Sensorproblem bei Valtteri Bottas: "Habe fünf Sekunden auf Max verloren"
Mercedes-Pilot Valtteri Bottas erlebt in Portugal ein enttäuschendes Rennen: Reifen- und Sensorprobleme kosten eine bessere Platzierung - Trostpreis: Schnellste Runde
(Motorsport-Total.com) - "Enttäuschend." So lautet das Fazit von Valtteri Bottas nach dem Grand Prix von Portugal, den er auf dem dritten Platz beendet. Der Finne fährt seinen 58. Podestplatz und die schnellste Rennrunde in Portimao ein, dennoch hadert er nach dem Rennen mit seiner Leistung. "Wenn man von der Poleposition startet, hat man nur ein Ziel im Rennen: den Sieg." Wo ging der Triumph des Finnen verloren?
Am Rennstart schien Bottas zunächst alles im Griff zu haben, er setzte sich von der Poleposition in Kurve 1 gegen Lewis Hamilton und Max Verstappen durch. Auf dem Medium-Reifen kontrollierte er das Rennen, konnte seine beiden schärfsten Kontrahenten allerdings nicht abschütteln.
"Ich weiß wirklich nicht genau, warum ich im ersten Stint die Pace nicht hatte. Was den Start, den Restart und so weiter angeht, war das alles okay von meiner Seite, aber ich konnte recht schnell sehen, dass ich auf dem Medium nicht die Pace hatte, die Lewis und Max fahren konnten", gibt Bottas zu Protokoll.
"War nur eine Frage der Zeit, bis mich Lewis überholt"
Nachdem die Trümmerteile von Kimi Räikkönens Alfa Romeo auf Start-Ziel aufgesammelt waren, konnte er Hamilton am Restart in der sechsten Runde zunächst noch überraschen. Der Brite konzentrierte sich zu sehr auf Verstappen und verpasste daher die Gelegenheit, an Bottas vorbeizugehen.
Doch wenig später war es dann so weit: In Runde 20 zog sich Hamilton in der DRS-Zone auf Start-Ziel an den W12 seines Teamkollegen heran und überholte mit einem mutigen Manöver auf der Außenbahn in Kurve 1. "Es war nur eine Frage der Zeit, bis mich Lewis überholt, ich habe auf dem Medium keine Antwort gefunden."
Auf Platz zwei liegend musste sich Bottas fortan nach hinten orientieren, im Rückspiegel sah er einen immer größer werdenden Red Bull. Mit der Pace von Hamilton konnte er nicht mithalten, in 16 Runden bis zu seinem einzigen Boxenstopp verlor er über vier Sekunden.
Um auf die drohende Undercut-Gefahr von Verstappen zu reagieren, holte Mercedes den Finnen in Runde 37 an die Box. In 3,3 Sekunden - eine Sekunde langsamer als der Red-Bull-Stopp - wechselte die Crew den Medium gegen einen frischen harten Reifen.
Die entscheidende Szene folgte nach der Boxenausfahrt: Verstappen kam mit aufgewärmten Reifen und Überschuss in Kurve 1 an, Bottas hatte hingegen auf den kalten Reifen Mühe. Er setzte sich zunächst noch vor den Red Bull, musste aber in Kurve 3 einen Quersteher abfangen, wodurch Verstappen seine Chance roch.
Der Niederländer setzte sich in Kurve 4 bergauf auf die Innenbahn und griff den Mercedes-Fahrer hinunter zu Kurve 5 an. ORF-Experte Alexander Wurz urteilt nach dem Rennen: "Das war eher auf der passiven Seite [von Bottas]." Ein Funken mehr Aggressivität hätte dem Finnen in jener Situation geholfen.
Wolff funkt: "Jag ihn, Valtteri! Du bist das schnellste Auto!"
Ralf Schumacher kommentiert hingegen auf 'Sky': "Da kann man Bottas keinen Vorwurf machen." Wie hat er selbst die Situation erlebt? "Das war ziemlich schlecht. Aber wir wussten, dass das Warm-up mit dem harten Reifen ziemlich knifflig werden würde."
Als die weiß markierten Pneus schließlich im optimalen Arbeitsfenster waren, konnte Bottas wieder Zeit aufholen und eine schnelle Runde nach der anderen fahren. "Als die Reifen auf Temperatur waren, war es eigentlich nicht so schlecht, besser als auf dem Medium."
Der Abstand zu Verstappen pendelte sich bei rund 1,5 Sekunden ein. In jener Phase des Rennens schien es fast so, als könnte der zweite Mercedes dem großen WM-Rivalen noch einmal richtig gefährlich werden. Mentale Unterstützung kam daher von oberster Stelle.
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"Jag ihn, Valtteri! Du bist das schnellste Auto", feuerte ihn Teamchef Toto Wolff persönlich via Boxenfunk an - nicht zum ersten Mal. Denn nach einer internen Aussprache vor dem Saisonfinale im Vorjahr meldete sich der Österreicher auch im Qualifying zum Grand Prix von Abu Dhabi ("Alles, was du hast, Valtteri!").
"Er hat sich schon oft am Boxenfunk gemeldet und etwas gesagt. Das ist sehr unterstützend und zeigt, dass da Unterstützung und Leidenschaft dahinter steckt. Ich gebe natürlich immer alles, was ich kann, auf der Strecke", kommentiert Bottas den Wolff-Funkspruch nach dem Rennen in Portugal.
"An einem Punkt habe ich auf Max aufgeholt, dann hatte ich aber ein Problem mit einem Sensor, dadurch habe ich plötzlich Power verloren", erklärt er. Konkret brachen seine Rundenzeiten in Umlauf 54 ein. Von 1,5 Sekunden vergrößerte sich sein Rückstand auf den Red Bull innerhalb von nur einer Runde auf rund fünf Sekunden.
Wie sich das Sensorproblem ab Runde 54 auswirkte
"Was war das?", funkte er noch während des Rennens überrascht. Sein Ingenieur erklärte ihm, dass ein Fehler an einem Sensor am Auspuff aufgetreten sei, der zu hohe Temperaturen gemeldet habe. "Dadurch habe ich rund fünf Sekunden auf Max verloren. Das war's dann."
ORF-Experte Wurz erklärt den Mechanismus bei solchen Sensorproblemen: "Da war ein Sensor im Auspuff, der Fehlinformationen liefert. Dann muss der Pilot am Lenkrad den Sensor deaktivieren und hat halt dann mit Leistungsverlust zu kämpfen. Das war dann nicht mehr möglich für ihn zu kämpfen."
"Das war Pech", muss Teamchef Wolff am 'Sky'-Mikrofon nach dem Rennen einsehen. "Er konnte zunächst auf Max aufholen und sein Rückstand hat sich bei 1,5, 1,6 Sekunden stabilisiert. Wir haben dann eine Änderung vorgenommen, um den Sensor praktisch zu umgehen, weil der uns meldete, dass die Auspuff-Temperaturen zu heiß seien."
F1: Grand Prix von Portugal (Portimao) 2021 - Sonntag
Lewis Hamilton (Mercedes) und Valtteri Bottas (Mercedes) Galerie
Allerdings konnte das Team den Sensor nicht so einfach ausschalten, weshalb der Motor in einen Sicherheitsmodus wechselte. Dadurch war Bottas auf den Geraden deutlich langsamer. "Das hat ihm fünf Sekunden gekostet."
"Das Problem war, dass wir in der Motorensoftware einen kleinen 'Gremlin' hatten, den wir ausmerzen wollten, und das hat genau das Gegenteil bewirkt. Das ist etwas, was wir in unserer Software in Ordnung bringen müssen", weiß Wolff.
Mehrfach funkte Bottas, dass er das Gefühl habe, auf den Geraden zu langsam zu sein und Motorenpower zu verlieren. Daher blieb eine finale Attacke auf Red Bull aus. Grundsätzlich hätte er das Auto dazu gehabt, denn wie Wolff anmerkt, war Mercedes am Sonntag mit gutem Topspeed unterwegs.
Wolff: "Haben Valtteri mit der Power-Unit im Stich gelassen"
"Das Set-up, das wir gewählt haben, war richtig", betont der Teamchef. Zwar war die Abstimmung ein wenig "zu Ungunsten" des Abtriebs und Luftwiderstands ausgewählt worden, dafür waren die beiden W12 schnell auf den Geraden. Allerdings: Bottas lag beim Topspeed rund 23 km/h hinter Hamilton.
Als schließlich gegen Rennende klar war, dass Bottas den zweiten Platz nicht mehr erreichen wird können, ging er auf die schnellste Rennrunde - und duellierte sich mit Verstappen im Fernduell erneut. Da der Niederländer seine schnellste Zeit gestrichen bekommen hat (Tracklimits), fiel der Extrapunkt Bottas zu.
Wie bewertet der Teamchef die Leistung seines Schützlings? "Valtteri hätte am Ende wahrscheinlich eine Chance auf Max gehabt, wenn wir ihn nicht mit der Power-Unit im Stich gelassen hätten. Also ja, ich denke, wir müssen ihm Anerkennung zollen."
Nachsatz: "Das war eine gute Rückkehr, wenn man bedenkt, wo er vor zwei Wochen stand."