Mercedes überzeugt: Lewis Hamilton wäre in Barcelona um den Sieg gefahren!
Wäre der Reifenschaden in der ersten Runde nicht gewesen, dann hätte Lewis Hamilton auch gegen Max Verstappen um den Sieg gekämpft, sagt Toto Wolff
(Motorsport-Total.com) - Mehr denn je darf man sich bei Mercedes in Barcelona fragen: Was wäre wenn? Was wäre, wenn Lewis Hamilton in der ersten Runde nicht mit Kevin Magnussen aneinandergeraten wäre und sich nicht den Reifenschaden zugezogen hätte? Motorsportchef Toto Wolff stellt bei 'Sky' eine kühne These auf: "Lewis' Pace war so stark, dass er um den Sieg mitgefahren wäre."
Das mag angesichts der durchwachsenen Pace von Mercedes - und insbesondere von Hamilton - in den ersten Saisonrennen seltsam klingen, doch der Österreicher fußt seine Theorie auf eine Sache: auf Zahlen.
Nach dem Reifenschaden in der ersten Runde und dem erzwungenen Boxenstopp lag Hamilton 54 Sekunden hinter Rennsieger Max Verstappen. In Runde 62 betrug sein Rückstand auf den Red-Bull-Piloten aber nur noch 39 Sekunden. Das heißt, dass er vor den Problemen in der Schlussphase 15 Sekunden auf den dominanten Sieger gutgemacht hat.
Das eröffnet jedoch Anschlussfragen: Was ist an den Aussagen dran, und warum ist George Russell dann nicht um den Sieg gefahren, der ohne Zwischenfall über das Rennen kam und im Ziel knapp 33 Sekunden Rückstand auf Verstappen hatte?
Zu erstem Punkt muss Wolff zugeben, dass Hamilton "wahrscheinlich" mit Verstappen mitgehalten hätte, "aber vielleicht nicht gegen Leclerc". Der Ferrari-Pilot hatte sein Auto mit Power-Unit-Problemen vorzeitig abstellen müssen, als er souverän in Führung lag. Also hätte Mercedes zumindest kaum aus eigener Kraft gewinnen können.
Zumal Verstappen auch noch Probleme mit dem DRS hatte und dadurch stark von Russell aufgehalten wurde, ohne seine wahre Pace zeigen zu können. Doch die Frage nach einem möglichen Hamilton-Sieg lässt sich auch nur hypothetisch beantworten, da er ohne die Kollision auf einer komplett anderen Strategie als alle 19 anderen Fahrer war - nämlich am Start auf Medium.
Warum war er so viel schneller als Russell?
Doch warum konnte er im Rennverlauf nun so viel Zeit auf seinen Teamkollegen gutmachen? Der hatte nämlich eine deutlich schlechtere Pace als Red Bull und Ferrari. Doch das scheint tatsächlich eine Konsequenz aus dem Reifenschaden und Hamiltons anschließend zur Schau getragener Einstellung zu sein. Denn Hamilton wollte das Rennen eigentlich schon aufgeben.
"Lewis war dann grantig", sagt Wolff im 'ORF'. "Er hat auch weniger auf die Limits geschaut, was den Reifen betrifft und ist einfach immer schneller und immer schneller geworden und dann teilweise schneller als die vorne."
Bei Russell habe man hingegen zu viel Reifenmanagement betrieben und in der Konsequenz Grip verloren, wie Wolff erzählt. "Während Lewis ohne Rücksicht auf Verluste den Reifen beansprucht hat und ihn dadurch immer im Fenster hatte."
Dass er am Ende sogar Carlos Sainz mit gleichen Reifen überholen konnte, stimmt den Motorsportchef zuversichtlich, dass Mercedes die richtigen Schritte gemacht hat: "Ich bin eigentlich sehr zufrieden, aber natürlich nicht euphorisch, ekstatisch. Aber wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht. Wir haben uns vom Mittelfeld freigespielt", betont er.
Der seidene Faden ist zurück
Allerdings gab es gegen Rennende auch wieder große Zuverlässigkeitssorgen. Mercedes wies seine beiden Piloten in der Schlussphase an, nicht mehr ans Limit zu gehen, weil sonst ein Ausfall drohen würde.
"Wir haben ein Wasserleck bei Lewis gehabt und das war wirklich Touch and Go, ob wir überhaupt zu Ende fahren", sagt Wolff. Bei Russell sei es hingegen einfach zu Überhitzung gekommen. Und das bereitet Mercedes etwas Bauchschmerzen.
"Die schlechte Nachricht ist, das war schon das Max-Cooling, das wir haben", erklärt Wolff. Würde das Team den W13 mit einer noch größeren Kühlung ausstatten, würde das noch einmal einen Performance-Verlust bedeuten. "Aber wir waren eben schon maximal offen und ich bin mir nicht sicher, ob unser Motor überhaupt überlebt hat."
Hamilton: "Haben niemals aufgegeben"
Doch das ist ein anderes Thema. Zumindest scheint der W13 mittlerweile besser zu laufen als zu Saisonbeginn, als Hamilton in Dschidda Zehnter wurde und in Imola ohne Zwischenfall außerhalb der Punkte ins Ziel kam.
"Ja, seit dem letzten Rennen im vergangenen Jahr war alles schwierig", merkt Hamilton an. "Wir hatten große Probleme und immer wieder Rückschläge und generell nicht viel Glück. Aber wir sind wieder aufgestanden, haben weitergemacht und niemals aufgegeben."
"Wir sind positiv in das Rennen gegangen und hatten dann wieder das Problem. Und dann zurückzukommen fühlt sich wie früher an, in früheren Rennen. Das fühlt sich fantastisch an", sagt der siebenmalige Weltmeister, für den das Rennen "wie ein Sieg" war.
"Um ehrlich zu sein", ergänzt er, "fühlt es sich meistens noch besser an, wenn du von so weit hinten kommst und so viel durchgemacht hast."
Sind Siege in diesem Jahr drin?
Hamilton erzählt von einem fünfjährigen Mädchen, mit dem er gestern geredet habe, das unheilbar krank sei. "Sie hat gefragt, ob ich das Rennen für sie gewinnen kann. Ich habe gesagt: 'Ich weiß nicht, ob ich gewinnen kann, aber ich werde alles geben.' Für mich war es daher wie ein Sieg, den ich ihr widme."
Die Performance von Barcelona gibt ihm zumindest die Zuversicht, dass er in dieser Saison noch gewinnen kann. Denn Mercedes habe sich stark gesteigert, vor allem im Rennen. Das müsse man jetzt aber auch im Qualifying zeigen, wo man an diesem Wochenende ein Experiment bei George Russell gemacht habe, das für diesen besser lief.
"Vielleicht gehe ich beim nächsten Rennen dann auch in die Richtung. Aber es ist zumindest ein großartiges Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind", betont Hamilton. "Denn wenn das heute nicht gewesen wäre, hätte ich mit den Red Bulls gekämpft. Das gibt mir Hoffnung, dass wir irgendwann um den Sieg kämpfen werden."