Ferrari-Teamchef Binotto erklärt: Darum läuft's für die Scuderia in Monaco!
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto analysiert die Performance von Charles Leclerc und Carlos Sainz im Monaco-Qualifying - Er stellt klar: "Wir werden nicht gamblen!"
(Motorsport-Total.com) - Zum ersten Mal seit dem Grand Prix von Mexiko 2019 steht wieder ein Ferrari auf der Poleposition. Die Scuderia feiert mit Charles Leclerc in Monaco (vorerst) ihren 229. Startplatz an der Sonne. Das freut auch Teamchef Mattia Binotto. "Wir haben nicht erwartet, so schnell zu sein und auf Pole zu fahren", gibt der Italiener zu.
"Schon am Donnerstag waren wir recht zufrieden mit dem Auto, die Fahrer hatten Vertrauen aufgebaut", schildert der Teamchef nach dem Zeittraining. Seine Scuderia belegte bereits am Trainingstag die ersten beiden Plätze. Doch kaum ein Beobachter ging davon aus, dass die Roten auch am Samstag in Q3 noch vorne stehen würden.
"Ich bin sehr zufrieden, weil wenn man sich die Performance aus dem Vorjahr ansieht, dann kann man einen großen Schritt vorwärts erkennen", betont Binotto und fügt hinzu: "Es stimmt, dass Monaco eine sehr spezielle Strecke ist, aber dennoch brauchst du genügend Abtrieb in den langsamen Kurven."
Freude über Performance größer als über die Pole
Davon gibt es im Fürstentum reichlich genug, insgesamt 19 Kurven an der Zahl. Und das spielt Ferrari in dieser Saison besonders in die Hände, weil der SF21 seine Stärke in den langsamen Ecken besonders gut ausspielen kann. Durch guten mechanischen Grip liegt der Bolide im Fürstentum besonders gut.
"Das ist jener Abtrieb, den man nicht so einfach entwickeln und ans Auto bringen kann", merkt der Techniker an. "Daher ist das eine wahre Stärke unseres Autos, das freut mich." Binotto scheint die Gesamtperformance seiner Truppe mehr zu freuen, als das Endergebnis selbst.
"Ich bin glücklicher über die Leistung des Autos, als über die Pole. Natürlich ist die Poleposition [in Monaco] wichtig." Doch der Italiener möchte sich nicht zu früh freuen, denn über dem Ergebnis hängt das Damoklesschwert.
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Charles Leclerc konnte den Ferrari in Q3 zwar in 1:10.346 Minuten auf Poleposition stellen, wenig später krachte der Monegasse allerdings in der Schwimmbad-Schikane in die Leitplanken. "Jetzt müssen wir uns das Getriebe ansehen", so Binotto. Das mache ihm besonders Sorgen.
Seine Mannschaft konnte am Samstagabend aber schon erste Entwarnung geben: Es konnte "kein ernsthafter Schaden" am Leclerc-Boliden festgestellt werden. Daher hofft der Teamchef zusammen mit dem Lokalmatador und den Tifosi, dass ein Getriebewechsel nicht notwendig sein wird.
Denn ein Wechsel würde zumindest eine Strafversetzung um fünf Startplätze bedeuten. So weit soll es aber erst gar nicht kommen. Ein abschließendes Ergebnis der Analyse wird am Sonntagvormittag vorliegen.
Poleposition für Scuderia "eine gute Belohnung"
Was ging Binotto durch den Kopf, als er sein Fahrzeug in der Mauer stecken sah? "Es ist immer schade, wenn ein Auto verunfallt. Auch enttäuschend. Denn wir glauben, dass Carlos sich noch verbessert hätte. Das Team hätte also vielleicht noch besser abschneiden können."
Der Spanier war nach dem Zeittraining ebenso enttäuscht und verärgert. Denn er fühlte sich um seine Chance auf seine erste Karrierepole beraubt. "Er weiß, dass er heute besser abschneiden hätte können", glaubt auch der Teamchef. "Man konnte sehen, dass er enttäuscht war. Aber das ist gut."
Das zeuge von Kampfgeist, meint Binotto. Der Neuling habe sich bereits gut im Team integriert und sei eine "fantastische Messlatte" für Leclerc - auf und abseits der Strecke. "Denn er ist immer ein toller Anführer. Außerdem schöpft er mehr und mehr Vertrauen ins Auto. Er kommt immer näher ran."
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Dadurch entstehe eine gesunde Rivalität zwischen beiden Piloten. Sainz treibe Leclerc zu neuen Höchstleistungen an. "Sie kommen außerdem sehr gut miteinander aus. Und er versteht, dass die Konkurrenz nicht der Teamkollege, sondern die anderen Fahrer ist."
Erst wenn Ferrari wieder an der Spitze angekommen sei und über das beste Auto verfüge, werden die beiden zu Konkurrenten, so Binotto. Vorerst gilt es aber, die Scuderia wieder nach vorne zu bringen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist in Monaco geglückt.
Die Poleposition sei "eine gute Belohnung für das ganze Team". Wie hat Ferrari diesen Turnaround geschafft? "Für mich war es wichtig, dass das Team nicht ständig unter dem Druck von außen arbeitet. Wir sind ruhig, fokussiert und vereint geblieben", fasst der Teamchef zusammen.
Binotto betont: "Wir werden nicht gamblen"
Könnte dieser Aufschwung am Ende gar noch mit einem Sieg gekrönt werden - wenn Leclerc seine Poleposition behalten darf? "Ich denke, das wird sehr schwierig. Wir sind in einer guten Position. Aber die Boxenstopps werden der Schlüssel zum Erfolg werden und Max [Verstappen] ist sehr, sehr schnell."
Der Red-Bull-Pilot wittert am Sonntag seine große Chance, nachdem WM-Kontrahent Lewis Hamilton nur von Startplatz sieben in den Monaco-Grand-Prix gehen wird. "Ich bin sicher, er wird uns das Leben schwer machen", schmunzelt Binotto wissend um das WM-Duell, "und nicht nur er, alle Jungs hinter uns!"
Der Italiener weiß, die wahre Konkurrenz heißt nicht Red Bull oder Mercedes, sondern McLaren. In der Konstrukteurs-WM liegen die Briten fünf Zähler vor den Roten. Mit Lando Norris auf Platz fünf hat die Mannschaft ebenfalls ein heißes Eisen auf einer Topplatzierung in Stellung gebracht.
Um jeden Preis wird Ferrari am Sonntag nicht an der Poleposition von Leclerc festhalten und auf Sieg fahren: "Nein, wir werden nicht gamblen." Sollte tatsächlich noch ein Schaden am SF21 des Lokalhelden festgestellt werden, dann werde dieser behoben - auch wenn das eine Grid-Strafe zur Folge haben sollte.
"Für uns ist nach so einem Qualifying wichtig, unsere Punkteausbeute für die Weltmeisterschaft zu maximieren. Die Zuverlässigkeit wird der Schlüssel sein, da wir zunächst ins Ziel kommen müssen. Das hat Priorität. Wenn wir also Zweifel haben, dann werden wir [das Bauteil] auswechseln und reparieren."