Drei Dreher: Erste sanfte Ermahnung vom Haas-Teamchef für Masepin
Haas-Teamchef Steiner analysiert die Situation von Nikita Masepin, der durch mehrere Dreher am Trainingsfreitag in Imola unfreiwillig ins Rampenlicht gerät
(Motorsport-Total.com) - Formel-1-Rookie Nikita Masepin steht bereits an seinem zweiten Rennwochenende unter Druck. Der Russe hatte in den Freien Trainings in Imola Mühe, den Haas-Boliden auf der Strecke zu halten. Nach seinem frühen Ausfall in Bahrain war er auch in Italien mehrfach abseits der Piste unterwegs. Noch ist Teamchef Günther Steiner jedoch nicht besorgt.
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Nikita Masepin war am Freitag mehrfach abseits der Piste unterwegs Zoom Download
"Ich bin komplett darüber hinweg", meinte der junge Russe vor dem Imola-Wochenende über seinen "schmerzhaften" Ausfall direkt in der ersten Runde im Grand Prix von Bahrain. Nur wenig später sorgte er im ersten Freien Training in Imola für eine Gelbe Flagge, da er sich gleich zu Beginn in seiner Installationsrunde drehte.
Und es kam noch schlimmer: Kurz vor Sessionende am Freitagvormittag verlor Masepin am Ausgang der letzten Kurve erneut die Kontrolle über den VF-21 und krachte nach einem Gegenpendler in die Mauer vor der Boxengasseneinfahrt. Aufgrund der Beschädigung wurde vorsichtshalber das Getriebe gewechselt.
Masepin in FT2: "Als wäre ich auf Eis unterwegs"
"Wir mussten das Getriebe leider wechseln", bestätigt Steiner im 'Sky'-Interview. (ANZEIGE: Hol' Dir die Formel live und in HD, zum Beispiel mit einem Sky-Abo für 17,50 Euro monatlich. Jetzt informieren!) "Es ist nicht kaputt, aber das müssen wir untersuchen, deswegen hat er ein bisschen Zeit verloren."
Die Reparatur zog sich bis in den Nachmittag, weshalb der Russe das zweite Training erst mit 20-minütiger Verspätung in Angriff nehmen konnte. Wenig später war er in der Schikane auf der Gegengeraden abermals abseits der Ideallinie zu finden, er funkte: "Ich fühle mich wie auf Eis. Es ist absolut so, als wäre ich auf Eis unterwegs."
Die vielen Fehler des Rookies sind auch Teamchef Steiner nicht entgangen. Der Südtiroler hofft, dass Masepin den Haas bald besser unter Kontrolle haben wird. "Zu einem gewissen Zeitpunkt müssen [die Dreher] weniger werden, aber er strengt sich sehr an - ich glaube, er versucht es ein wenig zu sehr."
Er kann verstehen, dass Masepin das Limit des Boliden finden möchte. "Das muss er selbst finden, nicht wir. Wir können ihm dabei nur helfen. Aber das ist eines dieser Dinge, die ich meinte: Lernen ist schmerzhaft." Mit fortschreitender Dauer der Saison hofft er, dass die Fehler weniger werden.
"Das wird er schon noch lernen, das wird schon werden." Steiner wirkt nicht zu beunruhigt. Er unterstreicht außerdem die Tatsache, dass der Haas-Bolide in dieser Saison kein einfach zu fahrendes Auto ist. Beim Debüt in Bahrain kamen zusätzlich sehr windige Bedingungen hinzu, die dem VF-21 nicht schmeichelten.
"In Bahrain musste er lernen, mit dem Wind klarzukommen, dort war es sehr windig. Unser Auto war schon im Vorjahr sehr schlecht bei windigen Bedingungen, das hat also zu ein paar Drehern geführt", erklärt Steiner die Anfängerfehler vor drei Wochen.
Steiner zu Masepin: "Kopf hoch! Das passiert eben"
Um Masepin nach seinem verkorksten Einstand wieder aufzubauen, hat Steiner versucht, ihn moralisch zu unterstützen: "Was ich ihm gesagt habe? Kopf hoch! Diese Dinge passieren eben."
Hinzukommt die kritische öffentliche Meinung, die dem Russen seit seiner Bekanntgabe als Formel-1-Pilot entgegenschlägt - von der "Grapsch-Affäre" bis hin zum Ausfall in der ersten Runde in Bahrain. Schnell war ein neuer Nickname - vor allem in sozialen Netzwerken - für den 22-Jährigen gefunden: "Mase-Spin".
"Jeder schlägt auf ihn ein. Das macht es noch schwieriger." Deshalb hat ihm Steiner geraten, sich aufs Wesentliche zu fokussieren und einfach weiterzumachen. Wie sehr steht sich der selbstbewusste, teils forsch und ungestüm wirkende Russe selbst im Weg?
"Er ist ziemlich direkt und hat eine klare Meinung davon, was er will - was auch gut ist. Er muss manchmal vielleicht einen kleinen Schritt zurück machen, dass er nicht drüber rausgeht", bemerkt Steiner. Er lobt aber auch die deutliche, klare Art: "Er sagt es, wie es ist."
Nachsatz: "Das Einzige, was er in dieser Situation machen kann: Einfach weitermachen, wissend, was falsch gelaufen ist. Aber er kann das besser", ist der Haas-Teamchef überzeugt. Er geht davon aus, dass sich die häufigen Fehler seines Rookies im Laufe der Saison "von selbst" verringern werden.
"Natürlich wollen wir uns mit dem Auto nicht dauernd drehen, aber das ist Teil des Lernprozesses." Genau das sei auch das oberste Ziel der US-Truppe in diesem Jahr: "Ich kann es nur wiederholen, wir sind hier, um ein ganzes Jahr zu lernen." Er hoffe nur, dass sich seine Fahrer nicht das ganze Jahr drehen werden.
Steiner warnt: "Wir ziehen zu voreilig Schlüsse"
Steiner will nicht zu ungeduldig wirken und gibt daher auch keine Anzahl an Zwischenfällen oder Zeitspanne für Verbesserungen preis, die er tolerieren würde. Das könne man nicht beziffern. Er stellt sich schützend vor seine beiden Neulinge und warnt vor zu frühen Schlussfolgerungen und Vorverurteilungen.
Ob der Schritt von der Formel 2 in die Königsklasse für die Haas-Rookies zu früh kam, oder sie der Umstieg zu sehr überfordert, das will Steiner nicht beurteilen und sich auch an keinen Spekulationen beteiligen. "Wir ziehen zu voreilig Schlüsse. Wir fahren gerade erst unseren zweiten Trainingsfreitag", ruft er in Erinnerung.
"Jetzt schon [Fehler und Leistungen] zu beurteilen, das ist doch ein wenig früh. Vielleicht ist der Schritt von der Formel 2 in die Formel 1 schwierig, aber in Bahrain fanden wir auch schwierige Bedingungen vor." Masepin konnte allerdings schon im Vorjahr dank eines privaten Testprogramms in einem Mercedes Erfahrungen sammeln.
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"Ich glaube, dadurch hat er manches gelernt. Er muss aber auch lernen, dass unser Auto nicht so gut ist wie ein Mercedes. Das sage ich auch ganz offen, da gibt es nichts zu verstecken. Natürlich ist der Mercedes weniger temperamentvoll als unser Auto."
Nicht nur der Russe musste das auf die harte Tour lernen, auch Teamkollege Mick Schumacher flog beim Einstand in der Wüste ab. Im Gegensatz zu Masepin konnte er sein erstes Formel-1-Rennen jedoch beenden, und auch am Trainingsfreitag in Imola drehte der Deutsche unaufgeregt und unauffällig insgesamt 46 Runden.
"Rauf und runter, wie immer in letzter Zeit", zieht Steiner ein Fazit nach den beiden Trainingssessions. "Aber Mick hat viele Runden gedreht, was für uns im Moment das Wichtigste ist", merkt er positiv an. "Sonst im Großen und Ganzen bin ich nicht unzufrieden mit unseren Trainings."
Haas "nicht unzufrieden" mit dem Imola-Trainingstag
Denn die Rundenzeiten würden sehr eindrücklich zeigen, dass seine beiden Jungspunde mit jedem Kilometer dazulernen, merkt er an. "Wir wissen, wo wir sind. Beide Fahrer lernen ziemlich schnell, man sieht es ja an den Rundenzeiten. Sie werden immer schneller, weil sie sich ans Auto und an die Formel 1 gewöhnen."
Im Gesamtklassement des ersten Trainingstages reihten sich Schumacher und Masepin zwar auf den letzten Rängen ein, doch der Abstand zur Konkurrenz betrug weniger als eine Zehntelsekunde. Hinzukommt, dass Schumacher seinen schnellen Versuch abbrechen musste.
Insgesamt verringerte der Deutsche seinen Gesamtrückstand auf die Freitagsbestzeit im Vergleich zum Trainingstag in Bahrain von 2,450 Sekunden auf 1,799 Sekunden.
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"Aber", wirft Steiner ein, "wir schauen - ich mein, man schaut immer auf die Zeit - aber das ist nicht das [Wichtigste]. Wir müssen einfach sehen, dass sie sich verbessern, jedes Mal." Bis die Rookies schließlich ein höheres Niveau erreichen. "Das ist einfach die Lernzeit, die muss man sich geben."
"Ich habe ihnen gesagt, sie werden erst sehen, was sie alles nicht gewusst haben im ersten und zweiten Rennen, wenn sie das zehnte oder 20. Rennen fahren. Im Moment glaubt man ja, das ist alles, was drin ist. Man weiß es ja nicht."
Der Fortschritt werde erst mit der Zeit sichtbar, wenn man den Ist-Zustand mit den Leistungen der Vergangenheit vergleicht. Ist dann eine Steigerung zu erkennen, wäre Steiner schon zufrieden. Von höheren Zielen, Schumacher sprach etwa vom Einzug ins zweite Qualifying-Segment, will er hingegen noch nichts wissen.
Q2-Einzug? "Es wäre super schön!"
"Im Moment müssen wir sicherstellen, dass wir Rennen zu Ende fahren und ordentliche Arbeit leisten." Erst wenn diese Basisarbeit zur Zufriedenheit von Haas erledigt wurde, könne man sich weitere Ziel stecken. Im Vorjahr etwa schafften es Romain Grosjean und Kevin Magnussen insgesamt sechsmal ins Q2.
28 Mal hingegen konnten die beiden Routiniers die Hürde nicht nehmen - kein Team scheiterte öfter. Dass die Aufgabe mit zwei Rookies nicht einfacher wird, das ist Steiner klar. Deshalb meint er: "Es wäre super schön, wenn es in diesem Jahr mal klappen würde - für die beiden Jungs, fürs Team, für uns alle."
"Aber wir arbeiten ja auf nächstes Jahr hin. Wenn es deshalb nicht klappt, da müssen wir einfach durch. Das wissen wir, dass es schwer wird. Aber man arbeitet weiter und man muss den Kopf hochhalten. Solange man dazulernt und die Jungs happy sind, dann ist das für mich okay."