Schmerzen bei Lewis Hamilton: "Mein Rücken bringt mich um!"
Weshalb sich Lewis Hamilton beim Formel-1-Rennen in Baku über Rückenschmerzen beklagt und wie er im Cockpit auf die ständige Belastung reagiert hat
(Motorsport-Total.com) - "Mist! Mein Rücken bringt mich um!" Das funkte Lewis Hamilton kurz nach Rennhälfte beim Grand Prix von Aserbaidschan der Formel 1 2022 in Baku. Und nach der Zieldurchfahrt stieg er sichtlich bedient aus seinem Mercedes W13 aus. Das achte Saisonrennen? Für Hamilton eine Geduldsprobe.
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Lewis Hamilton steigt mühevoll aus seinem Mercedes W13 beim Formel-1-Rennen in Baku 2022 Zoom Download
"Ich habe mich einfach durchgebissen aufgrund der Schmerzen und des Adrenalins", meint der siebenmalige Weltmeister. "Ich kann gar nicht sagen, wie viel Schmerzen man dabei hat, vor allem auf den Geraden. Und am Ende betet man einfach nur, dass es aufhört."
Die Ursache der Rückenschmerzen von Hamilton liegt in der Eigenart der Formel-1-Autos 2022, vor allem auf Geradeausstücken zu hüpfen. Im Fachjargon heißt das "Bouncing". Und der W13-Silberpfeil hüpft besonders viel, mitunter am schlimmsten im Feld. So stark, "dass [der Fahrer] vor dem Bremsen die Kurve gar nicht mehr sieht", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Das sei "nicht gut", so Wolff weiter, als er nach dem Rennen darauf angesprochen wird. Bedenklich seien auch die Schmerzen bei Hamilton: "Ich glaube, das ist jetzt nicht nur muskulär, sondern [dass] es auch in die Knochen geht", so Wolff bei 'Sky'.
Hamilton glaubt: So geht eine Sekunde verloren - pro Runde!
Für Mercedes ist das doppelt schmerzhaft: Einerseits leiden die Fahrer körperlich unter dem Bouncing, andererseits leidet die Leistung auf der Strecke. Hamilton meint: "Wenn wir erst einmal das Bouncing im Griff haben, dann sind wir dabei im Rennen. So aber haben wir sicherlich mindestens eine Sekunde [pro Runde] verloren nur mit dem Bouncing."
Und es regt sich Widerstand im Formel-1-Fahrerlager gegen dieses Phänomen, nicht nur bei Mercedes. Wolff spricht von einem Gesundheitsthema, bei dem sich die Fahrer einig darin seien, man müsse ihm per Reglement begegnen. "Bis auf einen haben alle gesagt, dass es ein Problem ist", sagt Wolff. Einzig Fernando Alonso habe sich gegenteilig geäußert.
Vettel pflichtet Hamilton und Wolff bei
Sebastian Vettel von Aston Martin wiederum pflichtet Wolff und Hamilton bei: "Ich glaube, da müssen wir eine Lösung finden, [denn] der eine oder andere Fahrer muss sich nach dem Rennen erstmal hinknien", so erklärt er bei 'ServusTV'.
"Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, aber das Auto hüpft so, dann ändert das Set-up und dann ist gut. Aber ich glaube, wir sollten da nicht uns in die Pflicht nehmen, sondern vielleicht mit den Regeln reagieren. Kann ja auch nicht sein, dass wir jetzt vier Jahre so durch die Gegend fahren."
Laut Vettel sei hier der Automobil-Weltverband (FIA) gefragt. Denn: "Irgendwann knallts und knallts richtig und dann steht jeder da und sagt: Ja, wir haben ja schon vorher [mit euch] darüber gesprochen."
Mercedes: Müssen in Kanada die Ersatzfahrer ran?
Denn Wolff betont nochmals: "Lewis hat wirklich Schmerzen. Da müssen wir eine Lösung finden. Er ist derzeit wohl am schlimmsten betroffen unter allen Fahrern. Soweit ich weiß, betrifft es aber praktisch alle Fahrer. Und sie sagen, da muss was passieren."
Kurzfristig lässt sich aber wohl keine Regeländerung umsetzen. Was die Frage aufwirft, ob Hamilton beim in wenigen Tagen anstehenden Kanada-Grand-Prix normal im Auto sitzen kann oder ob Mercedes nicht besser vorsorglich die Ersatzfahrer auf Standby stellt.
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Teamchef Wolff gibt auf Nachfrage an, "definitiv" besorgt zu sein. "Ich habe [Hamilton] bisher noch nicht gesehen oder gesprochen, aber man kann sehen: Das ist kein Muskelthema mehr, das geht jetzt richtig auf die Wirbelsäule und auf die Hüfte. Angeblich sind es bis zu 6 G, die da auf den Fahrer wirken. Und das kann Konsequenzen haben auf den Kopf und alles, was da zusammenhängt."
"Also ja, die Lösung könnte sein, jemand in Reserve zu haben. Das haben wir aber ohnehin bei jedem Rennen, damit wir sicherstellen können, dass unsere Autos auch fahren", meint Wolff.
'Sky'-Experte Ralf Schumacher leidet indes mit Hamilton und sagt: "Ich hoffe, dass [Hamilton] nächste Woche fahren kann. Wenn es rein muskulär ist, ist es möglich, aber Toto Wolff sagte, dass es mehr sein könnte als das. Dass er fliegen muss, ist sicherlich nicht hilfreich. Hoffentlich wird er wieder fit."
Kurzfristige Lösung? Vielleicht nicht!
Darüber hinaus ist Mercedes auf die technischen Fertigkeiten der Mitarbeiter angewiesen, sagt Wolff. "Wir suchen nach allen möglichen Lösungen unter der Regie von Mike Elliott. Er ist ein wirklich guter Technischer Direktor. Und es gibt keine heiligen Kühe. Wir schauen uns alles an. Und wir kriegen das Auto mit Sicherheit hin."
Die Frage sei nur, wie lange das dauere, so der Mercedes-Teamchef weiter. Es handele sich schließlich um ein komplexes Thema: "Das alles hängt mit der aerodynamischen Leistung des Unterbodens zusammen. Und wenn wir es nicht kurzfristig lösen, weil es vielleicht konzeptionelle Themen sind, dann sicherlich über die nächsten Monate."
Schon direkt nach der Zieldurchfahrt hatte Wolff seinem Fahrer Hamilton ähnliches gesagt. Wolff meinte am Funk: "Lewis, wir alle wissen, das Auto ist derzeit beschissen zu fahren. Tut mir auch leid für deinen Rücken. [Aber] wir kriegen das hin." Hamiltons Reaktion war schlicht: "Lasst uns auf jeden Fall etwas ändern, ok?"
Mercedes will den Fahrkomfort verbessern
Diese Botschaft ist angekommen bei Mercedes. Andrew Shovlin als leitender Ingenieur an der Rennstrecke meint: "Wir müssen den Fahrkomfort für die Fahrer verbessern, denn sie haben es heute toleriert, aber es ist nicht akzeptabel, ihnen das jeden Sonntag zuzumuten."
Doch auch Shovlin stellt keine "Wunderheilung" für den Mercedes W13 in Aussicht: "Die holprigeren Strecken scheinen ein besonderes Problem für uns darzustellen, und Montreal ist nicht besonders glatt, also müssen wir in den nächsten Tagen an diesem Bereich arbeiten, bevor es dort weitergeht."
Einfach eine weichere Abstimmung herzunehmen, das sei ausgeschlossen, meint Wolff: "Das würden wir gerne machen, aber das weichste Element im Auto [...] oder der einzige Dämpfer beim Highspeed ist nur noch der Reifen. Da geht nichts mehr über die Dämpfung, nur über den Reifen."
"Das heißt, du kannst ab dieser Geschwindigkeit nicht mehr viel machen. Selbst wenn du wenn das Auto richtig hochlegen würdest, das Porpoising bleibt ja."