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F1-Rennen Monza 2020: Gasly feiert zweites "Wunder von Monza"!
Ein Unfall von Charles Leclerc stellt den Grand Prix von Italien auf den Kopf, und weil Lance Stroll den sicher scheinenden Sieg verschenkt, gewinnt am Ende Pierre Gasly
(Motorsport-Total.com) - Zwölf Jahre nach Sebastian Vettel hat AlphaTauri (ehemals Toro Rosso) wieder einen Grand Prix von Italien gewonnen. "Und jetzt auch im Trockenen", jubelt Teamchef Franz Tost. In einem verrückten Rennen in Monza, auf den Kopf gestellt durch einen schweren Unfall von Charles Leclerc (Ferrari), sicherte sich Pierre Gasly den Sieg vor Carlos Sainz (McLaren) und Lance Stroll (Racing Point).
© Motorsport Images
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In Abwesenheit der großen Favoriten, die aus verschiedenen Gründen weit zurücklagen, lieferten sich Gasly und Sainz ein elektrisierendes Duell um den Sieg. In der 34. von 53 Runden ging Sainz an Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) vorbei und machte von da an Jagd auf den Sensationsführenden. Der hatte zu dem Zeitpunkt 3,9 Sekunden Vorsprung.
Die schmolz Sainz sukzessive ab, bis er in der vorletzten Runde ausgangs Parabolica erstmals innerhalb der DRS-Sekunde war. Am Ende der Start- und Zielgerade war er zwar dran an Gasly, zu einer ernsthaften Attacke reichte es aber nicht mehr. Dass bei Gasly da die Nerven flatterten, sah man an der Tatsache, dass er die Parabolica in der letzten Runde komplett innen fuhr.
Tost analysiert ganz nüchtern: "Natürlich hatten wir mit der Strafe für Hamilton Glück. Aber Pierre ist fantastisch gefahren. Im ersten Sektor war Carlos meistens schneller. Aber im zweiten hatte Pierre einen kleinen Vorteil. Und wenn du im zweiten Sektor nicht herankommst, kannst du ausgangs Parabolica nicht überholen."
Gasly: Erster französischer Sieger seit 1996
"Wir haben von der roten Flagge profitiert", freut sich Gasly. "Ich hätte nie geglaubt, dass ich mein erstes Rennen mit AlphaTauri gewinnen würde. Sie haben mir die Chance in der Formel 1 und mein erstes Podium gegeben. Jetzt schenke ich ihnen meinen ersten Sieg." Übrigens den ersten eines Franzosen seit Olivier Panis in Monaco 1996.
Dabei wollte Sainz alles daran setzen, Gasly noch abzufangen - selbst als er vom McLaren-Kommandostand aufgefordert wurde, den zweiten Platz nicht zu riskieren. "Ich bin ein bisschen enttäuscht", gesteht der Spanier. "In einem normalen Rennen wäre ich aber auch Zweiter hinter Lewis geworden, weil unsere Pace richtig gut war."
Es sind viele Superlative, die in Monza gefallen sind. Seit Kimi Räikkönen (Lotus) in Melbourne 2013 hatten nur noch Mercedes, Ferrari und Red Bull Formel-1-Rennen gewonnen, seit Budapest 2012 stand immer mindestens eins der drei Teams auf dem Podium. Eine Serie, die ausgerechnet auf der Powerstrecke in Monza gerissen ist.
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Dabei hatte vor dem Re-Start in Runde 28 alles auf einen sicheren Sieg von Stroll hingedeutet. Der Racing-Point-Fahrer lag auf seiner Lieblingsstrecke beim stehenden Start auf Platz zwei hinter Lewis Hamilton (Mercedes), der allerdings wegen seiner Stop-&-Go-Strafe virtuell kein Gegner mehr war. Und hinter Stroll reihten sich die beiden Alfa Romeos ein, die keine ernstzunehmenden Gegner waren.
Aber statt Hamiltons Strafe abzuwarten, die Führung zu übernehmen und den ersten Sieg locker nach Hause zu fahren, schmiss Stroll die Nerven weg. Gleich am Start ("Ich hatte einfach keinen Grip") fiel er hinter Gasly und die Alfas zurück, und dann fuhr er in der Variante della Roggia auch noch geradeaus, was zu seinem Glück glimpflich ausging.
Bis das Rennen mit dem Leclerc-Unfall aus dem Ruder lief, sah alles nach einem lockeren Sieg für Hamilton aus. Der Polesetter war so überlegen, dass er sich schon nach ein paar Runden erkundigte, ob er früher hochschalten soll, um sein Material für den Rest der Saison zu schonen. Hinter sich hatte er Sainz und Lando Norris im zweiten McLaren auf P2/3.
Doch dann rollte Kevin Magnussen (Haas) ausgangs Parabolica aus und stellte seinen Haas bei der Boxeneinfahrt ab. Das Safety-Car wurde auf die Strecke geschickt, und auf dem Timingscreen flackerte die Botschaft "Boxeneinfahrt geschlossen". Fatal: Mercedes-Sportdirektor Ron Meadows dürfte diese übersehen haben, beorderte Hamilton zum Reifenwechsel.
Wolff: Hamilton hat Flagge nicht gesehen
"Lewis hat gesagt, er hat die gelben Kreuze außen in der Kurve nicht gesehen. Keine Signale innen in der Kurve, keine rote Ampel an der Boxeneinfahrt", seufzt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Die Pause nutzte Hamilton, um persönlich zu FIA-Rennleiter Michael Masi zu marschieren und sich zu verteidigen. Erfolglos.
Damit war klar, dass er (und Antonio Giovinazzi, dem das gleiche Malheur passierte) eine Strafe kassieren würden. Alle anderen blieben draußen und kamen erst zum Boxenstopp, als Magnussens Auto geborgen und die Boxeneinfahrt wieder freigegeben war. Doch kurz darauf steckte Leclerc in der Parabolica in der Leitplanke und sorgte für einen Abbruch des Rennens.
Von da an war Hamiltons Rennen praktisch gelaufen. Nach Absitzen der Strafe lag er an letzter Stelle, 18,5 Sekunden hinter Alexander Albon (Red Bull). Bis zum Schluss arbeitete er sich noch auf P7 vor, 8,9 Sekunden hinter Daniel Ricciardo und 1,4 Sekunden vor Esteban Ocon (beide Renault).
Die Schuld für die Strafe nimmt Hamilton letztendlich auf die eigene Kappe: "Ich habe die Anzeige nicht gesehen", räumt er ein. "P7 sind immerhin noch ein paar Punkte. Die nehme ich mit, denn ich hatte nicht gedacht, dass das noch möglich ist. Und weil Max nicht gepunktet hat, tut es in der WM nicht so weh."
Max Verstappen hatte eigentlich gehofft, hinter den beiden Mercedes Dritter zu werden, erwischte aber keinen guten Start und lag zu Beginn an siebter Stelle. Offizielle Begründung für seine Aufgabe in Runde 30: Motor aus Sicherheitsgründen abgestellt. Für Red Bull ein desaströser Rennsonntag, denn Albon ging als 15. ebenfalls leer aus.
Valtteri Bottas nutzte die Chance, in der WM Boden gutzumachen, nicht. Als er am Start auf den sechsten Platz zurückfiel, vermutete er zunächst einen Reifenschaden. "Der hat einfach den Rhythmus verloren", kommentierte Alexander Wurz im 'ORF'. Und auch seine Beschwerden über Untersteuern in Rechtskurven legten sich wieder.
Die Probleme mit der Motortemperatur, vor allem in Kurve 11, aber nicht. Bereits in der 16. Runde scherte Bottas immer aus dem Windschatten des Vordermannes aus, um seine Temperaturen unter Kontrolle zu bekommen. "Ich kann mit dieser Motoreinstellung nicht Rennen fahren. Das ist ein Witz", schimpfte er.
Mercedes: Kein Problem ohne "Party-Modus"
Mit der technischen Richtlinie TD037/20, die in Monza erstmals in Kraft war, "hatte das nichts zu tun", gibt Wolff Entwarnung. Mercedes habe davon ganz im Gegenteil profitiert: "Haben wir doch immer gesagt. Wenn wir nur noch einen Powermodus für Qualifying und Rennen schaffen, haben wir weniger Punch im Qualifying, aber mehr im Rennen. Und genau das haben wir heute gesehen."
Lando Norris rundete heute als Vierter einen tollen Teamerfolg für McLaren ab. Daniil Kwjat (AlphaTauri) wurde Neunter. Und Sergio Perez (Racing Point) Zehnter. Der Mexikaner lag zu Beginn des Rennens auf P4 und war mittendrin im Kampf um das Podium. Ein verpatzter Boxenstopp warf ihn aber auf P12 zurück.
Sebastian Vettel war da schon längst aus dem Rennen. "I mog nimma", sagte er im ersten TV-Interview. "Man denkt: Schlimmer geht nicht mehr. Aber schlimmer geht immer dieses Jahr." Bereits in der fünften Runde entzündeten sich seine Hinterradbremsen. Ein paar hundert Meter weiter fuhr er in der ersten Schikane geradeaus und rammte dort die Styroporblöcke.
"Es hat sich schon früh angekündigt, dass wir Schwierigkeiten an der hinteren Bremsleitung hatten", berichtet er. "Erst hinten links, dann auch hinten rechts. Ich hatte dann beim Anbremsen auf die erste Kurve einfach keinen Bremsdruck mehr. Gott sei Dank noch in der ersten Ecke mit viel Auslauf, weil die letzte Ecke wäre nicht so gut gewesen!"
Für Ferrari bedeutet der Doppelausfall das schlechteste Monza-Ergebnis seit 1995. Damals lagen Jean Alesi und Gerhard Berger in Führung, ehe sie ausschieden. Vettel nimmt den neuen Tiefpunkt mit einer gesunden Portion Galgenhumor. Sagt aber auch: "Es nervt einfach. Im Moment ist der Spaßfaktor mit Sicherheit nicht auf dem Höhepunkt."
Bei Leclerc auch nicht. Sein Abflug sah zunächst aus der Onboard-Perspektive merkwürdig aus. Im Nachhinein konnte ein technisches Gebrechen aber ausgeschlossen werden: "Nach dem Restart hinter dem Safety-Car waren die Reifen vielleicht noch etwas kalt. Er hat wohl das Auto überfahren und es außer Kontrolle verloren, nichts weiter", sagt Teamchef Mattia Binotto.
In der Weltmeisterschaft hat Monza am Gesamtbild nicht viel geändert. Hamilton führt nun mit 164 Punkten vor Bottas (117) und Verstappen (110). Das sind nach wie vor fast zwei Siege Vorsprung für den Titelverteidiger. Bei den Konstrukteuren liegt Mercedes (281) vor Red Bull (158) und McLaren (98). Nächstes Rennen: Mugello am kommenden Sonntag.