• 26. September 2021 · 15:38 Uhr

Bittere Fehlentscheidung: Norris verliert Sieg in Sotschi 2021 an Hamilton!

Lando Norris hätte den Grand Prix von Russland beinahe gewonnen, am Ende aber nutzte Lewis Hamilton bei einsetzendem Regen die Gunst der Stunde

(Motorsport-Total.com) - Lange sah Lando Norris (McLaren) wie der Sieger beim Grand Prix von Russland in Sotschi aus, doch in einer turbulenten Schlussphase auf nasser Strecke gewann letztendlich Lewis Hamilton (Mercedes) vor Max Verstappen (Red Bull) und Carlos Sainz (Ferrari). Und der siebenmalige Weltmeister tat dies noch dazu mit einem Vorsprung von 53,3 Sekunden Sekunden.

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Lando Norris gratuliert Lewis Hamilton zum Sieg beim Grand Prix von Russland Zoom Download

Vierter wurde Daniel Ricciardo (Red Bull) vor Valtteri Bottas (Mercedes), Fernando Alonso (Alpine), Norris, Kimi Räikkönen (Alfa Romeo), Sergio Perez (Red Bull) und George Russell (Williams).

Lance Stroll wurde nach starker Anfangsphase Elfter, Sebastian Vettel (beide Aston Martin) mit einer Runde Rückstand Zwölfter.

Mick Schumacher (Haas) lag nach einer bis dahin soliden Vorstellung deutlich vor seinem Teamkollegen Nikita Masepin. Er musste das Rennen aber aufgeben.

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Wie fiel die dramatische Entscheidung um den Sieg?

Lange sah es nach einem Sieg für Norris aus. In Runde 13 ging er auf der Strecke an Sainz vorbei, der das Rennen bis dahin angeführt hatte. Sotschi 2021 war aber über weite Strecken ein Undercutrennen, und so holte Ferrari Sainz gleich in Runde 14, nach dem Führungswechsel, an die Box. Tatsächlich drehte Sainz einige schnelle Runden, aber bei freier Fahrt konnte auch Norris ein sehr starkes Tempo gehen, weil seine harten Reifen besser als erwartet hielten.

In Runde 28 kam der Führende dann zum Boxenstopp und wechselte von Medium auf Hard. Der McLaren-Pilot hatte das Gefühl, dank der konstanten Reifen noch länger draußen bleiben zu können. Doch weil weiter hinten Hamilton mit frischen Reifen violette Sektorzeiten fuhr, ging die McLaren-Crew lieber auf Nummer sicher und legte einen fehlerfreien Boxenstopp hin.

Norris kam acht Sekunden vor Hamilton auf die Strecke, der zu dem Zeitpunkt gerade hinter Stroll feststeckte. Norris reihte sich zwischen Leclerc und Gasly ein und hatte ein paar Runden freie Fahrt. Es war in der Phase, als sich Toto Wolff höchstpersönlich am Boxenfunk meldete: "Lewis, du kannst dieses Rennen gewinnen!"

In Runde 44 tauchte Hamilton erstmals ganz kurzzeitig in Norris' DRS-Fenster auf, konnte daraus aber kein Kapital schlagen. In Runde 46 kam zusätzliche Dramatik ins spannende Finish, als es leicht zu regnen begann. "Lando, die Zuschauer spannen die Regenschirme auf", war da am Boxenfunk zu hören.

In Runde 47 rutschte Norris erstmals leicht von der Ideallinie. Hamilton konnte das aber nicht nutzen, ihm fehlten vor Kurve 13 ein paar Meter für eine Attacke. Der Regen nahm kurz darauf weiter zu, und Norris setzte sich auf feuchter Strecke zunächst wieder um ein paar Fahrzeuglängen ab.

Jetzt ging per Funk die Aufforderung an Hamilton: "Box, box!" Aber der siebenmalige Weltmeister blieb ebenso draußen wie Norris, als die ersten anderen Fahrer schon auf Intermediates wechselten (Bottas, Russell, Räikkönen und Masepin). Erst eine Runde später kam Hamilton dann doch rein - laut TV-Boxenfunk gegen seinen Willen -, während Norris auf Slicks draußen blieb, gegen die Empfehlung seines Teams.

Das war die Entscheidung im Rennen. Der Regen nahm weiter zu, Norris rutschte in der 50. Runde von der Strecke und hatte Glück, dass er nicht in die Barrieren einschlug. Zwar konnte der McLaren-Pilot weiterfahren, aber in der völlig chaotischen Schlussphase fiel er noch auf den siebten Platz zurück.

Hätte Lewis Hamilton auch ohne den Regenschauer gewonnen?

Wohl kaum. Das gibt er sogar ganz offen zu: "Ich glaube nicht ... Ich bin nicht sicher, ob ich Lando hätte überholen können. Er war sehr schnell und hatte die schnellste Runde. Ohne Verkehr oder irgendwas, einen Fehler vielleicht, glaube ich nicht, dass ich ihn gekriegt hätte. Aber er hat ja keine Fehler gemacht. Als der Regen kam, war das unsere Chance. Das Team hat einen sensationellen Job gemacht. Riesiges Dankeschön dafür!"

"Mercedes hatte den großen Vorteil, dass sie schauen konnten, was wir machen, und dann das Gegenteil tun", erklärt McLaren-Teamchef Andreas Seidl. "Diesen Vorteil hatten wir nicht. Wir sind jetzt Siebter, wir wollten gewinnen. Natürlich ist die Enttäuschung groß."

Es sei eine "gemeinsame Entscheidung" gewesen, nimmt Seidl den enttäuschten Norris ("Natürlich bin ich traurig") in Schutz. Aber Norris gibt offen zu: "Das Team fand, dass ich an die Box kommen soll. Ich blieb aber draußen. Es war meine Entscheidung. Ich dachte, das ist heute der richtige Call."

Wie entscheidend war der Windschatten am Start?

Wie so oft in Sotschi: extrem entscheidend. Polesetter Norris kam eigentlich gut weg, aber ganz ohne Windschatten war bis zur zweiten Kurve nur die Frage, an wen er die Führung abgeben würde. Zunächst schien Russell gut wegzukommen und den besten Windschatten zu erwischen. Norris entschied sich dann aber dafür, ganz nach rechts zu ziehen, um innen abdecken zu können, und spendierte damit Sainz den Windschatten.

Der war eigentlich gar nicht so gut losgefahren, profitierte aber vom Windschatten, bremste spät und ging vor Norris und Russell in Führung. Hamilton, der hinter Sainz fast noch mehr Momentum hatte, bremste die erste Kurve früh an, um nicht einen Auffahrunfall zu provozieren, und fiel dabei auf den siebten Platz zurück.

Alonso lag kurzzeitig an dritter Stelle, musste sich aber auf P6 zurückfallen lassen, weil er die zweite Kurve abgekürzt hatte. So lag zunächst Stroll auf Rang vier, gefolgt von Ricciardo, dessen Start ebenfalls hervorragend war, der aber in der zweiten Kurve keinen guten Platz für sich fand.

Was lief bei Daniel Ricciardos Boxenstopp schief?

Der Monza-Sieger lag hinter Norris an zweiter Stelle und erfüllte seine Aufgabe, Hamilton etwas einzubremsen, perfekt. In Runde 22 legte Mercedes dann die frischen Reifen für Hamilton bereit. Aber McLaren reagierte auf den drohenden Undercut, holte Ricciardo rein - und verpatzte den Boxenstopp. Hamilton blieb draußen, wahrscheinlich wegen eines "Box-Opposite-Calls".

Was bei Ricciardo schiefgegangen ist, ist noch unklar. Allerdings war in den TV-Bildern zu sehen, dass die Mechaniker an allen vier Rädern ihre Arbeit erledigt hatten, der Mann mit dem Lollipop aber trotzdem nicht freigab. Mutmaßlich eine Folge des neuen Boxenstoppreglements, wie zuletzt bei Verstappen in Monza, wo einer der vier Männer mit dem Schlagschrauber das neuerdings erforderliche Freigabesignal nicht per manuellem Knopfdruck gegeben hatte.


Analyse: Hat Norris den Sieg selbst verschenkt?

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Wie kam es zur verhängnisvollen Entscheidung von Lando Norris? Wir haben mit McLaren-Teamchef Andreas Seidl darüber gesprochen. Weitere Formel-1-Videos

Für Ricciardo doppelt bitter: Ohne den Patzer seiner Boxencrew wäre er sicher vor Russell und möglicherweise auch vor Stroll auf die Strecke gekommen und hätte die beiden somit "overcutten" können. Stattdessen kam er hinter Ocon raus und verlor im Verkehr wertvolle Zeit - die ihm dann fehlte, als sich Hamilton nach seinem ersten Stopp hauchdünn vor Ricciardo setzte.

Wie lief die Aufholjagd von Max Verstappen?

Vor dem Start machten Gerüchte die Runde, angeheizt von Helmut Marko, dass Mercedes den Motor bei Bottas nur gewechselt haben könnte, damit der Finne Verstappens Aufholjagd frühzeitig einbremsen kann. "Das ist ein Blödsinn", sagte Toto Wolff vor dem Start. Und Wolff sollte recht behalten.

Es kam dann aber ohnehin ganz anders. Verstappen verbesserte sich in der ersten Runde vom 20. auf den 17. Platz. In Runde 6 war er bereits 15. und hatte Bottas unmittelbar vor sich. Der Mercedes-Fahrer wehrte sich aber überhaupt nicht, als Verstappen an ungewöhnlicher Stelle, vor Kurve 13, ausscherte und überholte.

Für 'ORF'-Experte Alexander Wurz überraschend, dass Bottas nicht mehr Gegenwehr leistete: "Er hat nicht abgedeckt. Ich glaube nicht, dass er überrascht war von dem Angriff. Dort hast du genug Zeit, nochmal einen Kontrollblick im Rückspiegel zu machen."

In Runde 13 war Verstappen dann auch an Vettel vorbei, und von da an fuhr er phasenweise die schnellsten Zeiten im gesamten Feld. Als er und Hamilton gleichzeitig an die Box kamen, hatte er schon fast zum Mercedes-Fahrer aufgeschlossen.

Als in Runde 36 Perez zum Reifenwechsel kam und das wegen eines Problems rechts hinten 8,9 Sekunden dauerte, fiel der Mexikaner so weit zurück, dass er in einem Paket vor Verstappen auf die Strecke kam.

Verstappen, er lag zu dem Zeitpunkt hinter Alonso an siebter Stelle im Rennen, konnte von da an keine Akzente setzen. Bereits zuvor hatte er sich am Boxenfunk über das Lenkverhalten seines RB16B beschwert.

Als die Luft schon draußen schien, kam der Regen - und da blühte Verstappen noch einmal auf. Letztendlich wurde er Zweiter, verlor aber die WM-Führung an Hamilton.

Wie fuhr Sebastian Vettel auf Platz zwölf?"

Der Aston-Martin-Pilot trat während des Rennens nicht wirklich in Erscheinung - anders als sein Teamkollege Stroll, der zu Beginn auf P4 fuhr und mit einer aggressiven Undercutstrategie im ersten Renndrittel stark aussah. Doch in der turbulenten Schlussphase konnte Vettel nicht profitieren, sondern fiel ganz im Gegenteil noch weiter zurück.

"Die Strecke machte kurz den Anschein, als würde sie etwas besser werden. Dann sind wir noch eine Runde draußen geblieben. Aber es kam deutlich mehr Regen. Das war sehr überraschend. Und damit war unser Rennen kaputt", berichtet er.

Dabei kam es auch noch zu einer Berührung mit Stroll: "Ein Missverständnis", relativiert Vettel. "Er hat mich nicht gesehen, glaube ich. Wir waren beide auf Slicks und es war rutschig. Die Lücke, in die ich fahren wollte, wurde immer enger. Ich hatte gedacht, er lässt außen Platz. Aber bei diesen Bedingungen schaut man nicht unbedingt mit Priorität in die Rückspiegel. Es ist Gott sei Dank nichts passiert."

Was war der Ausfallgrund bei Mick Schumacher?

Ein Hydraulikleck.

Wie steht's jetzt in der WM?

Hamilton hat mit dem 100. Sieg seiner Formel-1-Karriere wieder die Führung übernommen. Er hält nach 15 von 22 geplanten Rennen bei 246,5 Punkten und hat zwei Zähler Vorsprung auf Verstappen. In der Konstrukteurswertung führt Mercedes mit 397,5 Punkten vor Red Bull mit 364,5 und McLaren mit 234.

Das nächste Rennen findet am 10. Oktober in Istanbul statt. Stand heute kann der Grand Prix der Türkei wie geplant ausgetragen werden.

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