• 08. August 2020 · 21:21 Uhr

Verstappens Reifenpoker: Warum er am Sonntag auf dem Hard startet

Red-Bull-Pilot Max Verstappen versucht, im Jubiläumsrennen der Formel 1 in Silverstone mit einer alternativen Strategie Mercedes anzugreifen

(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen überrascht im Qualifying zum Jubiläumsrennen der Formel 1 in Silverstone mit einer alternativen Strategie. Der Red-Bull-Pilot kann sich auf dem harten Reifen in das Q3 kämpfen, dort fehlt ihm dann eine Sekunde auf die Pole-Position von Mercedes. Der Niederländer ist dennoch zufrieden.

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Max Verstappen setzt alles auf den harten Reifen in Silverstone 2 Zoom Download

"In Q3 war die Balance nicht perfekt. Der Wind kommt jede Runde von woanders, und unser Auto ist da recht empfindlich. Aber ich bin auf einer anderen Strategie als alle anderen. Ich hoffe, dass das ein Vorteil ist", lautet Verstappens erstes Fazit nach dem Zeittraining.

Der Niederländer versuchte sich zunächst auf dem Medium-Reifen im dritten Qualifying-Abschnitt in eine gute Ausgangslage zu bringen, am Ende musste er dann aber doch zum Soft greifen. Auf dem C4-Pneu schaffte Verstappen schließlich eine persönliche Bestzeit von 1:26.176 Minuten.

Reifenpoker in Q2 wäre fast schiefgelaufen

Damit fehlte 1,022 Sekunden auf die Pole-Zeit von Valtteri Bottas. Die meiste Zeit verlor er im Mittelstück (+0,551 Sekunden), besonders stark war hingegen der erste Sektor des Red Bull (+0,146). Überraschend war aber nicht so sehr der Abstand zu Mercedes, sondern die Tatsache, dass Verstappen nicht Dritter wurde.

0,094 Sekunden war Nico Hülkenberg im Racing Point auf seiner schnellsten Runde besser unterwegs als Verstappen. "Das wird ein spannender Kampf zwischen den beiden werden", prophezeit Alexander Wurz im 'ORF' einen Kampf ums Podium zwischen den beiden.

Den entscheidenden Unterschied könnte die Strategie machen: Verstappen hat sich auf einen Reifenpoker eingelassen und ist seine schnellste Runde in Q2 auf dem harten Reifen (C2) gefahren. Das bedeutet, er wird auch auf dem weiß markierten Reifen starten müssen, die unmittelbare Konkurrenz auf dem Medium.


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"Wir sind schon in der Vorwoche damit gefahren, daher habe ich keine Bedenken", meint Verstappen. Am ersten Wochenende wurde der C2 von Pirelli als Medium von den Teams eingesetzt, eine Woche später verwandelte er sich in den Hard.

"Es ging eher darum, durch das Q2 zu kommen, aber das haben wir geschafft." Die Angelegenheit war jedoch knapp: Verstappen schaffte es als Neunter in die Top 10. Somit ging der erste Teil seines Plans auf. Wie sieht der zweite Teil aus?

"Ich hoffe, dass ich einfach einen sauberen Start auf dem harten Reifen hinbekomme. Der härtere ist der Medium-Reifen des vergangenen Wochenendes, daher ist das denke ich nicht so schlecht - im Vergleich zu den Reifen der anderen. Man verliert womöglich ein wenig beim Wegfahren, aber insgesamt ist das der bessere Reifen für den ersten Stint."

Wolff nicht überzeugt von der Verstappen-Strategie

Pirelli rechnet vor: Beim Start auf dem harten Reifen wird der erste Stint über 23 Runden gehen, der zweite wieder auf dem Hard ebenso über 23 Runden, am Ende könnte Verstappen für sechs Runden auf den Soft umstecken - insgesamt die zweitschnellste Strategie, prophezeit der Reifenhersteller.

"Es hängt natürlich auch davon ab, ob es ein Safety-Car geben wird oder nicht. Wir müssen also abwarten, aber zumindest ist es eine andere Strategie." Dass er bereits beim Start Plätze gegen seine unmittelbaren Gegner verlieren könnte, glaubt er nicht. "Ich konnte mich schon letzte Woche gegen die Jungs hinter mir verteidigen."

Schon am vergangenen Sonntag ist er auf dem etwas härteren Reifen ins Rennen gegangen. "Mein Start in der Vorwoche war gut, auch verglichen mit den Autos hinter mir, die auf dem Soft gestartet sind. Ich muss einfach wieder gut wegkommen. Ehrlich gesagt erwarte ich keine großen Schwierigkeiten mit den Autos hinter mir."

Doch nicht jeder ist von Verstappens Strategie überzeugt. Mercedes-Teamchef Toto Wolff prophezeit dem Niederländer einen "richtig schweren" Start. Er müsse aufpassen, dass er seine Position halten könne. "Wenn es ganz blöd hergeht, verliert er ein paar Positionen und dann wird es schwierig, weil er auch undercuttet werden kann von den Fahrern hinter ihm."

Aus der Sicht des Österreichers hat Verstappen nur eine Chance, wenn er seinen Platz halten oder sich gar verbessern kann. Dann hat er einen strategischen Vorteil: "Wenn der Reifen lange hält, kannst du auf eine Einstoppstrategie gehen. Oder wenn du draußen bleibst und das Safety-Car kommt."

Mit nur einem Stopp durchzufahren, rät Reifenhersteller Pirelli allerdings nicht. Und auch Verstappen selbst winkt ab: "Nein, ich glaube nicht, dass irgendjemand einen Stopp fährt." Eher gehe es darum, wie man seine Zweistoppstrategie anlege, ergänzt der 22-Jährige.

Bottas: "Der Hard ist ein guter Rennreifen"

Für den Mercedes-Teamchef ist es allemal eine "ziemliche Außenseiter-Strategie". Aber: "Sie wissen, sie sind hinten, also müssen sie ein bisschen den Würfel rollen lassen. Vielleicht geht es in ihre Richtung." Verstappen verteidigt seine Entscheidung vehement.

"Wir können den harten Reifen (C1) vom vergangenen Wochenende nicht mehr verwenden, der war wirklich ordentlich. Ich wollte mit der härtest möglichen Reifenmischung fahren, weil der weiche Reifen an diesem Wochenende einfach auseinanderfällt. Das war keine Option."

Selbst vom Medium-Pneu (C3), der in der Vorwoche noch der weichste Reifen war, ist der Niederländer nicht begeistert. "Der Medium ist der Soft-Reifen des vergangenen Rennens, der war auch schon nicht großartig. Die Topfahrer wollten sich auch damit nicht qualifizieren, warum sollte ich den jetzt nehmen?"

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Verstappen und Ricciardo gratulieren Hülkenberg zu P3 Zoom Download

Zwar gibt er zu, dass es nach wie vor "viele Fragezeichen" bezüglich der Strategie gebe. "Aber für mich hat es sich besser angefühlt, das war schon letzte Woche ein guter Reifen. Deshalb werde ich einen Versuch wagen." Im Gegensatz zum Mercedes-Teamchef sind die Piloten von Verstappens Schachzug angetan.

"Ich denke, [der Hard] ist ein guter Rennreifen. Er kann damit länger fahren, als alle anderen in den Top 10. Aber am Start hat er wohl einen kleinen Nachteil. Gleichzeitig ist der Reifen robuster, überhitzt weniger schnell und hält länger durch", zählt Polesetter Bottas die Vorteile auf.

Er habe mit dem Team jene Variante allerdings nicht diskutiert. Bottas wird wie auch alle anderen Fahrer außer Verstappen auf dem Medium (C3) ins Rennen gehen. "Ich hoffe, wir haben die richtige Wahl getroffen. Wir wollten natürlich in die erste Reihe, das ist immer gut."

Duell gegen Hülkenberg: Red Bull mit besserem Renntrimm?

Auch Lewis Hamilton glaubt, dass Verstappens Strategie aufgehen könnte. "Zumindest unterscheidest du dich von den anderen, das könnte also interessant werden. Wir haben uns an diesem Wochenende dagegen entschieden."

Besonders spannend wird aber das direkte Duell des Red-Bull-Piloten gegen Hülkenberg. Der Deutsche startet auf dem Medium von Rang drei. Und er weiß: "Die härtere Mischung hat ganz gut funktioniert hier, das ist also definitiv keine schlechte Wahl von ihm. Es könnte sich bezahlt machen, wenn er [zu Beginn] mithalten kann."

Entscheidend könnte sein, ob sich Verstappen im Zweikampf gegen Hülkenberg schnell durchsetzen kann. "Sie waren schon das gesamte Wochenende über sehr konkurrenzfähig", weiß der Niederländer über die Stärke der Racing Point. Im Renntrimm erwartet er aber keine rosa Konkurrenz.

"Morgen sollten wir im Rennen vorne liegen. Es geht nur darum, vorbeizukommen. Danach werde ich mich auf mein eigenes Rennen fokussieren." Schon am Freitag ist er davon ausgegangen, ein "einsames" Rennen zwischen der Mercedes-Spitze und dem Mittelfeld zu fahren.

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