Sensationsquali von George Russell: Auf Slicks in der Boxengasse "fast gecrasht"
Williams-Pilot George Russell setzt im Qualifying zum Grand Prix von Russland ein weiteres Ausrufezeichen: Er fährt auf Slicks auf den dritten Startplatz
(Motorsport-Total.com) - Fast wäre George Russell für sein Risiko im Qualifying zum Grand Prix von Russland bitter bestraft worden. Der Brite schildert, wie er "fast gecrasht" wäre in der Boxengasse, nachdem er als erster Pilot in Q3 von Intermediates auf Slicks umgesteckt hatte. Am Ende holte er sein zweitbestes Quali-Ergebnis 2021: P3.
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George Russell qualifiziert sich in Russland auf dem starken dritten Platz Zoom Download
Bei noch 6:20 Minuten auf der Uhr steuerte Williams-Fahrer Russell als erster Pilot die Box an. Er funkte wenige Minuten zuvor, sein Team solle die Trockenreifen bereithalten. Und tatsächlich bewies Russell Mut und wechselte auf den Soft-Reifen, bei teilweise noch nasser Strecke.
Zuvor hatte er es bereits zum vierten Mal in dieser Saison ins finale Quali-Segment geschafft. Er hatte danach nichts mehr zu verlieren, und glänzte wie schon im nassen Zeittraining in Belgien (P2). "Ich funkte den Jungs: 'Bereitet die Slicks vor, denn es ist definitiv Zeit für Slicks'."
Russell: Die letzte Runde war die "Killer-Runde"
Und sein Team holte ihn daraufhin auch schon an die Box. "Ich dachte, sie haben mich vielleicht missverstanden am Boxenfunk. Aber ich sagte ihnen, wir müssen es einfach probieren - hohes Risiko, aber auch große Belohnung. Speziell bei diesen Bedingungen."
Allerdings brachte sich Russell dadurch auch ein wenig in die Rolle des Versuchskaninchens, denn er war der erste Fahrer, der die Strecke auf Slicks befahren würde. Es gab keine Referenzen. "Und als ich dann aus der Boxengasse rauskam auf den Slicks wäre ich auch gleich fast gecrasht aus der Box raus."
Tatsächlich war in der internationalen TV-Übertragung gut zu sehen, wie sehr Russell auf der wenig befahrenen Boxengassen-Ausfahrt Mühe hatte, den Williams auf der Strecke zu halten. Er ruderte wild am Lenkrad herum, doch immer mehr Kollegen folgten ihm mit Slicks auf die Strecke.
Am Ende war es eine Frage der Zeit: Würde die Strecke schnell genug auftrocknen, damit sich der Gamble auszahlt? "Erst in der allerletzten Runde [kam die Zeit]." Russell fuhr in 1:42.983 Minuten auf den dritten Platz und reihte sich damit vor seinem zukünftigen Teamkollegen Lewis Hamilton ein.
"Wir sind zum richtigen Zeitpunkt an die Box gekommen und haben die richtigen Reifen aufgezogen. Aber es war knifflig da draußen. Es gibt eine trockene Linie, und wenn man nur ein paar Zentimeter davon abkam, ist man auf dem nassen Teil der Strecke gelandet und war raus."
0,990 Sekunden fehlten ihm am Ende auf die Poleposition von Lando Norris. "Ich steckte immer wieder hier und da im Verkehr fest, was bedeutete, dass ich die Runde nicht durchziehen konnte, das war ein wenig frustrierend. Aber ich wusste, dass die letzte Runde die Killer-Runde sein wird."
Schnelles Tempo auf den Geraden, guter Longrun am Freitag
Er habe deshalb alles für seinen allerletzten Versuch aufgespart, und diese Taktik brachte ihn schließlich in die zweite Startreihe. "Das ist ein bisschen surreal, dass wir zum zweiten Mal in vier Rennen in den Top 3 stehen." Tatsächlich war Russell schon in Spa-Francorchamps ganz vorne mit dabei.
Verglichen mit dem verregneten Zeittraining in den Ardennen fühle sich das Spitzenergebnis "ziemlich anders" an. Er freue sich aber gleichermaßen über Rang drei, das sei eine "unglaubliche" Position, um ins Rennen zu gehen. Träumt er gar vom zweiten Formel-1-Podium seiner Karriere?
"Die Gerade hin zu Kurve 2 ist recht lang. Und auf den Geraden sind wir recht schnell. Hoffentlich gibt mir Lando einen schönen Windschatten", wünscht sich der Brite von seinem Landsmann, der erstmals von der Pole aus in einen Grand Prix starten wird.
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Zwar weiß Russell, dass hinter ihm starke Konkurrenz lauert, etwa die beiden Mercedes-Piloten Lewis Hamilton (P4) und Valtteri Bottas (P7), oder auch Sergio Perez (P9). Dennoch gibt er die Hoffnung nicht auf: "Es gibt keinen Grund, warum wir nicht erneut [gute Punkte einfahren können]."
Und: "Wir müssen uns das Podium zum Ziel setzen - schließlich haben wir nichts zu verlieren, wir müssen es einfach versuchen." Denn schon in den vergangenen vier Rennen fuhr er im Williams dreimal in die Punkte.
Was Russell außerdem zuversichtlich stimmt: "Gestern war unsere Pace mit viel Sprit an Bord eine der besten im gesamten Jahr. Wir sind dennoch immer noch weit hinter diesen Jungs [Norris und Sainz] und den Mercedes, die hinter uns starten, also werden wir einen Kampf haben."
Verstappen: Nicht nur Russell gut, sondern auch der Williams
"Aber wir sind auf den Geraden ziemlich schnell, und wir haben einen guten Speed auf den Geraden. Also ja, wir müssen wieder um das Podium kämpfen." Tatsächlich zeigt die Topspeed-Messung: Beide Williams liegen in den Top 5.
Auch WM-Führender Max Verstappen, der aufgrund einer Motoren- und Gridstrafe am Sonntag von ganz hinten starten wird, ist beeindruckt von Russells Vorstellung: "George ist mit Sicherheit ein sehr, sehr guter Fahrer, aber wenn man solche Dinge machen kann, zeigt das auch, dass das Auto nicht so schlecht ist."
"Er hat Punkte geholt und sich gut qualifiziert", gibt der Niederländer zu bedenken. Zwar sei der FW43B kein Mercedes oder Red Bull, aber dennoch habe Russell "einen tollen Job" gemacht. "Ich denke, die Leute müssen verstehen, dass das Auto nicht so schlecht ist, wie sie denken."