Lewis Hamilton erklärt: Warum er langsamer war als Russell in Baku
Warum Lewis Hamilton in der Formel-1-Saison 2022 nicht sorgenfrei in seinen Mercedes steigt und wieso George Russell in Baku wieder schneller war
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton hatte schon mal mehr Freude am Fahren. Daraus macht der siebenmalige Formel-1-Weltmeister nach dem Grand Prix von Aserbaidschan 2022 in Baku keinen Hehl, sondern sagt frei heraus: "Ich mache mir jedes Mal Sorgen, wenn es wieder ins Auto geht." Denn mit dem sogenannten Bouncing verhält sich sein Mercedes W13 alles andere als angenehm.
© Motorsport Images
Lewis Hamilton im Mercedes W13 in Baku 2022: Er wurde Vierter im Rennen Zoom Download
Doch es war nicht nur das Bouncing, das Hamilton in Baku eingebremst hat. Dass Hamilton im Vergleich zu seinem Mercedes-Teamkollegen George Russell wieder der langsamere Silberpfeil-Fahrer war, habe technische Gründe gehabt.
Hamilton selbst spricht von "dreieinhalb Zehnteln", die er am Samstag "nur auf den Geraden" auf Russell eingebüßt habe. Im Qualifying fehlten ihm konkret etwas mehr als zwei Zehntel auf das Schwesterauto.
Hamilton mit anderer Abstimmung als Russell
Der Grund: Hamilton hatte ein "experimentelles Teil" am Auto, so sagt er. Ins Detail geht er dabei nicht. Und auch eine "andere Hinterrad-Aufhängung" sei an seinem Mercedes W13 im Spiel gewesen. Hamilton und das Team wollten damit eine neue Set-up-Richtung einschlagen.
"Wie sich aber herausgestellt hat, war es die falsche", meint Hamilton. Deshalb habe Russell zum Beispiel auch "weniger Bouncing gehabt". Und: "Er hatte [deshalb] keine Rückenschmerzen, aber sein Rücken ist ja auch [13] Jahre jünger als meiner!"
Hamilton zweifelte an einer Zielankunft
Ernsthaft fügt Hamilton hinzu, er sei "einfach nur froh, dass [das Rennen] vorbei ist. Denn es war das schmerzhafteste Rennen, an das ich mich erinnern kann."
Er habe mehrfach daran gezweifelt, es überhaupt über die Distanz zu schaffen, so Hamilton weiter. "Oder ob ich das Auto auf der Strecke halten könnte. Keine Ahnung, ob ihr das gesehen habt, aber ich hätte das Auto ein paar Mal beinahe bei hoher Geschwindigkeit verloren. Ich musste also ziemlich mit dem Auto kämpfen."
Ab zehn Runden vor Schluss sei es für ihn "ans Eingemachte" gegangen, sagt Hamilton. "Ich sagte mir nur noch: Du kriegst das hin, bleib dran!"
Rennanalyse Baku: So wird Ferrari nicht Weltmeister!
Wie kam es dazu, dass in Baku ein Ferrari-Motor nach dem anderen den Geist aufgegeben hat? Und war das eine Vorentscheidung in der WM? Weitere Formel-1-Videos
Dabei sei ihm seine Vorbereitung zugutegekommen: "Ich mache sowas wie Kryotherapie. Du gehst da rein für vier Minuten und es ist furchtbar kalt. Da gehst du in dich und sagst dir, du packst das. Du wirst ruhig und ziehst es durch."
"Ich musste aber auch an die Leute denken, die sich darauf verlassen, dass ich diese Punkte hole. Darauf habe ich mich konzentriert", meint Hamilton. "Aber so schlimm war es dieses Jahr noch nicht."
Bouncing in Baku so extrem wie nirgendwo sonst
Das Bouncing sei in Baku so extrem gewesen wie nirgendwo sonst, und besonders massiv mit vollem Tank zu Rennbeginn. "Ganz furchtbar" seien die ersten Runden gewesen, erklärt Hamilton. "Ich dachte, es würde deutlich besser werden, aber es wurde gegen Rennende nur ein bisschen besser in den Kurven, nicht aber auf den Geraden."
Dass er fortwährend heftig durchgeschüttelt wurde, hätte ihn "mehrfach beinahe in die Wand" abfliegen lassen, sagt Hamilton. "Da hatte ich Sicherheitsbedenken, wenn wir von gut 300 km/h sprechen und davon, in eine Wand zu knallen."
"Ich glaube nicht, dass ich mir als Rennfahrer jemals so viele Gedanken dazu gemacht habe. So denkst du eigentlich nicht. Es war [deshalb] eine sehr, sehr, sehr seltsame Erfahrung."
Hamilton sieht dringenden Handlungsbedarf
Und sofern Mercedes den W13 nicht entscheidend verbessert, wird es kurzfristig wohl dabei bleiben. Das sieht auch Hamilton so. Er meint: "Das Auto hat viel Potenzial, aber wir kriegen es nicht entfaltet, bis wir nicht das Bouncing abgestellt haben."
Dazu müsse Mercedes laut Hamilton auch die eigene Designphilosophie mit den extrem kompakten Seitenkästen überdenken. O-Ton: "Unser Auto sieht ganz anders aus als die anderen. Ich muss mir das anschauen, ob wir da richtig oder falsch liegen."
Nachsatz: "Ich will immer ins Auto, aber dieses Bouncing will ich nie mehr erleben. Wir werden also alles dafür tun, um es zu vermeiden."