• 07. September 2020 · 08:43 Uhr

Wurz über Valtteri Bottas: "Wollte nur Frust loswerden"

Valtteri Bottas hat einen desaströsen Grand Prix von Italien in Monza erlebt, aber seinen Rückstand in der WM trotzdem um drei Punkte verkürzt

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich hatte Valtteri Bottas beim Grand Prix von Italien in Monza die Hoffnung, Lewis Hamilton auf dem Weg zur ersten Kurve aus dem Windschatten heraus zu attackieren und womöglich sogar in Führung zu gehen. Doch es kam ganz anders, und mit Platz fünf und drei gutgemachten Punkten auf Hamilton in der Formel-1-WM 2020 war er letztendlich sogar gut bedient.

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Valtteri Bottas kämpfte in Monza über weite Strecken mit seinem Mercedes W11 Zoom Download

Gleich die erste Runde war ein Fiasko für den Finnen. Statt Hamilton zu attackieren, verlor er auf den ersten Metern eine Position gegen Carlos Sainz. In der Variante della Roggia rempelte sich mit Lando Norris auch der zweite McLaren an ihm vorbei.

In dessen "dirty Air" verpasste Bottas den Scheitelpunkt der zweiten Lesmo und meldete vor der Variante Ascari einen Reifenschaden. Sein Renningenieur zeigte sich verblüfft: "Ich kann keinen Reifenschaden sehen." Der Funkdialog war noch nicht einmal beendet, da zogen auch noch Sergio Perez und Daniel Ricciardo an ihm vorbei.

Mit dem Reifenschaden-Funkspruch "wollte er glaube ich nur den Frust loswerden", analysierte Alexander Wurz im 'ORF'-Live-Kommentar. "Ich glaube eher, der hat keinen Rhythmus gefunden. Der ist immer im Dreck herumgefahren und wird von Kurve zu Kurve abgewatscht." Am Ende kam Bottas als Sechster aus der ersten Runde zurück.

Bottas: Probleme am Start sind nichts Neues

Im Nachhinein gibt er zu, dass er zunächst zu spät auf die erlöschende Ampel reagiert hat: "Wir haben mit der Art und Weise, wie wir die Starts üben, mit dem Protokoll, herumgespielt", erklärt der 31-Jährige. Manchmal habe es bei den Starts in letzter Zeit "Störungen" gegeben. "Ich kann da nicht mehr ins Detail gehen", bleibt er vage.

Bottas war wieder verleitet, hart an der Grenze zum Frühstart loszufahren, "aber zum Glück nicht so sehr wie beim letzten Rennen. Und dann war ich für den eigentlichen Start spät dran. [...] Der Teil nach dem Start, wenn ich die Kupplung loslasse, funktioniert gut, da haben wir Fortschritte gemacht. Aber was eine konstante Reaktionszeit betrifft, haben wir noch was zu tun."

In der ersten Runde gab es dann zwei Berührungen: "Eine in Kurve 2 und eine etwas härtere in Kurve 5. Nicht dramatisch, aber in Kurve 6 war ich etwas zu weit draußen und hatte ein bisschen Untersteuern, und in Kurve 7 dann ziemlich starkes Untersteuern, das sich wie ein Reifenschaden anfühlte."

"Beim Herausbeschleunigen fühlte es sich so an, als ziehe das Auto nach rechts, sodass ich komplett überzeugt war, mir einen Reifenschaden eingefangen zu haben. Aus Kurve 8 heraus bin ich sicherheitshalber vom Gas gegangen, aber auf einmal ging es wieder und alles war okay", berichtet Bottas von seiner "sehr, sehr durchwachsenen" ersten Runde.

Ob das seiner Meinung nach merkwürdige Fahrverhalten etwas damit zu tun gehabt haben könnte, dass er in der Out-Lap brachial über einen Randstein der Variante della Roggia geräubert ist, weiß er selbst nicht: "Ich habe mich verbremst und bin geradeaus über die Geschwindigkeitsschwelle gefahren, genau wie in einem der Trainings. Aber zumindest optisch war keine Aero beschädigt."

Nach Re-Start 14 Sekunden auf Hamilton verloren

Bottas fuhr von da an ein farbloses Rennen. In der 29. Runde, nach Hamiltons Stop-&-Go-Strafe, lag er 25,3 Sekunden vor dem Teamkollegen. Bei der Zieldurchfahrt in Runde 53 waren es nur noch 10,1 Sekunden. Das entspricht einem Performance-Unterschied von 0,4 Sekunden pro Runde, der nur zum Teil dadurch erklärbar ist, dass Hamilton acht Runden lang freie Fahrt hatte.

"Bevor wir enttäuscht sind, müssen wir versuchen herauszufinden, was mit dem Auto los war", nimmt Teamchef Toto Wolff seinen Fahrer in Schutz. "Es hat in Rechtskurven nicht gut eingelenkt. Valtteri dachte, dass er einen Reifenschaden hatte, aber wir konnten in den Daten nichts sehen. Darum haben wir ihn draußen gelassen."


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"Man konnte sehen, dass er in allen Rechtskurven ein paar Fahrzeuglängen verloren hat. Wenn dir das durch Ascari und Parabolica passiert, kannst du selbst mit DRS nicht überholen. Wir müssen genau analysieren, was mit dem Auto war. Ich glaube nicht, dass ein Fahrer einen Reifenschaden melden würde, wenn da nicht irgendwas wäre."

Bottas steckte vor der Unterbrechung hinter dem Ricciardo-Renault fest und später dann hinter dem Stroll-McLaren. Attacke konnte er keine reiten. Das einzige Überholmanöver, das ihm gelang, war gegen Landsmann Kimi Räikkönen im unterlegenen Alfa Romeo - mit Ferrari-"Power" und Soft-Reifen, die viel zu schnell abbauten.

Seinem Frust machte er am Boxenfunk Luft. Als ihn sein Renningenieur aufforderte, er möge aus Ricciardos Windschatten ausscheren, um den Motor besser zu kühlen, antwortete er schnippisch: "Mach ich sowieso schon die ganze Zeit!" Und in Runde 16 schimpfte er: "Ich kann mit diesen Motoreneinstellungen nicht fahren. Das ist ein Witz."

Wolff nimmt Bottas seine Kritik nicht übel

"Valtteri war frustriert, weil es mit der Kühlung kritisch war", erklärt Wolff. "Das war keine Kritik des Motors an sich, sondern eine Kritik daran, dass wir das Auto weiter aufmachen hätten sollen. Dann hätte er nämlich nicht dauernd 'Lift & Coast' machen müssen, weswegen er ständig Abstand zum Vordermann halten musste."

Doch der Motor hatte mit der Balance in den Lesmos und Parabolica nichts zu tun. "Ich hatte Untersteuern, manchmal bin ich gerutscht. Immer in den Rechtskurven", seufzt er. "Ich weiß noch nicht, woran das lag. Sehr merkwürdig. Dabei hatten wir gerade nach der roten Flagge eine gute Chance. Aber ich konnte einfach nicht näher als 0,7 Sekunden ranfahren."

Ricciardo saß über weite Strecken erste Reihe fußfrei in der Nähe des Mercedes. "Er sah nicht so schnell wie sonst aus", wundert sich der Renault-Fahrer. "Ich habe ihn in der ersten Runde überholt und war mir sicher, dass er schnell kontern würde, aber der Konter kam nicht. Einmal fuhr ich sogar ein bisschen von ihm weg. Das hat mich schon überrascht."

"Ich weiß, dass ich nicht langsam war. Aber wir sind auch kein Mercedes. In die Ascari rein hat er ein paar Fehler gemacht, in der Linkskurve. Ich hatte da ehrlich gesagt auch meine Probleme", berichtet Ricciardo. "Ob er in Links- oder Rechtskurven mehr Probleme hatte, kann ich nicht sagen. Aber er war definitiv nicht so schnell, wie ein Mercedes normalerweise ist."

Immerhin: Wegen der Strafe für Hamilton holte Bottas in der Fahrer-WM sogar drei Punkte auf. Sein Rückstand beträgt jetzt "nur" noch 47 Punkte. "Hätte schlimmer kommen können", meint er achselzuckend. "Hätte ich in der WM geführt, wäre ich zufrieden, denn dann hätte ich meinen Vorsprung ausgebaut. Aber wenn ich den Titel holen will, muss ich schneller aufholen."

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