Lenkung seit Silverstone verändert: Hülkenbergs erste Runden "Geeiere"
Binnen drei Stunden vom RTL-Kaffee ins Formel-1-Qualifying - Nico Hülkenberg legt einen der größten Adhoc-Einsätze der Formel-1-Geschichte hin
(Motorsport-Total.com) - "Das war ein richtiger Kaltstart ohne jede Vorbereitung." Nico Hülkenberg lieferte beim Qualifying zum Großen Preis der Eifel 2020 (im Livesticker!) einen Einsatz für die Geschichtsbücher ab. Anders als Paul di Resta, der einen ähnlichen Wochenendverlauf 2017 in Budapest hatte, war Hülkenberg beim Anruf nicht einmal im Formel-1-Fahrerlager.
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Nico Hülkenberg erlebte den vielleicht verrücktesten Tag seines Lebens Zoom Download
Eigentlich bereitete sich der 33-jährige auf einen Einsatz als RTL-Experte vor und schlürfte gerade einen Kaffee in der RTL-Lounge in Köln. "Ich wäre heute Abend für Dreharbeiten ohnehin hier oben gewesen", sagt er. Das traf sich gut, denn um ziemlich genau elf Uhr wurde sein ganzer Wochenendplan über den Haufen geworfen.
"Plötzlich kommt ein Anruf von Otmar [Szafnauer]. Er sagt mir, dass ich mich auf die Socken machen soll, besser jetzt als in fünf Minuten. Und der Rest ist Geschichte. Es war noch wilder als beim letzten Mal, muss ich gestehen. Das war das Comeback 2.0." Racing Point vermarktete es in den sozialen Medien als "Hulkenback".
Als Ersatz für den (nicht an COVID-19) erkrankten Lance Stroll begab er sich sofort zum eine Stunde entfernten Nürburgring, klärte alle Formalitäten, und nahm am Qualifying zum Eifel-Grand-Prix teil. Das alles, ohne eine Sekunde durchschnaufen zu können."
Schock nach wenigen Metern: Lenkung anders!
"Ich musste schon einmal nachdenken, weil es natürlich so ganz ohne Vorbereitung wirklich keine einfache Geschichte ist", gibt der Racing-Point-Pilot zu. "Das machen wir natürlich nicht jeden Tag so. Aber am Ende des Tages bin ich Rennfahrer und Profi. Das ist mein Job und wenn sich so eine Möglichkeit ergibt, muss man sie beim Schopf packen."
Und so ging es ins Quali hinein, nach zwei Monaten ohne Formel-1-Fahrpraxis. Und dann fühlte sich plötzlich alles ganz anders an. "Die Lenkung ist völlig anders [als in Silverstone], weil das Team da zwischenzeitlich entwickelt hat. Die Lenkübersetzung ist eine andere. Da musste ich mich schon umstellen und mich dran gewöhnen0 Zu Beginn war es ein ziemliches Geeiere." Ein kurzer Stint zum Einfahren, dann sofort zur Attacke.
Letztlich wurde es der letzte Platz im Qualifying. Mehr konnte man auch nicht erwarten. Eine halbe Sekunden Rückstand auf den Q2-Einzug in einem Auto, das er in dieser Entwicklungsstufe noch gar nicht gefahren ist, mit drei kleinen Fehlern auf der Runde und einem Trainingsrückstand auf das gesamte Feld ist eine mehr als achtbare Leistung.
Formel-1-Experte Ralf Schumacher sieht das ähnlich: "Wenn das jetzt wirklich glatt gelaufen wäre und er da [aus Q1] herausgekommen wäre, dann wären die anderen 19 [Fahrer] überbezahlt für das, was sie tun. Er hat zwei Monate nicht im Auto gesessen."
Unverhoffte Erfüllung des Nürburgring-Traums
Was lässt sich in den 24 Stunden bis zum Rennen jetzt machen? Zaubern kann man jedenfalls nicht. "Man kann die Eisenstange nicht einer Hand brechen", sagt Hülkenberg, "Wir haben nur die Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Es wird die übliche Rennvorbereitung geben wie sonst auch." Simulatortraining ist in der kurzen Zeit nicht möglich, da dieser in England steht.
"Ich habe jetzt ein paar Runden in der Tasche und ein paar Eindrücke gesammelt. Morgen ist es natürlich mit vollem Tank und im Renntrimm wieder ein bisschen anders." Zu den Eindrücken gehört vor allem, dass der Nürburgring-Grand-Prix-Kurs sich mit dem Racing Point RP20 als äußerst wellig erwies.
Ob es das wert gewesen ist? Auf jeden Fall, findet Nico Hülkenberg, der 2009 auf dem Nürburgring beide GP2-Rennen (Vorläufer der Formel 2) für sich entscheiden konnte. "Eine ziemlich verrückte Geschichte, aber den Stress war es wert. Ich habe die vier Runden auch genossen. Es hat Spaß gemacht und ist wirklich cool."
"Die Strecke ist nach wie vor top. Es kamen wieder einige Erinnerungen von früheren Zeiten hoch. Ich bin so froh, dass sie im Kalender ist. Ich war so traurig, dass sie ausgerechnet in dem Jahr in den Kalender kam, in dem ich nicht fahren konnte. Von daher bin ich glücklich, dass ich heute doch noch die Chance bekommen habe."