Max Verstappen: Dank Mercedes-Schwäche Favorit auf den Sieg?
Red-Bull-Pilot Max Verstappen ist nach dem Qualifying in der Türkei richtig "angefressen" - Welche Faktoren zu P2 im Zeittraining beigetragen haben
(Motorsport-Total.com) - "Das ist das erste Mal in diesem Jahr, dass ich hier angefressen sitze", gibt Max Verstappen nach dem Qualifying zum Grand Prix der Türkei zu. Der Niederländer galt nach seinen Glanzleistungen in den Trainings als großer Favorit auf die Pole-Position - er konnte bis zum Q3-Segment in allen Sessions die Bestzeit aufstellen. Doch die rosarote Konkurrenz machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
"Das sagt alles", meint er frustriert in der Pressekonferenz. Die Niederlage schmerzt besonders, weil die schwarze Konkurrenz von Mercedes zum ersten Mal in dieser Saison von der Rolle schien. Lewis Hamilton und Valtteri Bottas konnten bei den nassen Bedingungen nicht mithalten.
Es war also angerichtet für die erste Red-Bull-Pole im Jahr 2020. "Alles lief gut auf den Regenreifen, aber schon als ich in Q1 die Inters probierte, hat die Mischung überhaupt nicht funktioniert. Auch nicht verglichen zu den anderen Piloten auf den Inters."
"Dieser Reifen ist absolut nutzlos!"
Nachdem er sich mit zwei Zwischenbestzeiten auf dem Regenreifen souverän durch Q1 und Q2 gekämpft hatte, lag Verstappen mit dem "Full Wet" auch nach dem ersten Versuch in Q3 noch vorne - um vier Sekunden deklassierte er die Konkurrenz bei regnerischen Bedingungen.
Doch dann beging Red Bull wohl einen taktischen Fehler: Für den letzten Versuch im entscheidenden Run wechselten die Bullen auf den Intermediate zurück. Denn die Konkurrenz von Racing Point hatte auf den grün markierten Pneus immer bessere Zeiten gezeigt.
Doch während Lance Stroll und Sergio Perez in der letzten Session auf den Inters einfach durchgefahren sind und so die Reifen nach vielen Runden optimal ins Temperaturfenster bekommen haben, schafften das die Red-Bull-Fahrer im letzten Versuch nicht mehr.
"Ich war in Q3 nicht sicher, ob wir auf den Inters fahren sollten, weil ich mich sehr wohlgefühlt hatte auf dem Regenreifen", gesteht Verstappen im Nachhinein. Er hätte wohl auf sein Bauchgefühl hören sollen, denn "sobald wir gestoppt haben und ich wieder raus bin, hatte ich keinen Grip mehr."
Deshalb sei es "einfach enttäuschend", Zweiter zu werden. Am Boxenfunk hörte sich das dann so an: "Dieser Reifen ist absolut nutzlos!" Bitter: Nach 17 von 20 Minisektoren hatte Verstappen im letzten Versuch noch die Nase vorn.
Was lief in den letzten Kurven schief? "Ich war schneller, hatte aber keinen Grip verglichen mit jener Balance, die ich davor hatte. Es war wohl nicht der richtige Reifen. Wir hätten es besser machen müssen, die Reifen auf Temperatur zu kriegen", ärgert er sich.
Marko: Räikkönen hat Verstappen die Pole gekostet
Denn: "Wir lagen komfortabel an der Spitze auf dem Regenreifen, daher haben wir da definitiv etwas verpasst." Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko vermutet, dass Kimi Räikkönen Verstappen um die Pole-Position gebracht habe. Der Finne befand sich auf der Outlap direkt vor dem Red-Bull-Fahrer.
"Es war das Timing. Hinter Räikkönen ist er nicht vorbeigekommen, dadurch sind die Reifen nicht auf die richtige Temperatur gekommen. Aber ich glaube, wir hätten auch mit den Regenreifen draußenbleiben können und hätten trotzdem die Pole [geholt]", analysiert der Grazer gegenüber 'Sky'.
Nachsatz: "Wir glauben, dass die Zeit hinter Räikkönen, diese eineinhalb Runden, uns die Möglichkeit auf die Pole-Position gekostet haben." Verstappen hatte den Finnen ab der Ausfahrt aus der Boxengasse vor sich. Wie sehr hat er ihn tatsächlich aufgehalten?
"Vielleicht ein bisschen. Darauf will ich es aber nicht schieben. Der Reifen hat einfach nicht funktioniert, deshalb müssen wir uns das anschauen." Er habe einfach keinen Grip verspürt. "Besonders große Probleme bereiteten mir jene Stellen mit viel stehendem Wasser."
Er habe ein Rütteln im Auto verspürt - ein Zeichen dafür, dass die Vorderräder keinen Grip haben. Hätte er also auf der Pole-Position stehen können, wäre er auf dem Regenreifen durchgefahren? "Die Strecke war schon fast bereit für Intermediates, aber für mich hat es sich so schlecht angefühlt."
Wäre er auf dem Regenreifen auf der Strecke geblieben, dann hätte er dieselbe Rundenzeit fahren können. "Wir hatten Schwierigkeiten, die Inters zum Laufen zu bringen im Vergleich zum Regenreifen. Max war überlegen in Q1 und Q2 und dann wurde er ein paar Runden lang hinter Kimi aufgehalten", stimmt auch Teamchef Christian Horner der Analyse zu.
"Das kann für uns ein erfolgreiches Rennen werden"
Außerdem verrät der Brite einen zusätzlichen Aspekt: "In der finalen Runde hat er kurz die Kontrolle verloren, da hat er sechs Zehntelsekunden in Kurve 7 verloren." Ein größerer Fehler ist in der Wiederholung der Onboard-Aufnahmen allerdings nicht zu erkennen, Verstappen musste dennoch mehrfach nachkorrigieren.
"Nachdem er so dominant war, ist es natürlich enttäuschend, die Pole im letzten Moment noch zu verlieren", weiß Horner. Es hätte die erste Red-Bull-Pole in dieser Saison, die dritte für Verstappen werden können. Dennoch bleibt man im Bullen-Lager für das Rennen optimistisch.
"Wir waren auch in den trockenen Runs sehr gut unterwegs", weiß Marko. "Es ist natürlich schwierig [zu sagen], wie sich die Reifen auf dem neuen Asphalt verhalten werden. Aber ich glaube, es kann für uns ein erfolgreiches und generell ein sehr spannendes Rennen werden, weil die zwei Mercedes sind doch etwas weiter zurück."
Tatsächlich starten die direkten Konkurrenten Hamilton und Bottas nur von den Rängen sechs und neun. "Wir werden sehen, was sie im Rennen zeigen werden." Der Österreicher ist überrascht, dass Mercedes so weit zurückliegt.
"Ja, das war die Überraschung, aber auch, dass sie im dritten Training bei Regen kaum auf die Strecke sind. Also wir dachten, sie sind sich so sicher, aber das war Gott sei Dank nicht der Fall", schmunzelt der Verantwortliche. Verstappen weiß nicht, was er zu erwarten hat.
"Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Lewis und Valtteri sind ein wenig weiter hinten. Aber ich starte auf der Innenseite, das ist nicht so schön. Aber das werden wir morgen herausfinden." 0,290 Sekunden haben ihm am Ende auf den Platz an der Sonne gefehlt.