Mercedes: Warum eine Zweistoppstrategie nicht möglich war
Mercedes hat im ersten Silverstone-Rennen nicht auf zwei Stopps gesetzt - Chefstratege James Vowles erklärt die Gründe dafür
(Motorsport-Total.com) - Mercedes hat nach der Analyse des Grand Prix von Großbritannien verraten, warum Lewis Hamilton und Valtteri Bottas im Rennen keine Zweistoppstrategie gefahren sind und dadurch die Reifenschäden gegen Rennende in Kauf genommen wurden. Der Grund: Das Team hatte zu wenig Reifen zur Verfügung.
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Lewis Hamilton und Valtteri Bottas setzten in Silverstone 1 auf nur einen Stopp Zoom Download
"Wenn wir zurück zum Qualifying schauen, dann ist es wichtig zu verstehen, dass beide unsere Fahrer wie auch Verstappen Reifen aufgrund von Schnitten [in der Lauffläche] verloren haben", schildert Mercedes-Chefstratege James Vowles im neuesten Debrief-Video des Teams.
Im Fall von Valtteri Bottas war der rechte hintere Medium-Reifen beschädigt worden, dadurch konnte er diesen im Rennen nicht mehr einsetzen. "Wir durften mit diesem Reifen nicht im Rennen antreten, deshalb mussten wir einen Reifen aus seinem zweiten Medium-Satz nehmen", schildert Vowles. Schließlich startete der Finne auf der mittleren Mischung.
Kein zweiter Stopp "aus einer Laune" heraus
Hamilton beschädigte seinen Reifensatz aufgrund des Drehers in Q2 so sehr, dass dieser damit im Rennen ebenso wenig einsetzbar war. Und bei Red-Bull-Pilot Max Verstappen seien ebenso beide Hinterreifen beschädigt gewesen, glaubt Mercedes.
Aufgrund der vielen Schäden an den Reifen hatte Mercedes weniger Strategie-Spielraum für das Rennen. "Die schnellste Zweistoppstrategie wäre Medium-Hard-Medium gewesen, aber wir hatten keinen zweiten starken Medium-Satz in Valtteris Fall. Und Lewis hatte gar keinen zweiten Medium-Reifensatz zur Verfügung."
Daher hätte Mercedes in diesem Fall eine Zweistoppstrategie mit Medium-Hard-Soft fahren müssen. "Das bedeutet, dass wir mit dem Soft-Reifen, einem sehr schwachen Reifen in Silverstone, den die meisten Konkurrenten am Anfang unbedingt so schnell wie möglich loswerden wollten, eine Zweistoppstrategie hätten fahren müssen. Das wäre knifflig gewesen."
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All die Optionen für Bottas schienen Mercedes nicht zu überzeugen. "Es wäre unglaublich schwierig geworden, wieder zu Verstappen aufzuschließen, geschweige denn ihn zu überholen." Deshalb hat Mercedes diese Strategie nicht in Betracht gezogen.
Der harte Reifen sei von allen Mischungen der schnellste verfügbare Reifen im Rennen gewesen, bestätigt Vowles. Daher schien ein zweiter Stopp nicht nötig zu sein. "Wir hatten keine Bedenken hinsichtlich der Haltbarkeit der Reifen."
Während des Rennens habe es keine Anzeichen auf einen Reifenschaden gegeben. Deshalb wollte Mercedes nicht einfach "aus einer Laune" heraus einen zweiten Stopp einschieben, was Bottas hinter Verstappen gespült hätte.
Wolff: "Starkes Auto keine Garantie für gutes Ergebnis"
Während Bottas am Ende noch aus den Punkterängen fiel, konnte sich Hamilton auf drei Rädern noch als Sieger über die Ziellinie retten. Für Mercedes-Teamchef Toto Wolff war das Rennen ein Weckruf. "Wir haben von Anfang an betont, dass Zuverlässigkeitsprobleme sich in dieser verkürzten Saison als besonders kostspielig erweisen können."
Das habe sein Team am vergangenen Wochenende "am eigenen Leib" erfahren müssen. "Das war eine gute Erinnerung daran, dass ein starkes Auto allein keinesfalls eine Garantie für starke Ergebnisse ist", betont er. Wolff steht zu seiner pessimistischen Grundhaltung und sieht sich darin nun bestätigt.
"Wir waren schon immer skeptisch, gingen vom Schlimmsten aus und waren uns bewusst, dass es keine Spazierfahrten in unserem Sport gibt. Wir bringen diese komplexen Maschinen an jedem Wochenende bis an ihre Grenzen und es wäre unvernünftig, davon auszugehen, dass immer alles für uns läuft", erklärt der Wiener.
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Deshalb erwartet er auch für das zweite Rennwochenende in Großbritannien keine einfache Aufgabe. Die Temperaturen werden ansteigen, was Mercedes in der Vergangenheit nicht entgegengekommen ist. Unklar ist außerdem wie sich die weicheren Reifenmischungen auf das Renngeschehen auswirken werden.
"Die heißeren Bedingungen brachten das Feld vergangene Woche näher zusammen und die weicheren Reifen führen zu mehr Boxenstopps und mehr Strategiemöglichkeiten. Deshalb erwarten wir einen engen Kampf", so der Teamchef.