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Fabelzeit gestrichen: Lando Norris nach Imola-Qualifying "richtig sauer"
McLaren-Pilot Lando Norris hätte im Grand Prix der Emilia-Romagna auf P3 starten sollen, doch Tracklimits in Kurve 9 machen seine Fabelzeit zunichte
(Motorsport-Total.com) - "Ich habe es heute vermasselt, das Team hat etwas Besseres verdient", schreibt ein niedergeschlagener Lando Norris nach dem Qualifying von Imola auf Twitter. Der Brite hat in Q3 zur ganz großen Sensation angesetzt, doch am Ende machen ihm die Tracklimits in Kurve 9 einen Strich durch die Rechnung: Statt Startplatz drei wird der McLaren am Sonntag nur auf Position sieben stehen.
Norris machte schon im ersten Qualifying-Segment klar, dass er am Samstag Großes vorhat. Er reihte sich mit knapp zwei Zehntelsekunden Rückstand auf dem dritten Platz hinter Mercedes ein. In Q2 setzte der Brite dann das nächste Ausrufezeichen: Platz zwei hinter Sergio Perez (+0,002 Sekunden).
Im Shootout der letzten Zehn positionierte er sich zunächst auf dem starken vierten Rang, bevor er es im letzten schnellen Versuch richtig krachen ließ. Mit einem absolut schnellsten ersten Sektor und zwei weiteren grünen Streckenabschnitten reihte er sich auf dem zweiten Platz hinter Lewis Hamilton ein.
"Schnell mal ein paar Zentimeter weiter draußen ..."
Auf die Poleposition schienen dem 21-Jährigen nur 0,043 Sekunden zu fehlen. Doch dann die große Enttäuschung: Die Rennleitung strich Norris' Fabelzeit, er war in Kurve 9 zu weit über die weiße Linie hinausgeraten. Seine 1:14.454 Minuten zählte plötzlich nicht mehr.
Im Nachhinein weiß er: Diese Rundenzeit hätte für Startplatz drei gereicht, seinem bislang besten Qualifying-Ergebnis. "Ich hätte auf Platz drei stehen sollen, daher bin ich nicht glücklich darüber, was ich gemacht habe." Schon vor dem Drama in Orange war klar, dass die Tracklimits im Zeittraining eine entscheidende Rolle spielen werden.
Die Rennleitung hatte noch am Samstagvormittag nachgeschärft, vor allem in den Kurve 9 und 15 würden die Rennkommissare ganz genau hinsehen. Insgesamt zehn Rundenzeiten wurden im Laufe des Qualifyings gestrichen, doch keine so wertvoll wie jene von Norris.
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Wie schwierig war es am Samstag für die Piloten tatsächlich, sich innerhalb des erlaubten Spielraums zu bewegen? "Je schneller die Kurve, desto schwieriger, denke ich. Das ist eine ziemlich schmale Strecke, daher muss man sich beim Einlenken einmal festlegen. Man kann dann nicht ein paar Mal nachkorrigieren."
Hinzukommen die relativ hohen Randsteine. "Die Kerbs auf der Innenseite sind sehr groß, daher hat man da kaum Spielraum. Man muss sich für eine bestimmte Linie entscheiden und wenn man dann ein wenig schneller dran ist, dann ist man auch schnell einmal ein paar Zentimeter weiter draußen", weiß Norris.
Er gibt zu: "Alles passiert so schnell, da ist es nicht einfach am Scheitelpunkt zu sagen: 'Okay, jetzt weiß ich genau, wo ich wieder rauskomme, drei Zentimeter weiter rechts'. Das ist eine schwierige Kurve, auch weil sie blind angefahren wird."
Tracklimits-Vergehen kam für Norris "überraschend"
Kurve 9 wird bergauf angefahren, der Ausgang der Kurve ist am Einlenkpunkt für die Fahrer noch nicht ersichtlich. "Daher würde ich auch sagen, dass es auf dieser Strecke besonders schwierig ist, abzuschätzen, wo man [am Kurvenausgang] rausfährt."
Norris betont, dass es vor den TV-Bildschirmen einfach aussehen möge, doch im Auto selbst sei das eine Kunst für sich. Im unmittelbaren Moment des Geschehens habe er daher auch nicht mitbekommen, dass er die Tracklimits in Kurve 9 tatsächlich überschritten hat.
"Nein, das war ein wenig überraschend. Ich bin nicht so viel anders gefahren als in den Runden davor. Ich war nahe am Limit dran, aber es war eine Überraschung." Er gibt auch zu, dass er während des schnellen Versuchs nicht an die Streckenbegrenzung gedacht habe.
Grand Prix der Emilia-Romagna - Samstag
Sergio Perez (Red Bull) und Lewis Hamilton (Mercedes) Galerie
Schon in den schnellen Runden vor dem Q3 habe er die Kurve recht ähnlich attackiert. "Nur halt ein paar Zentimeter weiter links, aber während des Fahrens habe ich das nicht wirklich gespürt." Daher schreckt der Brite auch nicht davor zurück, die ganze Schuld für die unfreiwillige Rückversetzung auf sich zu nehmen.
In den TV-Interviews direkt nach dem Zeittraining nimmt sich Norris kein Blatt vor den Mund: "Ich bin sehr enttäuscht und sauer auf mich selbst. Das war bis dahin eigentlich ein sehr guter Tag. Das Team war großartig. Das Auto erwachte im Quali wirklich zum Leben."
Aber: "Mit nur einer Runde habe ich alles vermasselt." Er versucht erst gar nicht, seine Enttäuschung zu verbergen: "Es war mein Fehler, ich habe es verbockt. Aber von außen sieht es so viel einfach aus, innerhalb der Linien zu bleiben, als es im Cockpit wirklich ist."
Hamilton muntert Norris auf: "Tolle Runde!"
Auf Social Media springt ihm ein prominenter Fürsprecher zur Seite. Lewis Hamilton antwortet auf Norris' Posting zum Qualifying: "Niemand kann dir vorwerfen, dass du alles gegeben hast. Tolle Runde. Es ist toll, dich und das Team glänzen zu sehen."
Schon kurz nach seiner Q3-Runde entschuldigt er sich öffentlich via Boxenfunk bei seinem gesamten Team. Norris merkt aber auch an: "Das macht doch nicht's, wenn die Pace trotzdem stimmt." Und das ist auch sein großes Trostpflaster am Samstagabend.
Denn im McLaren überhaupt die Chance zu haben, potenziell um die Poleposition zu kämpfen, sei sehr positiv. Noch vor dem Wochenende betonte Norris, dass sich seine Mannschaft vor allem im Qualifying steigern müsse. Auch nach den Freien Trainings war er noch nicht zufrieden.
Der britische Traditionsrennstall ging am Freitag noch davon aus, dass man um den Q3-Einzug womöglich zittern müsse. "Die Tatsache, dass wir auf P3 stehen könnten, ist extrem positiv. Das zeigt, wir stark wir waren. Sektor 1 war gut, der restliche zweite Sektor und Sektor 3 haben wir auch verbessert."
Nachsatz: "Daher bin ich sehr zufrieden, nicht mit mir selbst, aber mit dem Team. Wir sind nicht gut ins Wochenende gestartet, hatte wirklich Probleme zu Beginn, konnten aber gute Verbesserungen anstellen. Wir haben besser verstanden, wie das Auto funktioniert und wie wir es zum Leben erwecken."
Die Truppe von Andreas Seidl hat am Samstagnachmittag den berühmten "sweet Spot" am MCL35M gefunden. "Das mussten wir aus Bahrain lernen, wo wir Schwierigkeiten hatten. Und das haben wir dieses Wochenende geändert", freut sich Norris am Ende dann doch ein wenig.
Teamchef Seidl: "Das ist typisch Lando"
Die gemischte Gefühlslage teilt er sich mit dem Teamchef: "Zunächst waren wir kurz enttäuscht, als wir gesehen haben, dass die Runde gelöscht wurde", gibt auch Seidl zu Protokoll. Aus dem Fehler müsse seine Mannschaft fürs nächste Mal lernen, fügt er an.
Die selbstkritischen Worte seines Schützlings überraschen ihn nicht: "Das ist typisch Lando. Das ist Teil seines Charakters, er ist sehr selbstkritisch. Das habe ich schon in den Vorjahren gesehen. Aber er ist auch ein Typ, der das dann abhakt, spätestens morgen dann."
Abgesehen von dem kleinen Fehler mit großen Auswirkungen ist der Deutsche sehr stolz auf seinen Fahrer: "Er hat einen sensationellen Job gemacht. Er ist geflogen, das war schön zu sehen, wie wohl er sich im Auto gefühlt hat. Er hat von mir eine Umarmung bekommen, was ihm sicher nicht gefallen hat", grinst Seidl.
Für das zweite Saisonrennen am Sonntag ist die Ausgangslage nun allerdings suboptimal. Norris weiß: "Wir hätten mit P3 die Chance gehabt, viel mehr Punkte morgen zu holen. Denn auf dieser Strecke ist Überholen nicht so einfach."