Red Bull nach Zandvoort-Sieg: Fairplay von Mercedes in der Boxengasse
Red Bull feiert eine orange Party in den Niederlanden mit dem achten Saisonsieg durch Lokalmatador Max Verstappen - Fairer Kampf auch in der Boxengasse
(Motorsport-Total.com) - Red Bull hat sich vor der "Orange Army" in Zandvoort den achten Sieg im 13. Saisonrennen geholt. Lokalmatador Max Verstappen triumphiert im Grand Prix der Niederlande vor WM-Kontrahenten Lewis Hamilton und holt sich damit die Führung in der Fahrer-Weltmeisterschaft zurück. "Das war ein gutes, faires Rennen", freut sich Christian Horner.
Auf der Strecke lieferten sich die Titelanwärter ein packendes Duell, in der Box waren die Strategen gefragt. Denn auf der Rennstrecke in den niederländischen Dünen war Überholen praktisch unmöglich. Verstappen wusste das und legte bereits am Start den Grundstein für seinen Erfolg.
"Das Wichtigste war, den Start richtig hinzukriegen", analysiert der Red-Bull-Teamchef im Nachgang bei 'Sky'. "Danach wussten wir, dass Mercedes die Fahrer aufgrund ihrer strategischen Optionen splitten wird. Und genau das haben sie auch gemacht."
Runde 31: Valtteri Bottas das Zünglein an der Waage
Hamilton löste die Welle der ersten Boxenstopps in Runde 20 aus. Mercedes wechselte den Briten von Soft auf Medium, eine Runde später reagierte Red Bull und steckte Verstappen ebenso auf den Medium um. Der zweite Mercedes sollte hingegen so lange wie möglich auf der Strecke bleiben.
Valtteri Bottas erhielt die Aufgabe, Verstappen ein paar Runden lang aufzuhalten. In Runde 28 funkte Red Bull an den 23-Jährigen, der in großen Schritten auf den Finnen aufholte: "Es ist absolut entscheidend, dass wir Bottas so schnell wie möglich überholen."
Eine Runde später befand sich der Niederländer bereits im DRS-Fenster des Führenden. In Runde 31 ging er schließlich an Bottas vorbei, nachdem dieser einen Fehler in Kurve 11 eingebaut hatte. "Die entscheidende Phase des Rennens war für uns, als Max an Valtteri vorbeiging - und das tat er schnell."
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Hatte er zu keinem Zeitpunkt des Rennens Sorge, Bottas könnte das Rennen auf einer Einstoppstrategie gewinnen? "Nein, wir machten uns eher Sorgen darüber, dass Valtteri ihn zu sehr aufhält und dann Lewis den Undercut an beiden anwenden könnte, deshalb mussten wir so schnell vorbei."
Danach war die Führung des Niederländers kaum noch gefährdet. "Wir konnten Lewis covern, aber das war wirklich ein tadelloses Rennen heute von Max", freut sich Horner. Und auch Helmut Marko ist erfreut: "Wir haben immer super auf, was auch immer Mercedes mit Hamilton gemacht hat, reagiert", meint er bei 'ServusTV'.
Nur um Runde 40 wurde es kurz noch einmal spannend, als sich das Führungsduo zum zweiten Boxenstopp aufmachte. Wieder legte Hamilton vor, er kam in Runde 39 erneut an die Garage und holte sich gebrauchte Mediums ab. Verstappen konterte in Runde 40 und steckte auf frische harte Reifen um.
Helmut Marko schwärmt: "Max war unglaublich"
Durch eine relativ langsame Outlap im Verkehr verlor Hamilton durch den zweiten Stopp noch einmal auf den Red Bull und hatte mehr als drei Sekunden Rückstand. Danach beschwerte sich der Brite rundenlang am Boxenfunk über die Strategie seiner Mannschaft.
Verstappen hingegen behielt kühlen Kopf und scherzte zehn Runden vor Rennende, als ihm der Abstand zu Hamilton per Funk durchgegeben wurde: "Beschwert er sich über irgendetwas oder was?"
"Da hat es nie eine Hektik gegeben", bestätigt Marko stolz. Die Strategie sei "sowas von präzise genau" gewesen heute. "Max hat in der jeweiligen Situation einfach das Richtige [gemacht]." Der Niederländer habe die Reifen nicht überfordert, und habe "immer Reserven" gehabt.
"Man hat ja gesehen, wenn [Hamilton] näher gekommen ist, hat er wieder zugelegt. Gratulation an das ganze Team, aber Max war unglaublich." Das muss auch Konkurrent Mercedes anerkennen, im Fahrerlager gratulierte Mercedes-Teamchef Toto Wolff Marko per Handschlag.
Red Bull sei einfach "furchtlos" gewesen, zollt der Österreicher den Bullen Respekt. Und auch Horner betont: " Ich denke, es war ein gutes, ein faires Rennen. Es ist ein harter Wettbewerb. Sie kämpfen jede Runde um Zehntelsekunden."
Aber nicht nur auf der Strecke wurde um Sekunden gekämpft, sondern auch in der Boxengasse. Zweimal konnte Red Bull den schnelleren Stopp absolvieren, vor allem Hamiltons erster Reifenwechsel war mit 3,6 Sekunden Standzeit nicht optimal.
Enge Boxengasse: "Mercedes war sehr fair"
Sicherheitsbedenken ob der sehr schmalen Boxengasse haben sich im Rennen nicht erhärtet. Da die Stellplätze der Teams in Zandvoort ungewöhnlich nahe nebeneinander liegen vor den Garagen, mit nur rund 14 Meter Abstand, wies die Rennleitung vor dem Rennen extra noch auf Fairplay hin.
"Die Einfahrt in die Boxengasse war wirklich kritisch, weil sie so kurz ist, und ich muss sagen, dass Mercedes fair war und die Schläuche so verlegt hat, dass wir in die Box fahren konnten", betont Horner. Der Stellplatz von Red Bull war direkt als zweiter hinter Mercedes angesiedelt.
"Es würde für jeden zwischen dem ersten und dem letzten [Stellplatz] immer schwierig sein, einen Boxenstopp zu absolvieren, aber die Jungs haben das Auto wirklich schnell abgefertigt, und Max hat alles getan, was er tun musste."
In 2,7 und 2,1 Sekunden stoppte die Weltrekord-Crew den Niederländer. Einen dritten Stopp gegen Rennende wollte das Team dennoch nicht riskieren, nur um auf die schnellste Rennrunde Jagd zu machen. "Gegen die schnellste Runde haben wir kein Mittel gehabt. Oder das wäre nur mit so viel Risiko [möglich gewesen]", gibt Marko zu.
Dennoch zeigt sich die Red-Bull-Teamführung nach dem Triumph hocherfreut und lässt sich von der Euphorie der holländischen Fans ein wenig mitreißen: "Ich habe noch nie so eine Reaktion auf einen Fahrer gesehen, wie heute in Holland", schwärmt Horner.
Nachsatz: "Ich glaube nicht, dass wir in der Lage sein werden, rauszukommen! Es ist eine fantastische Atmosphäre, es war das ganze Wochenende wie auf einem Festival und ich muss dem Veranstalter und den Fans ein großes Lob aussprechen, dass sie sich so engagiert haben."
Angststrecke Monza? "Aber mit der Form ..."
Nach den beiden Siegen in Österreich und dem Triumph in Belgien konnte Verstappen nun auch sein viertes Heimrennen 2021 gewinnen. "Aber für ihn war das heutige natürlich der wichtigste [Sieg]. Und Kompliment, was die [Niederländer] hier zustande gebracht haben", stimmt Marko zu.
Er zeigt sich fasziniert von der Begeisterung der Fans, aber auch von der Fairness gegenüber Gegenspieler Lewis Hamilton. Nach dem Rennen waren kaum Buhrufe zu hören.
Verstappen liegt nach seinem siebten Saisonsieg nun drei WM-Punkte vor Hamilton. "Vorne ist gut. Jetzt werden wir schauen, wie wir Monza meistern. Weil das ist ein Kurs, der uns in der Vergangenheit nie gelegen ist. Aber mit der Form ...", macht sich Marko wenig Sorgen beim Blick aufs kommende Wochenende.