• 01. November 2020 · 23:59 Uhr

GP Imola 2020: Warum es doch keine Mercedes-Verschwörung war

Warum die Mercedes-Taktik keine Verschwörung war, Daniel Ricciardo in der FIA-PK für Lacher sorgte und Sergio Perez dem sicher scheinenden Podium nachtrauerte

(Motorsport-Total.com) - Das Mercedes-Team hat beim Grand Prix der Emilia-Romagna einen Doppelsieg gefeiert und sich damit zum siebten Mal hintereinander sowohl die Fahrer- als auch die Konstrukteurs-WM gesichert. Lewis Hamilton gewann das Rennen in Imola 5,8 Sekunden vor Valtteri Bottas. Und weil Max Verstappen (Red Bull) gleichzeitig ausschied, ist das Titelrennen entschieden.

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Valtteri Bottas und Lewis Hamilton jubeln über Mercedes' siebtes WM-Double Zoom Download

In der Fahrerwertung ist vier Rennen vor Schluss (vorausgesetzt, die verbleibenden Grands Prix können trotz explodierender Coronazahlen wie geplant stattfinden) nur noch offen, welcher Mercedes-Fahrer am Ende gewinnt. 104 Punkte sind theoretisch noch zu vergeben, und Hamiltons Vorsprung beträgt nach Imola 85 Zähler.

Daniel Ricciardo (Renault) sicherte sich den dritten Platz, vor Überraschungsmann Daniil Kwjat (AlphaTauri), Charles Leclerc (Ferrari) und Sergio Perez (Racing Point). Sebastian Vettel (Ferrari) kam als Zwölfter ins Ziel und ging zum dritten Mal in vier Rennen leer aus.

Insgesamt sahen 15 von 20 gestarteten Autos die Zielflagge. Prominentester Ausfall (neben Verstappen) war Pierre Gasly (AlphaTauri), der an fünfter Stelle lag, als sein Honda-Motor den Geist aufgab.

Hätte Hamilton auch ohne VSC-Phase gewonnen?

'ORF'-Experte Alexander Wurz glaubt schon: "Ohne virtuelles Safety-Car wäre er eine halbe Sekunde vor Bottas rausgekommen. Die Zeiten, die er gefahren ist, als er überrunden musste, waren sehr beeindruckend. Da hat Bottas heute den Grand Prix verloren. Man kann Hamilton-Fan sein oder nicht. Aber wie er das heute hingebracht hat, ist fast unheimlich. Da kann man nur wow sagen."

Zunächst war es noch ein Dreikampf um den Sieg. Polesetter Bottas hatte den Start gewonnen, Hamilton wegen Wheelspin eine Position gegen Verstappen verloren. In der 18. Runde wechselte Verstappen von Medium auf Hard, eine Runde später kam Bottas rein. Nur Hamilton blieb draußen.


Letzte Nacht: Bereut Ricciardo den Teamwechsel?

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Der amtierende Weltmeister baute seinen Vorsprung trotz der alten Reifen sukzessive aus - auch dann noch, als er auf ein Paket überrundeter Fahrzeuge auflief. Als Esteban Ocon (Renault) wegen Getriebeschaden ausrollte, roch es nach Safety-Car. Damit hätte Hamilton, dessen Boxenstopp ohnehin für diese Runde geplant war, den Sieg in der Tasche. Sein Vorsprung betrug zu dem Zeitpunkt 28 Sekunden.

Statt einem echten entschied sich FIA-Rennleiter Michael Masi aber nur für ein virtuelles Safety-Car. Gelb wurde aktiviert, als Hamilton in die Box fuhr, und Grün gezeigt, als sein Boxenstopp beendet war. Besser hätte man die VSC-Phase aus Sicht des 35-Jährigen gar nicht timen können.

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Warum durfte Hamilton eine andere Strategie fahren als Bottas?

Als Bottas vor einer Woche weiche Reifen haben wollte, um strategisch von Hamilton abzuweichen, gab ihm das Mercedes-Team harte Pneus. Als heute Hamilton nicht an die Box kam und damit von der Bottas-Strategie abwich, war das aber kein Problem. Die Verschwörungstheoretiker haben's immer schon gewusst: Mercedes bevorzugt also doch Hamilton!

Totaler Unsinn, winkt sogar Bottas ab, der betroffen ist und somit der Erste wäre, der sich darüber beschweren würde. "Das sind zwei völlig unterschiedliche Szenarien", erklärt er. Bereits vor dem Rennen war abgemacht, dass man in so einem Fall mit dem Führungsauto zuerst zum Boxenstopp kommen würde, um einen sogenannten "Undercut" zu kontern.

Solche Szenarien (und wie damit umzugehen ist) stehen bei Mercedes in einem Papier, das das Team als "Racing-Intent" bezeichnet und die Spielregeln zwischen den beiden Teamkollegen festhält. "Der 'Racing-Intent' ist gut und fair, und er funktioniert. Umgekehrt wäre es genauso gewesen", stellt Bottas klar.

Also keine Verschwörung.

Warum ist Hamilton so schlecht gestartet?

"Ich weiß auch nicht", sagt er. "Hatte einfach wenig Grip, und meine Reaktionszeit war glaube ich auch nicht besonders. Max hatte auf P3 wahrscheinlich den besseren Startplatz. Aber im Nachhinein redet es sich immer leicht."

Warum war Bottas so langsam?

Was man im TV nicht sehen konnte: In der zweiten Runde fuhr der Finne in der Tosa-Kurve über ein rund 40 Zentimeter großes Wrackteil des Vettel-Ferrari. Der war dort eine Runde zuvor mit Haas-Pilot Kevin Magnussen kollidiert. Das Teil verfing sich unter dem Mercedes und beeinträchtigte dessen Aerodynamik "signifikant", wie es später hieß.

"Wir haben sofort gesehen, dass er 50 Punkte Downforce verloren hat", sagt Teamchef Toto Wolff und rechnet vor: "Das ist eine Sekunde an Rundenzeit. Deswegen hat uns die Pace am Anfang verwundert, die er immer noch gehen konnte. Irgendwann aber holt es dich ein, wenn der Reifen nachgibt."

Dabei hatte das Rennen für Bottas so gut angefangen. Nach der ersten Runde führte er schon 1,7 Sekunden vor Verstappen, der ihm Hamilton vom Leib hielt. Doch dann fuhr er über das Wrackteil, und nach der zweiten Runde war Verstappen wieder auf eine Sekunde dran - und konnte ihm von nun an gut folgen.

Einmal beschwerte sich Verstappen sogar am Boxenfunk, warum Bottas so langsam fährt. In Runde 43 kam es zum Platztausch: Bottas rutschte in der Rivazza-Kurve etwas zu weit nach draußen und hatte dadurch nicht genug Schwung für die Start- und Zielgerade. Verstappen aktivierte DRS und ging vor der Tamburello-Schikane am Mercedes vorbei.

Was war der Ausfallgrund bei Verstappen?

Das ist noch nicht final geklärt. Beim Anbremsen der Tamburello-Schikane brach sein RB16 plötzlich aus. "Wir vermuten, dass er über irgendwas drübergefahren ist", sagt Teamchef Christian Horner. "Er redete gerade mit seinem Renningenieur, und dann boom!" Verdacht auf Reifenschaden.

Verstappen selbst ärgert sich: "Der Reifen war auf einmal weg, und ich konnte das Auto nicht mehr halten. Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Schade, denn mein Tempo war sehr gut. Ich hätte nicht nur aufs Podium fahren, sondern sogar Zweiter werden können."

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Und bei Gasly?

Der Monza-Sieger hätte im Nachhinein betrachtet womöglich erneut aufs Podium fahren können. Am Start kam er super weg, aber statt auf P2 nach vorne zu fahren, schnitt ihm Hamilton den Weg ab. Gasly musste zurückstecken und verlor seinen vierten Platz zunächst an Ricciardo. Anschließend fuhr er ungefährdet auf Platz fünf.

Bis er in der achten Runde abstellen musste - was nicht ganz unerwartet kam: "Die Jungs haben schon auf der Runde in den Grid einen Verlust beim Wasserdruck festgestellt. Sie haben alles versucht, um das wieder in den Griff zu bekommen, aber leider hat es nicht geklappt. Darum mussten wir nach ein paar Runden aufhören."

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Wie schaffte es Ricciardo aufs Podium?

Der Renault-Pilot überholte gleich am Start Gasly und fuhr zunächst bis zum Boxenstopp auf Platz vier. Als am Ende wegen des Verstappen-Crashs das Safety-Car auf die Strecke kam, fuhren einige seiner direkten Gegner an die Box. Ricciardo aber blieb draußen, und plötzlich lag er an dritter Stelle. Wenn auch mit ziemlich alten, harten Reifen.

In den letzten Runden musste er sich gegen Kwjat verteidigen, der frische Softs aufgezogen hatte und damit wie entfesselt attackierte. Zuerst überholte er Albon, dann Leclerc - aber hinter Ricciardo biss er sich die Zähne aus.

Ricciardo sorgte dann während der FIA-Pressekonferenz noch für einen Lacher. Aufgrund der WM-Entscheidung stellten ihm die Journalisten in dem virtuellen Zoom-Meeting keine einzige Frage - alles drehte sich um Hamilton und Bottas. Als die PK zu Ende ging, stand Ricciardo auf und sagte: "Danke, dass ich da sein durfte!"

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Wer wäre ohne Safety-Car-Phase Dritter geworden?

Sergio Perez. Der Racing-Point-Pilot fuhr vom elften Startplatz mit Medium-Reifen einen langen und sehr schnellen ersten Stint, mit dem er sogar Ricciardo überholte und effektiv auf P4 lag. Daraus wurde durch Verstappens Ausfall sogar P3.

Doch als das Safety-Car auf die Strecke ging, holte ihn sein Team zum Reifenwechsel. Ricciardo, Leclerc und Albon blieben draußen. Plötzlich lag Perez nur noch an siebter Stelle. "Wieder ein Podium, das wir herschenken", ärgerte er sich am Boxenfunk. Weil Albon ausschied, gewann Perez noch einen Platz. An Leclerc fand er aber keinen Weg mehr vorbei: P6 statt P3.

"Im Nachhinein betrachtet war es eine schlechte Entscheidung", sagt Perez. "Wir mussten uns sehr spät entscheiden, ob wir reinkommen. Aber im Nachhinein redet es sich leicht. Das tut schon weh. Denn heute hatten wir das Podium in der Tasche. Ich bin sehr enttäuscht, aber wir sind ein Team. Wir gewinnen und verlieren zusammen."

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Wie lief das Heimrennen für Ferrari?

Leclerc ist "zufrieden" mit dem fünften Platz, den er letztendlich um 0,5 Sekunden gegen Perez verteidigen konnte. "Das Beste an den letzten drei, vier Rennen ist, dass wir jedes Mal kleine Updates bringen und damit jedes Mal einen kleinen Schritt machen. Vor uns liegt noch ein langer Weg. Aber wir haben den richtigen Weg zumindest mal gefunden", sagt er.

Dabei hatte es zwischenzeitlich nicht gut für ihn ausgesehen. In Runde 13 kam er als Erster zu einem regulären Boxenstopp. Die Soft-Reifen am Ferrari hatten schneller als bei anderen abgebaut. Nach dem Wechsel auf den Hard, mit dem er durchfahren wollte, verbremste er sich gleich einmal so hart, dass er in der Tosa fast auf Ricciardo aufgefahren wäre. Das blieb aber ohne Folgen.

Vettel war in der gleichen Kurve weniger geschickt. Er kollidierte bereits in der zweiten Runde mit Magnussen, was den Dänen de facto das Rennen kostete (später gab er mit Schaltproblemen, die ihm wegen der Vibrationen "Kopfweh" bereiteten, auf) und ihn ein Teil seiner Aerodynamik.

Später ging auch sein Boxenstopp (Standzeit 13,1 Sekunden) daneben. Rechts vorne klemmte der Schlagschrauber. "Passt zu Ferrari", ätzt Wurz.

"Ich hatte nach zehn, 15 Runden freie Fahrt für die Mehrheit des Rennens. Das war deutlich besser. Die Pace an sich war gar nicht so verkehrt", bilanziert Vettel. "Dann aber hatten wir keinen guten Stopp. Der hat uns letztendlich das Rennen gekostet. Da hing ich wieder hinten drin und habe viel Zeit verloren. Mit dem virtuellen Safety-Car hätten wir schlauer sein können. Wir haben versucht, auf die weichen Reifen zu gehen, waren aber nicht die einzigen. Wir waren auch so zu weit hinten."

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Wird Albon jetzt gefeuert?

Sollte er 2021 noch im Red-Bull-Cockpit sitzen, wäre das eine große Überraschung. Beinahe hätte ihn schon in Runde 17 ausgerechnet Kwjat überholt. Der Russe, der von Red Bull am Jahresende ebenfalls entlassen wird, ging dann beim Safety-Car-Re-Start doch noch an Albon vorbei. Und ein paar Sekunden später drehte sich der Thailänder und fiel ans Ende des Feldes zurück.

Der Verdacht liegt nahe, dass seine harten, nicht gewechselten Reifen nicht richtig auf Temperatur waren. "Glaube ich nicht", winkt Albon ab. "Ich glaube eher, dass mich jemand getroffen hat." Wie dem auch sei: Letztendlich kam er als 15. ins Ziel, mit knapp einer Minute Rückstand.

Teamchef Horner hat den Zwischenfall so erlebt: "Er fuhr das ganze Rennen gegen Charles und Daniel. Beim Re-Start kämpfte er gegen Perez, der neue Reifen hatte, und da verlor er in der zweiten Schikane ein bisschen die Kontrolle. Sehr frustrierend für ihn und das Team, null Punkte zu holen."

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Wie konnte Russell hinter dem Safety-Car abfliegen?

Dem Shootingstar, der noch nie ein Qualifying gegen einen Teamkollegen verloren hat, "ist heute das Talent ausgegangen", analysiert Experte Wurz im 'ORF'. George Russell lag auf Kurs zu seinen ersten WM-Punkten, fuhr gerade hinter dem Safety-Car, als sein Williams auf dem Weg runter in die Aqua Minerale wegrutschte und in die Mauer krachte.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Dafür gibt's keine Entschuldigung. Tut mir so leid, Jungs", meldete er noch am Boxenfunk. Später ergänzte er: "Normalerweise mache ich so dumme Fehler nicht."

"Ich habe von der ersten Runde an aggressiv gepusht - so aggressiv gefahren bin ich noch nie! Das wollte ich hinter dem Safety-Car fortsetzen, weil ich wusste, dass die Jungs hinter mir auf heißen, frischen Reifen waren. Wenn ich die hinter mir halten wollte, musste ich meine Reifen aggressiv aufwärmen", erklärt Russell.

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Wie kam Räikkönen bis auf Platz vier nach vorne?

Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) fuhr den längsten ersten Stint aller Teilnehmer. Er hoffte auf ein Safety-Car - und hatte Pech: Kaum hatte er Reifen gewechselt, kam das Safety-Car tatsächlich auf die Strecke! Möglicherweise wäre er sonst noch weiter vorne gelandet. Auch so holte er als Neunter zwei WM-Punkte. Und der auf Soft gestartete Teamkollege Antonio Giovinazzi wurde Zehnter.

Wie geht's jetzt weiter?

Das weiß wegen der verschärften Corona-Lockdowns keiner so genau. Planmäßig steht am 15. November der Grand Prix der Türkei in Istanbul auf dem Programm. Fest steht: Live-Infos aus dem Paddock in Imola gab's am Sonntag im Ticker "Paddock live" auf Motorsport-Total.com und Formel1.de, den es natürlich weiterhin, sozusagen als "Re-Live", nachzulesen gibt.

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