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Russell nach Crash mit Bottas geläutert: "Ich entschuldige mich bei Valtteri"
Williams-Pilot George Russell entschuldigt sich einen Tag nach dem Grand Prix der Emilia-Romagna bei Valtteri Bottas für den heftigen Crash in Imola
(Motorsport-Total.com) - Einen Tag nach dem heftigen Unfall zwischen Valtteri Bottas und George Russell im Grand Prix der Emilia-Romagna hat sich der Brite nun für den Zwischenfall entschuldigt. "Gestern war nicht mein stolzester Tag", schreibt der 23-Jährige in einem Statement auf Social Media.
"Ich wusste, dass dies eine unserer besten Gelegenheiten sein würde, in dieser Saison zu punkten, und wenn diese Punkte so wichtig sind wie jetzt für uns, geht man manchmal Risiken ein", erklärt Russell in dem Schreiben seine Überlegungen, die der folgenschweren Attacke auf Bottas vorausgingen.
Und er kommt zu dem Schluss: "Es hat sich nicht ausgezahlt und dafür muss ich die Verantwortung übernehmen. Nachdem ich Zeit hatte, über die Geschehnisse nachzudenken, weiß ich, dass ich die ganze Situation besser hätte handhaben müssen."
Russell: "Ich erwarte mehr von mir selbst"
Rückblick in Runde 32 des Grand Prix in Imola: Bottas kämpfte auf den Slick-Reifen kurz nach der Phase der Boxenstopps mit dem Warm-up der Gummis, Russell roch seine Chance und zog sich im DRS-Fenster auf Start-Ziel an den W12 heran.
Da der Finne auf der trockenen Ideallinie blieb, scherte der Williams-Pilot im Knick von Kurve 1 nach rechts hin aus. Ein kurzes Zucken von Bottas veranlasste ihn, noch ein wenig weiter nach rechts auszuweichen - doch dort kam er mit zwei Rädern auf das noch nasse Gras.
Die Folge: Russell drehte sich und krachte in den Mercedes. Wenig später sprang er aus dem Auto, stürmte zum Cockpit seines Widersachers und gab ihm eine kleine Ohrfeige auf den Helm. Er fragte ihn - sich keiner Schuld bewusst seiend -, ob er beide umbringen wolle. Bottas antwortete mit dem Stinkefinger.
"In der Hitze des Gefechts können die Emotionen hochkochen, und gestern habe ich mich zu sehr von meinen Gefühlen leiten lassen. Ich entschuldige mich bei Valtteri, bei meinem Team und bei allen, die sich durch mein Verhalten im Stich gelassen fühlten. So bin ich nicht, und ich erwarte mehr von mir, so wie ich weiß, dass andere mehr von mir erwarten", schreibt Russell.
Auch nach dem Rennen ging das Duell verbal vor den TV-Kameras weiter - zunächst flogen die Funken, dann die Fetzen. Die beiden Streithähne gaben sich beide uneinsichtig und sahen die Schuld beim jeweils anderen. Russell behauptete etwa noch am Sonntagabend: "Das war ein sehr unglücklicher Zwischenfall."
Und: "Ich denke, der Unfall hätte verhindert werden können. Valtteri hat sich sehr hart verteidigt und das ist auch sein gutes Recht. Die Strecke neigt sich an jener Stelle nach links, er fuhr geradeaus. Das sieht auf den Aufnahmen der Kameras noch viel klarer aus", schilderte der Brite.
Unfall hätte aus Russells Sicht vermieden werden können
Er fühlte sich zunächst von den TV-Aufnahmen in seiner Annahme bestätigt, dass ihn weniger Schuld treffe. "Bei diesen Bedingungen mit nur einer trockenen Linie konnte es nur so enden, leider." Russell dachte zu jenem Zeitpunkt, dass die kleine Bewegung von Bottas für die Kollision verantwortlich zu machen ist.
"Das war alles innerhalb des Reglements, und es ist sein gutes Recht, aber er hätte es verhindern können. Meiner Meinung nach hätte er mehr Respekt vor den Geschwindigkeiten und den Bedingungen haben müssen."
Russell gestand, dass der Zwischenfall im Nachhinein aus vielen verschiedenen Kamerapositionen "ganz anders" aussah als im Cockpit. Außerdem zeigte er sich frustriert über den Ort des Geschehens: "Ich hatte noch nie einen Crash am Ende einer Geraden."
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Da fahre man schließlich mit Vollgas, was den Zwischenfall umso beängstigender gemacht hat. "Wir haben alle erst kürzlich gesehen, wie gefährlich Motorsport ist und ehrlich gesagt hätte ich genau so reagiert, wäre ich um den Sieg gefahren oder um den letzten Platz. Denn es war unnötig und hätte vermieden werden können."
Besonders störte ihn die Tatsache, dass Bottas seine Fahrweise nicht an die schwierigen Witterungsbedingungen angepasst habe. "Man muss auch ein gewisses Maß an Verantwortung und Rücksicht auf die Gegebenheiten walten lassen."
Denn: "Es gibt Dinge, die man unter stabilen Bedingungen machen kann, aber nicht auf einer feuchten Strecke, auf der es einen Knick gibt und man jemanden ins Gras rauspusht bei über 200 Meilen pro Stunde [320 km/h]." Deshalb sei er "so enttäuscht" gewesen, weil Bottas zu wenig Respekt vor den wirkenden Kräften gezeigt habe.
Russells Theorie: "Es ist klar, wie es gemeint war"
Zusätzliche Würze verlieh der Auseinandersetzung die Tatsache, dass Bottas und Russell direkte Gegner im Kampf um das Mercedes-Cockpit 2022 sind. Der Finne sitzt aktuell noch in jenem Wagen, in dem der Brite schon längst sitzen möchte.
Daher hat Russell am Sonntag auch eine Theorie rund um den Crash aufgestellt: Hätte es sich um einen anderen Unfallgegner gehandelt, wäre Bottas anders gefahren. Diese Theorie verwies der Finne jedoch ins Reich der Verschwörungsmythen.
"Es gibt keine Spannungen zwischen Valtteri und mir, aber man kann meinen Kommentar auffassen, wie man möchte", entgegnete Russell noch am Sonntag auf seine Theorie angesprochen. "Ich denke, es ist jedenfalls klar, wie es gemeint war. Vielleicht liege ich auch falsch."
Nachsatz: "Vielleicht kämpft er auch wirklich um jede Position erbarmungslos. Und das ist auch sein gutes Recht." Die Rennleitung hat den Vorfall zur Untersuchung noch während des Rennens an die Kommissare weitergeleitet, die haben beide Fahrer für eine Stellungnahme vorgeladen.
Vor den Rennkommissaren sahen sich Bottas und Russell erstmals nach dem Unfall wieder, gesprochen haben die beiden allerdings nicht miteinander. "Nein. Wir haben beide unsere eigene Meinung. Aber wir haben auch beide gemeint, dass es ein Rennunfall war."
So lautete schließlich auch das FIA-Urteil: "No further Action". In der Begründung ist zu lesen, dass Russell unter anderem aufgrund der Verwendung des DRS weniger Abtrieb im Heck hatte, was zu dem Unfall beigetragen habe.
Russell dankbar: "Harte Lektionen gelernt"
"Vielleicht hätte das DRS nicht aktiviert werden sollen", merkte Russell am Sonntag nach der Anhörung an. "Ich hätte mich nicht gedreht, wäre ich in der exakt gleichen Position mit geschlossenem DRS gewesen", glaubte er. "Vielleicht müssen wir uns das für die Zukunft merken."
Was bleibt von dem Unfall außer eines teuren Totalschadens übrig? "Valtteri und ich werden uns unterhalten und das aus der Welt schaffen. Natürlich gibt es in der Hitze des Gefechts viele Emotionen, aber ich habe nicht die Absicht, einen Groll zu hegen oder eine schlechte Beziehung zu irgendeinem Fahrer auf dem Grid zu haben."
Russell betonte, dass er Bottas wohl noch in dieser Woche anrufen werde, um die Sache aus der Welt zu schaffen und um "es hinter uns zu lassen und weiterzumachen. Wir sind alle Rennfahrer. Wir kämpfen alle um die Position. Und im Moment ist es unglaublich enttäuschend für alle von uns", erklärte er nach dem Rennen.
Fotostrecke: Imola: Fahrernoten der Redaktion
Nikita Masepin (5): Positiv ist nur, dass der Russe dieses Mal zumindest die Zielflagge gesehen hat. Ansonsten wieder mehrere Dreher am Wochenende, im Qualifying eine halbe Sekunde langsamer als der Teamkollege, im Rennen Letzter mit mehr als einer Minute Rückstand auf den Rest des Feldes. Die Zahlen sprechen für sich. Fotostrecke
"Dein Herz bleibt für einen Moment stehen, wenn du mit über 200 Meilen pro Stunde verunfallst. Du weißt einfach nicht, was passieren wird. Ich war eher wütend auf ihn, weil ich dachte, dass er uns beide in Gefahr gebracht hat, und um ehrlich zu sein, war es ein unglaublich beängstigender Vorfall."
Glücklicherweise sind beide Fahrer bei dem Unfall nicht verletzt worden. Daran änderte auch die kleine "Ohrfeige" nichts, die Russell dem Mercedes-Fahrer unmittelbar danach mitgegeben hatte. "Ohrfeige ist ein sehr starkes Wort. Es war nicht mehr als eine Berührung. Ich wäre sehr schockiert, wenn er das überhaupt gespürt hätte", verteidigte sich Russell.
Nachdem er eine Nacht über das Geschehene geschlafen hat, kommt er am Montag zu der Erkenntnis: "Ich habe an diesem Wochenende einige harte Lektionen gelernt und werde aus dieser Erfahrung als besserer Fahrer und besserer Mensch hervorgehen."
Beim nächsten Grand Prix in zwei Wochen in Portugal wolle er allen zeigen, war er wirklich drauf habe. "Danke für all die Nachrichten, sowohl die positiven als auch die negativen. Sie alle werden mir helfen, zu wachsen."