F1 Istanbul 2020: Verrücktes Qualifying-Roulette bahnt sich an!
Schlägt beim Grand Prix der Türkei die Stunde der Außenseiter? Das dritte Freie Training in Istanbul war vor allem eins: völlig unberechenbar ...
(Motorsport-Total.com) - Wer gedacht hat, dass es in Sachen Grip nicht schlimmer werden kann als beim Freitagstraining in Istanbul, der wurde im dritten Freien Training zum Grand Prix der Türkei (Formel 1 2020 live im Ticker!) eines Besseren belehrt. Denn eine solche Rutschpartie, wie sie im Abschlusstraining dargeboten wurde, hat die Königsklasse schon seit vielen Jahren nicht mehr erlebt.
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Die Bedingungen im FT3 waren noch extremer als im Freitagstraining Zoom Download
Die Mischung aus dem erst kürzlich aufgetragenen Asphalt mit einem feinen Bitumenfilm an der Oberfläche und dem Regen, der pünktlich zum Beginn der 60-minütigen Session immer stärker wurde, erwies sich selbst für die besten Fahrer der Welt als echter Spaßkiller. "So ist es unfahrbar. Die Reifen sind einfach zu kalt", schimpfte etwa Charles Leclerc am Boxenfunk.
Der Ferrari-Pilot war einer der Fahrer, die mehrmals querstanden und unkontrolliert über die Fahrbahn rutschten. "Ich drehe mich jede Runde", meinte Daniil Kwjat (AlphaTauri), und Sebastian Vettel musste einmal sogar lachen, als er am Boxenfunk berichtete: "Und die Reifen, nun, die funktionieren einfach nicht!"
"Wir bekommen keine Temperatur in die Reifen. Momentan ist es fast noch schlimmer als gestern", berichtete McLaren-Teamchef Andreas Seidl zu Beginn des Abschlusstrainings via 'Sky' live vom Kommandostand. "Wir gehen davon aus, dass die Bedingungen heute so bleiben, und dass es vielleicht auch morgen regnet."
Vettel dreht mehr Runden als jeder andere
Das war der Grund dafür, dass trotz der extremen Verhältnisse relativ viel trainiert wurde. Am fleißigsten war Vettel, der 14 Runden absolvierte. Am anderen Ende des Spektrums war Weltmeister Lewis Hamilton (Mercedes), der (genau wie die beiden Williams-Fahrer) nach einer Installation-Lap wieder an die Box kam und es damit gut sein ließ. "Schockierend" sei der Grip gewesen, sagt er.
"Normalerweise, wenn Asphalt neu ist, ist der Grip ganz aggressiv. Durch das Bitumen und das Gummi entsteht ein aggressiver Grip", erklärt Pirelli-Sportchef Mario Isola. "Aber das sehen wir hier überhaupt nicht. Einfach weil so wenig Grip da ist, dass die Reifen nie auf Temperatur kommen." Ein fataler Kreislauf.
Die Rundenzeiten rückten auf dem Eiskunstlauf-Parcours in Istanbul komplett in den Hintergrund. Nach gut 35 Minuten sahen die meisten Fahrer ein, dass es keinen Sinn ergibt, so kurz vor dem Qualifying einen Blechschaden zu riskieren. Carlos Sainz hatte einmal Riesenglück, als sein McLaren bei hoher Geschwindigkeit ausbrach: "Das war knapp", funkte er.
Antonio Giovinazzi (Alfa Romeo) hatte weniger Glück als der Spanier, als er zehn Minuten vor Schluss doch noch einmal rausfuhr, sich an der gleichen Stelle drehte und sich dabei die Frontflügel-Endplatte beschädigte. "Diese Bedingungen sind so schlecht", funkte er, als er langsam zur Box zurückfuhr.
Glück bei zwei (Beinahe-)Kollisionen
Abseits solcher Pirouetten, von denen niemand verschont blieb, gab es noch zwei nennenswerte Zwischenfälle. Einmal die Kollision zwischen Esteban Ocon (Renault) und Leclerc, bei der Leclercs Front gegen Ocons Heck ging. Und dann noch den Beinahe-Crash zwischen Sergio Perez (Racing Point) und Lando Norris in der Boxenstraße, bei dem die McLaren-Crew geschlafen hat.
Bestzeit fuhr Max Verstappen (Red Bull) in 1:48.485 Minuten und hängte damit Leclerc um 0,945 und seinen Teamkollegen Alexander Albon um 1,574 Sekunden ab. Vettel hatte auf P6 bereits 6,005 Sekunden Rückstand. Die besten Zeiten wurden gleich zu Beginn der Session erzielt. Da war die Strecke am trockensten.
Das Qualifying (Formel 1 ab 12:55 Uhr MEZ live im Ticker!) könnte so zu einem überraschenden Roulette um die besten Startpositionen werden. Außenseiter, die die Reifentemperaturen am besten managen, könnten eine Sensation möglich machen. So, wie das Nico Hülkenberg beim Grand Prix von Brasilien 2010 geschafft hat ...
Falls das Qualifying überhaupt gestartet wird. Denn Formel-1-Experte Johnny Herbert befürchtet: "Wenn die Bedingungen so bleiben, sollten sie das Qualifying nicht starten. Das ist kein Test, das ist ein Rennwochenende. Und solche Zustände sind lächerlich. Da fährst du wie auf Eis. Sehr schade."