterschiede, wie die Fahrer ihre Autos abstimmen, weil sich der Fahrstil der beiden unterscheidet. Max ist immer auf der Suche nach einer starken Vorderachse, 'Checo' hingegen weniger. Das sind die Varianzen, die man zwischen Fahrern halt hat. Bei Max war der Reifenverschleiß diesmal viel besser als in Monaco", erklärt Horner.

Frage an den Teamchef: Wie viel leichter ist das Leben, wenn der zweite Fahrer in solchen Situationen nicht durchdreht, sondern kooperiert? "'Checo'", lobt Horner, "ist eine gereifte Persönlichkeit. Er sieht das große Ganze und weiß, dass die WM nicht in einem Rennen entschieden wird."

Seit Monaco fahre Perez "in der Form seines Lebens. Aber vielleicht war sein Schwerpunkt beim Set-up zu sehr auf das Qualifying ausgerichtet, angesichts des Verschleißes der Hinterreifen. Das müssen wir uns anschauen. Denn Max war am Ende des ersten Stints ganz eindeutig stärker als 'Checo'", sagt Horner.

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