Carlos Sainz: In der letzten Runde hat Gasly kleine Fehler gemacht
Warum McLaren-Fahrer Carlos Sainz den zweiten Platz in Monza fast wie einen Sieg wertet, aber zugleich bitter enttäuscht ist über die knappe Niederlage
(Motorsport-Total.com) - "Ich bin halb enttäuscht von Platz zwei", sagt Carlos Sainz. Und das ist auch verständlich, denn am Ende waren es gerade einmal 0,415 Sekunden, die ihn von seinem ersten Grand-Prix-Sieg in der Formel 1 trennten. Er könne sich andererseits aber auch nichts vorwerfen: "Ich habe keine Fehler gemacht. Es hat alles gepasst." Bis auf das Endergebnis.
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Die Schlussphase in Monza: Sainz ist dran an Gasly, aber die Reihenfolge bleibt Zoom Download
Sainz versucht daher, das Positive zu sehen und meint: "Wir waren das stärkste Auto hinter den Mercedes. Das heilt einiges. Das verschafft mir wieder Seelenfrieden. Ich habe nämlich ein sehr gutes Jahr, sogar noch besser als 2019."
In den vergangenen Wochen aber hatte Sainz wiederholt technische Defekte hinnehmen müssen, zuletzt in Spa sogar ein sogenanntes DNS ("did not start") - ein Antriebsproblem verhinderte einen Rennstart des Spaniers. Es war der vorläufige Höhepunkt einer Negativserie, die an Sainz genagt hat. Daraus machte er nie einen Hehl.
Sainz sah schon wie der sichere Sieger aus
Nach dem Grand Prix in Monza gab er sich versöhnt. "Die 30 [verlorenen] Punkte kommen zwar nicht mehr zurück, aber wenn man nur hart genug arbeitet und cool bleibt, dann gibt es neue Ergebnisse", so sagt er. Und in Italien war es schließlich so weit.
Sainz erwischte von P3 kommend einen guten Start und setzte sich direkt hinter Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton auf P2 fest. Diese Position hielt er bis hinein in die erste Safety-Car-Phase. Und dann ging es aus seiner Sicht drunter und drüber.
Denn als Rennleader Lewis Hamilton mit einer Stop-and-Go-Strafe belegt wurde, "da wusste ich, dass ich virtuell an der Spitze lag", so sagt Sainz. "Ich hatte noch gute Medium-Reifen. Und es wäre schwierig geworden für die anderen, mich zu überholen. Ich war einfach richtig schnell."
Die Rotphase ändert alles
Die Rotphase aufgrund des Unfalls von Ferrari-Fahrer Charles Leclerc aber änderte alles, weil einige Fahrer deshalb einen "Gratis"-Boxenstopp bekamen. Sehr zum Nachteil von Sainz, der durch seinen Reifenwechsel in der Safety-Car-Phase auf Platz sechs zurückgefallen war und ohne Rot in aussichtsreicher Position für den Sieg gelegen hätte.
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"Als die rote Flagge kam, kann man sich vielleicht vorstellen, wie verärgert ich war. Die ganze Arbeit, die wir bis dahin verrichtet hatten. Das war schon ein bisschen deprimierend", meint Sainz.
Er ließ aber nicht locker, sondern attackierte weiter. Und nach einem Überholmanöver gegen Alfa-Romeo-Fahrer Kimi Räikkönen fand er sich hinter AlphaTauri-Mann Pierre Gasly wieder, den die Rotphase ebenfalls nach vorne gespült hatte. Doch Sainz holte auf, Runde für Runde.
Ranfahren und Überholen sind zwei Paar Stiefel ...
"Als ich bis auf 1,5 Sekunden rangekommen war, da stoppte es plötzlich", sagt Sainz. "Die Dirty Air merkst du vor allem bei der Traktion und auf der Bremse. Es sind kleine Verbremser, du hast Übersteuern, kaum mehr Grip in den Kurven, und am Ende sind wir beide auf unseren Reifen gerutscht."
Er habe alles daran gesetzt, in das DRS-Fenster Gaslys zu kommen, was ihm in der letzten Rennrunde auch glückte. "Und er hat auf einmal kleine Fehler gemacht." Sainz befand sich damit in Schlagdistanz. Zu einem echten Überholversuch aber kam es nicht mehr.
"Eine Runde mehr, und ich hätte vor Kurve 1 einen guten Versuch starten können. Es gab aber leider keine weitere Runde mehr", erklärt McLaren-Fahrer Sainz. "Pierre hat sich herausragend verteidigt. Da gibt es nichts zu sagen."
McLaren ist stolz auf die jüngsten Fortschritte
Seine "unglaubliche Pace" im Rennen habe Sainz am Ende nichts mehr genutzt. "Ich habe heute aber nichts verpasst", meint er. Und ich denke, wir haben das Mittelfeld heute mit Leichtigkeit dominiert. Darauf kann man stolz sein. Hätte man mir vor dem Rennen gesagt, ich würde Zweiter werden, ich hätte es nicht geglaubt."
McLaren-Teamchef Andreas Seidl aber glaubte bis zum Ende an den möglichen Sieg. "Wir wussten, es würde ein enger Kampf bis zum Ende werden", sagt er. "Am Freitag hatten wir nämlich gesehen, dass wir knapp schneller waren als AlphaTauri. Sobald du aber in Dirty Air reinkommst, wird es schwierig." Genau so kam es auch.
Doch Seidl nimmt die knappe Niederlage sportlich. "AlphaTauri hat es verdient", meint er. Und McLaren nehme mit, dass man aus eigener Kraft einen Podestplatz erzielt hat. "Das ist das Ermutigende aus meiner Sicht."
Podium in Monza, und keiner ist da ...
"Uns sind im Winter gute Fortschritte gelungen. Das Auto funktioniert auf allen Streckentypen. Wir hatten nun außerdem gute Boxenstopps, die richtige Strategie und bei der Entwicklungsarbeit passt auch alles. Ich bin sehr zufrieden mit unseren Fortschritten, auch wenn es noch ein langer Weg ist", sagt Seidl.
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Und es ist ein Weg, den Sainz mutmaßlich nicht bis zum Ende für McLaren beschreiten wird, denn er verlässt das Team bekanntlich am Jahresende in Richtung Ferrari. Umso lieber hätte er schon vorab in Monza ein Zeichen gesetzt und gewonnen.
"Wenn die Tifosi dagewesen wären, sie wären wohl ziemlich zufrieden und stolz gewesen. Deshalb freue ich mich auf die Zukunft", sagt er. "Ein bisschen aber ärgert es mich auch, dass niemand da war. Wir fahren beim coolsten Rennen des Jahres auf das Treppchen und es ist niemand da, der es sehen könnte."
Sainz: Bin hier um zu siegen
"Ich hoffe nur, es bleibt nicht mein einziges Podium in Monza. Ich bin bereit für Ferrari und kann es kaum erwarten, dass es dort losgeht, und dass hoffentlich noch weitere Monza-Podien folgen."
Sein McLaren-Team jedenfalls hatte sich in der Schlussphase schon mit P2 arrangiert und Sainz per Funk angewiesen, die Position einfach nach Hause zu fahren. Davon aber wollte Sainz selbst nichts wissen.
"Ich halte nichts zurück. Ich will siegen", sagte er nach der Zieldurchfahrt. "Ich weiß schon: Es gibt Leute, die zweifeln daran, dass ich es eines Tages schaffe. Ich bin aber zuversichtlich. Wenn dann solche Chancen kommen und ich gewinne nicht, dann ärgert mich das."
"Es war eine sehr gute Gelegenheit, die uns nur knapp durch die Finger geglitten ist, durch Umstände außerhalb unserer Kontrolle. Das erklärt meine konkurrenzfähige Ader. Es war aber auch eine gute Erinnerung an mich selbst und alle anderen, dass es mein Ziel ist, eines Tages in der Formel 1 zu siegen."