Wie ein Problem mit dem Windkanal Alpine zurückgeworfen hat
Alpine-Direktor Marcin Budkowski erklärt, warum das ehemalige Renault-Werksteam in der Entwicklung des A521 Zeit verloren hat - Updates auch in Portimao
(Motorsport-Total.com) - "Es war kein optimaler Winter", musste Alpine-Teamdirektor Marcin Budkowski schon in Imola einräumen. Das ehemalige Renault-Werksteam wurde von Problemen mit dem Windkanal geplagt. Wie weit die Mannschaft von Fernando Alonso und Esteban Ocon dadurch tatsächlich zurückgeworfen wurde, hat er nun erstmals verraten.
Nach nur zwei Grands Prix ist ein klarer Trend erkennbar: Alpine scheint im Kräfteverhältnis 2021 deutlich hinter die Performance des Vorjahres zurückgefallen zu sein. "Leider", muss Budkowski dieser Einschätzung zustimmen, "ist das nicht komplett überraschend."
Der Rennstall, der unter neuem Namen, neuer Teamführung und mit Aushängeschild Alonso in diesem Jahr ursprünglich einen weiteren Schritt vorwärts machen wollte, kämpft aktuell an der Q3- und Top-10-Hürde im dicht besetzten Mittelfeld gegen Aston Martin und Co.
Diese zwei Probleme haben Alpine im Winter aufgehalten
"Wir liegen weiter zurück, als wir gedacht hatten", lautete Budkowskis Fazit am Imola-Wochenende. Und seither hat sich an dieser Position kaum etwas geändert. "Wir hatten ein paar Probleme im Winter, die unsere Performance beeinflussen würden, das wussten wir", klärt er vor dem dritten Saisonlauf auf.
Bei den Testfahrten in Bahrain seien die "Ängste" bestätigt worden, erklärt er. "Wir wussten, wir waren im Hintertreffen, als wir zu den Testfahrten und dann in die ersten Rennen gingen." Ausgelöst wurden die Bedenken durch Schwierigkeiten im Windkanal in Enstone.
Konkret darauf angesprochen, berichtigt er: "Ich wurde in der Presse mit den Worten zitiert, wir hätten Probleme 'mit dem Windkanal', doch eigentlich waren es Probleme 'im Windkanal'." Budkowski präzisiert, dass die Schwierigkeiten zweierlei Gestalt annahmen.
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Ferrari SF21: Unterboden Fotostrecke
"Wir hatten [einerseits] Probleme mit den Regeländerungen", spricht er die Einschnitte im hinteren Aero-Bereich an, "und den verschiedenen Strömungseigenschaften, die das Auto mit sich bringt, und wir hatten [andererseits] Probleme mit der Hardware." Also dem Windkanal selbst.
Die Folgen dieses holprigen Winters: "Wir haben nicht mehr Performance als andere verloren, wir haben einfach Entwicklungszeit verloren." Das sei in der heutigen Formel 1 eine wichtige "Währung", denn die Zeit im Windkanal ist durch das Reglement beschränkt.
Während die Ingenieure bei Alpine demnach versucht haben, die aerodynamischen Eigenschaften am A521 zu stabilisieren und die richtigen Werte aus dem Windkanal zu erhalten, hat die Konkurrenz in der Zwischenzeit an der Weiterentwicklung gearbeitet und Performance gewonnen.
"Beides ist unglücklicherweise zur gleichen Zeit passiert"
"Wir haben ein paar Wochen an Entwicklungszeit verloren, das hat sich in Zehntelsekunden niedergeschlagen." Daher ist das ehemalige Renault-Team aktuell nicht mehr an der Spitze des Mittelfeldes zu finden, wie noch im Vorjahr. "Wenn du Zeit im Winter verlierst, warten deine Gegner nicht auf dich."
Wie kann es sein, dass die Probleme die Entwicklung nicht schon im Vorjahr beeinträchtigt haben? "Ein Teil der Probleme, die ich erwähnt habe, hing mit der Änderung der Regelungen zusammen", wiederholt Budkowski. Unter anderem wurden Unterboden und Diffusor beschnitten.
Andererseits habe man eben auch mit Hardware-Problemen im Windkanal zu kämpfen gehabt, die zeitlich allerdings nur zufällig mit den anderen Schwierigkeiten zusammenfielen.
"Man macht Änderungen, man verbessert seinen Tunnel und man versucht, die Art und Weise zu verbessern, wie man testet. Und manchmal stößt man dabei auf Probleme, also gibt es keinen besonderen Grund. Es ist nur so, dass beides unglücklicherweise zur gleichen Zeit passiert ist."
Dem Exekutiv-Direktor ist wichtig anzumerken, dass die Infrastruktur in Enstone mittlerweile verbessert wurde, und dadurch auch die Probleme mit der Hardware selbst behoben worden seien.
"Wir investieren und verbessern unseren Windkanal ständig. Hoffentlich werden wir die Probleme im nächsten Jahr also nicht wieder haben", blickt er auf das vollkommen neue 2022er-Reglement.
Abstand zu Ferrari & McLaren "weiterhin zu groß"
Zunächst gilt es allerdings, den Abstand auf die Spitze des Mittelfeldes zu verringern und sich wieder nach vorne zu kämpfen. "Wir arbeiten hart daran, das Auto zu verbessern." Um den Rückstand auf die Konkurrenz aufzuholen, brauche es "ein paar mehr Updates", hatte der Pole bereits in Italien angekündigt.
In Imola hat das Team dann ein erstes größeres Update-Paket an den Start gebracht, vor allem im Bereich der Front. Die Neuerungen haben sich allerdings nicht unmittelbar auf die Performance ausgewirkt, weshalb Rennleiter Davide Brivio auch betonte, dass die Updates auf anderen Strecken einen größeren Effekt haben sollten.
Auch in Potimao haben Alonso und Ocon neue Teile in den Freien Trainings am Freitag getestet. "Wir machen einen Schritt, was die Verbesserung der Performance unseres Autos betrifft, aber der Abstand zu den Jungs, gegen die wir gerne kämpfen würden - McLaren und Ferrari - ist weiterhin zu groß im Moment."
Im Gesamtklassement am Freitag zeigte sich Alpine stark wie lange nicht. Alonso konnte sich auf dem siebten Platz einreihen, nur 0,023 Sekunden hinter Ferrari und noch vor McLaren. Er habe sich noch nie so wohlgefühlt im Auto, berichtete der zweimalige Weltmeister.
"Wir arbeiten weiterhin daran, [den Abstand] zu verringern, aber das wird in den nächsten paar Rennen knifflig", will Budkowski dem Trainingsergebnis noch nicht zu viel Glauben schenken. Und er bringt noch einen ganz anderen Aspekt ins Spiel: den Piloten.
"Da kommt noch mehr", antwortet er auf Rückkehrer Alonso angesprochen. "In Bahrain war er gleich voll dabei und hat das Auto ins Q3 gestellt. Alle haben sein Comeback bejubelt. In Imola lief es dann weniger rund, und plötzlich stellt ihn jeder infrage."
Alonso wird zurückschlagen: "Habe daran keinen Zweifel"
Das sei "typisch Formel 1", meint der Alpine-Direktor. Denn in der Außenwahrnehmung sei man eben immer nur so gut wie das letzte Rennen. "Fernando war extrem ehrlich. Er hat seine Hand nach dem Qualifying in Imola gehoben und gemeint: 'Die paar Zehntel, die fehlen, muss ich selbst finden'."
Alonso ging tatsächlich selbstkritisch mit seiner Performance in Italien um und stellte klar, dass nicht das Auto den größten Verbesserungsspielraum habe, sondern er selbst als Fahrer. "Die Leute vergessen gerne, dass diese Autos verdammt schnell sind und es sehr schwierig ist, sie am Limit zu bewegen."
Auf der Fahrerstrecke in Imola hatten schließlich die meisten Piloten, die ihr Team im Winter gewechselt hatten, Probleme. "Fernando war zwei Jahre weg, er fuhr eineinhalb Testtage in Bahrain und danach ging's ins erste Rennen."
"Aber", merkt Budkowski an, "mit seiner Erfahrung, seinem Talent und Entschlossenheit wird er zurückschlagen, daran habe ich überhaupt keinen Zweifel."