Helmut Marko nimmt Verstappen in Schutz: Ärger am Funk "berechtigt"
Wie Red Bull mit der lautstarken Kritik von Max Verstappen umgeht und was das Team mit einer aggressiveren Outlap gegen Ferrari hätte erreichen können
(Motorsport-Total.com) - "Es langsam angehen lassen in der Outlap? Mache ich nie wieder!" So wetterte Max Verstappen nach dem verlorenen Duell gegen Ferrari-Fahrer Charles Leclerc in den Funk von Red Bull. Denn das Team hatte ihm beim Formel-1-Auftakt 2022 in Bahrain zu einer vorsichtigen Aufwärmrunde mit den frischen Reifen geraten, was sich allerdings als eine "Fehleinschätzung" entpuppte, wie Helmut Marko im 'ORF' erklärte.
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Max Verstappen nach dem Ausfall beim Saisonauftakt 2022 in Bahrain in der Box Zoom Download
Doch Red Bull habe gute Absichten gehabt, betont der Motorsport-Berater der Energydrink-Marke: "Die Outlap war auf Reduzierung ausgelegt, um die Reifen zu schonen."
Bei 'Sky' sagt Marko, sein Team habe dabei schlicht "die Stärke des Untercuts unterschätzt", weil Verstappen vor seinem ersten Boxenstopp in Runde 14 über 3,7 Sekunden auf Leclerc verloren hatte. Später wiederholte sich dieses Szenario beim zweiten Boxenstopp in ähnlicher Form.
Warum Red Bull konservativ vorgegangen ist
"Wir dachten, er hätte sowieso keine Chance. Deshalb haben ihm die Ingenieure gesagt, er soll die Reifen so schonend wie möglich anfahren", meint Marko und fügt hinzu: "Mit einer normalen Outlap wäre er vorne gewesen. Und wenn du vorne bist, ist das Leben immer einfacher. So gesehen ist das nicht optimal gelaufen." Und deshalb habe sich Verstappen "berechtigterweise" geärgert.
Allerdings hatte Red Bull nicht nur den Moment, sondern den weiteren Rennverlauf im Blick, sagt Marko: "Zu dem Zeitpunkt sind wir noch von einer Zweistoppstrategie ausgegangen. Dann haben wir auf drei Stopps umgeswitcht. Das war, damit wir zum Schluss noch relativ gute Reifen hatten."
Verstappen: Keine Kritik am Renningenieur, sondern ...
Da war der Frust bei Verstappen aber schon lange hochgekocht. "Ich halte mich eben nicht zurück", meint der Formel-1-Weltmeister. "Ich sage im Auto, was ich denke. Und ich war nicht zufrieden mit unserem Vorgehen, mit der Balance des Fahrzeugs oder mit der Strategie."
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Er wolle das ausdrücklich nicht als Kritik an seinem Renningenieur Gianpiero Lambiase festmachen, sagt Verstappen: "Ich habe ein gutes Verhältnis zu ihm. Er ist aber halt der Einzige, mit dem ich [im Rennen] sprechen kann. Und wir müssen jetzt ein paar Dinge analysieren."
Letzteres schätzt Red-Bull-Teamchef Christian Horner an Verstappen. Der Niederländer sei verständlicherweise "mächtig enttäuscht", aber "Max ist auch pragmatisch", meint Horner. "Er weiß, er hat ein gutes Auto. Wir müssen jetzt nur die Probleme lösen, dann schlagen wir nächste Woche zurück."
Horner: Ferrari wäre trotzdem vorne geblieben
In der Nachbetrachtung des Bahrain-Grand-Prix aber werde die Outlap-Frage erneut gestellt werden, betont Horner. "Es ist immer ein schmaler Grat: Nimmst du die Reifen anfangs hart ran, kriegst du später im Stint Probleme. Max hatte den Eindruck, er hätte mehr tun können. Das und mit einem etwas besseren Boxenstopp als Ferrari hätte uns sehr, sehr nahe an sie rangebracht."
Doch was hätte das genutzt? Horner selbst glaubt nicht an einen Siegchance für sein Team, selbst wenn die Autos über die Distanz gekommen wären. O-Ton: "Selbst wenn Max an Leclerc vorbeigefahren wäre, hätte Ferrari uns wieder überholt, weil sie das schnellere Auto hatten und Überholen ein bisschen einfacher geworden ist. Wir waren unterm Strich nicht schnell genug."
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Und vor allem krankte es bei Red Bull an der Zuverlässigkeit: Kurz vor Schluss schieden beide RB18-Autos nach technischem Versagen aus, verloren auf der Strecke die Positionen zwei und vier. "Das ist hart für uns", sagt Horner.
Red Bull glaubt: RB18 ist gelungen
"Positiv ist nur: Unser Auto ist konkurrenzfähig. Wir haben an unterschiedlichen Punkten im Rennen um den Sieg gekämpft. Das ist ermutigend. Darauf lässt sich aufbauen."
Für Red Bull gehe es in der Vorbereitung auf Saudi-Arabien aber vorrangig darum, die technischen Fehler zu finden, die Verstappen und Perez in Bahrain gestoppt haben. "Wir werden diese Situation meistern", sagt Horner.
Wann Red Bull zuletzt kein Auto im Ziel hatte
Der Doppelausfall aber wiege schwer. "Ich kann mich nicht erinnern, wann wir das zum letzten Mal hatten", meint Teamchef Horner.
Ein Blick in die Formel-1-Statistik zeigt: 2018 schieden zuletzt beide Red-Bull-Autos im gleichen Rennen nach technischen Problemen aus, und das war ebenfalls in Bahrain. Für Daniel Ricciardo war nach einem Elektronikdefekt schon nach nur einer Runde Schluss, Verstappen stand nach einer Berührung und einem Fehler in der Kraftübertragung bereits nach drei Runden neben der Strecke.
Der letzte Doppelausfall von Red Bull vor Bahrain 2022 datiert übrigens ebenfalls aus der Saison 2018. Denn im zweiten Rennen nach Bahrain kam es in Baku zu einer teaminternen Kollision zwischen Ricciardo und Verstappen, die beide Fahrer aus dem Rennen nahm.
So oder so: Ein Doppelausfall ist "dein schlimmster Albtraum und gewaltig enttäuschend", sagt Horner. Konkret auf Bahrain bezogen merkt er an: "Wir haben nicht nur einen Podestplatz mit Max verloren, sondern in der letzten Runde auch mit Sergio. Aber wir schlagen schon nächste Woche zurück."