Helmut Marko: Erster Verstappen-Stopp war ein "Missverständnis"
Red-Bull-Sportchef Helmut Marko erklärt, warum der erste Boxenstopp von Max Verstappen im Spanien-Grand-Prix der Formel 1 eigentlich so nicht geplant war
(Motorsport-Total.com) - Ein "Missverständnis" zwischen Renningenieur Gianpiero Lambiase und Fahrer Max Verstappen hat den Anfang vom Ende der Red-Bull-Hoffnungen in Barcelona eingeleitet, erklärt Helmut Marko bei 'Sky' und 'ORF'. Dadurch sei der Sieg beim vierten Formel-1-Rennen der Saison 2021 in weite Ferne gerückt.
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Max Verstappen: Der Boxenstopp in Runde 24 war so nicht geplant gewesen ... Zoom Download
Verstappen war im Spanien-Grand-Prix in Runde 24 als Führender in die Boxengasse abgebogen, nachdem ihn Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton über Runden hinweg belauert hatte. Der Haken daran: Die Red-Bull-Mannschaft wusste von nichts.
"Das ist gar nicht so rübergekommen, aber: Max ist unaufgefordert hereingekommen", sagt Red-Bull-Sportchef Marko im 'ORF'. "Das war ein Missverständnis. Der Renningenieur hatte gesagt: nächste Runde. [Verstappen] meinte diese [Runde], hat das irgendwie missverstanden."
Wie Verstappen die Boxenstopp-Situation beschreibt
Teamchef Christian Horner meint schlicht: "Er hat sich selbst reingerufen! Die Jungs waren nicht bereit, aber wir haben nur minimal Zeit verloren und unsere Position gehalten. Das haben wir also noch gut gerettet."
Und wie sieht Verstappen die Szene? Er sagt bei 'Sky': "Wir machen natürlich verschiedene Sachen auf dem Lenkrad und dürfen nicht reden am Funk. Da war irgendwas falsch abgestimmt, aber wir haben am Ende keinen Platz dadurch verloren. Am Ende haben [die Jungs] noch einen sehr guten Stopp gemacht."
Letzteres sieht auch Marko so, zumal die Boxenstopp-Situation "unerwartet" gekommen sei für die Mannschaft: "Erst, als er schon in der Boxengasse war, brüllte einer unserer Mitarbeiter: Max kommt herein! Deshalb war der Boxenstopp bei vier oder fünf Sekunden."
Nach dem Stopp kippt das Rennen für Red Bull
Marko aber wertet diesen Reifenwechsel nicht als Panne, sondern sogar als "Sensationsleistung", gerade weil die Vorwarnung extrem kurz gewesen sei. "Dafür war der Boxenstopp sehr, sehr gut."
Doch eben dieser Reifenwechsel gab Red Bull auch ein strategisches Handicap mit auf den Weg, denn das Team hatte eine Einstopptaktik für Verstappen geplant. "Dadurch waren wir von der Rundenanzahl schon festgelegt", meint Marko. Sprich: Verstappen hat sich durch den verfrühten Stopp den zweiten Stint auf Medium-Reifen selbst verlängert.
Und gerade in diesem zweiten Stint verlor Red Bull jede Siegchance - aber nicht aufgrund des Boxenstopps, wie Marko betont: "Wir hatten im ersten Stint gesehen, dass Mercedes im Rennspeed schneller ist. Weil wenn du innerhalb einer Sekunde locker hinterherfährst, ohne dass die Reifen kaputtgehen."
Da gab es nur ein Motto: durchfahren!
Die einzige Möglichkeit für Verstappen, vielleicht doch noch vorne zu bleiben, habe darin bestanden, den eigentlichen Plan weiter zu verfolgen: "So lange wie möglich mit den Reifen über die Distanz zu kommen", sagt Marko.
"Es war klar, dass der [zweite Stint] mit den Reifen schwierig werden wird. Und als Hamilton noch einmal gewechselt hat, dann wussten wir, das isses. Da war dann offensichtlich, dass es nicht geht. Dann haben wir halt Schadensbegrenzung mit der schnellsten Runde getätigt."
Einzige Alternative: Auf Soft wechseln
Ganz alternativlos aber sei die Entscheidung nicht gewesen. "Wir hatten schon überlegt", sagt Marko, denn Verstappen hatte noch einen frischen Satz Soft in der Garage liegen.
"Das war [aber] anfangs zu früh, und dann hätten wir Bottas überholen müssen, und Hamilton. Und da war das Risiko eigentlich zu groß. Da wussten wir, das zahlt sich nicht aus. Und dann haben wir versucht, über die Runden zu kommen. Ein zweites Ungarn praktisch."
Worauf Marko hier anspielt: Auf den Ungarn-Grand-Prix 2019, der ebenso durch die bessere Strategie zugunsten von Hamilton und Mercedes ausging, nachdem zuvor lange Verstappen geführt hatte. Die Entscheidung fiel damals fünf Runden vor Schluss, dieses Mal acht Runden vor Rennende.
Helmut Marko: Kein Vorwurf ans Team
Er mache aber niemandem im Team einen Vorwurf, meint Marko weiter. "Das Renntempo der Mercedes war einfach deutlich besser als unseres. Wir standen mehr oder weniger mit dem Rücken zur Wand." Und als Verstappen verfrüht an die Box gefahren sei, da sei Red Bull der Konkurrenz "ausgeliefert" gewesen.
Verstappen stand in der Schlussphase des Rennens zudem gleich zwei Mercedes-Fahrern gegenüber, denn auch Bottas holte auf ihn auf. Von seinem Red-Bull-Teamkollegen Sergio Perez dagegen keine Spur - ein Nachteil für die Mannschaft um Sportchef Marko.
"Es wäre leichter gewesen [wenn auch Perez vorne dabei gewesen wäre]. Aber: Perez kommt langsam. Ich hoffe, in Monaco. Wenn er da das Qualifying schafft, dann ist der Rennspeed nicht mehr so entscheidend", sagt der frühere Rennfahrer.
Überhaupt komme es in Monaco vor allem auf die "Qualifying-Stärke" an. Und Marko klingt zuversichtlich: "Wenn wir die behalten und wenn du in Monaco vorne stehst, dann bleibst du vorne. Da gibt es kein Überholen. Das ist die Hoffnung."
Red Bull kündigt weitere Updates an
Doch auch über das nächste Rennen hinaus werde sein Team attackieren. "Wir haben einiges in der Entwicklung", erklärt der Red-Bull-Sportchef. "Wie schnell und wie effektiv das kommen wird, das werden wir nach Monaco sehen."
In jedem Fall werde in Milton Keynes noch lange am aktuellen RB16B gearbeitet. "Wir haben entschieden: Wir sind bis zur Sommerpause voll in der Entwicklung, sowohl vom 2022er-Modell als auch vom jetzigen", sagt Marko. "Und dann werden wir sehen, wie die WM-Situation aussieht."
Er gehe davon aus, zur Saisonhälfte "noch immer reelle Chancen" zu haben auf den WM-Titelgewinn. "Und dann müssen wir halt den Spagat finden, beide Sachen optimal zu lösen. Aber wir werden nicht die WM gewinnen, wenn wir sagen, wir konzentrieren uns auf 2022."
Verstappens WM-Rückstand "nicht beängstigend"
Der aktuelle Rückstand von Verstappen in der Fahrerwertung sei "Gott sei Dank [...] nicht beängstigend", sagt Marko weiter. "Aber wir müssen im Rennen Speed finden. Das ist ganz klar."
Andererseits müsse man auch die Stärke von Mercedes und Hamilton anerkennen: "Wenn so eine Überlegenheit da ist und so ein Topfahrer, dann kannst du dagegen nicht ankämpfen."
Einzig eine weitere Safety-Car-Phase hätte Red Bull in Barcelona vielleicht noch einmal zurück ins Spiel bringen können. Dann wäre der frische Satz Soft Gold wert gewesen. "Da hätten wir aber halt Glück gebraucht", meint Marko, "und das ist nicht ganz so auf unserer Seite dieses Jahr."