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F1 Spielberg 2020: Hamilton gewinnt, Fotofinish beim Steiermark-GP!
Ratlosigkeit bei Red Bull nach dem Mercedes-Doppelsieg beim Grand Prix am Red-Bull-Ring - Lando Norris wieder der große Held der dramatischen letzten Runde
(Motorsport-Total.com) - Was war das für ein Fotofinish! Lewis Hamilton (Mercedes) hat den Grand Prix der Steiermark in Spielberg vor seinem Teamkollegen Valtteri Bottas und Max Verstappen (Red Bull) gewonnen. Aber die ganz große Dramatik der letzten Runde spielte sich nicht in den Top 3 ab, sondern weiter hinten im Kampf um Platz fünf.
Den schien zunächst schon Sergio Perez, von Platz 17 gestartet, sicher in der Tasche zu haben. Der Racing-Point-Pilot schickte sich sogar an, Alexander Albon (Red Bull) auf Platz vier herauszufordern, sein Überholversuch endete aber mit einer Berührung und einem losen Frontflügel. "Ich musste es probieren. Das war meine einzige Chance", sagt Perez.
Da waren noch eineinhalb Runden zu fahren, und von hinten näherte sich ein flottes Trio. Zuerst lag noch Daniel Ricciardo (Renault) auf P6, doch der Australier verlor den Zweikampf gegen Lance Stroll (Racing Point) und rutschte dabei auch gleich noch hinter Lando Norris zurück. Den hatte McLaren wegen seiner frischeren Reifen kurz zuvor an Carlos Sainz vorbeigewunken.
Norris kam im ersten Versuch nicht an Stroll vorbei, im zweiten dann aber schon - und in der letzten Kurve schlüpfte er auch noch am strauchelnden Perez vorbei: von P8 auf P5 innerhalb von zwei Runden! Und Sainz, den McLaren auf frische Reifen gesteckt hatte, staubte die schnellste Runde ab. Schon wieder ein Finish wie aus dem Bilderbuch für McLaren!
Norris wieder der Held der letzten Runde!
"Wir hatten ein bisschen Glück mit Perez in der letzten Kurve. Das hat eines meiner besten Formel-1-Rennen zum Abschluss gebracht", jubelt Norris. Und Teamchef Andreas Seidl ergänzt: "Die Pace von Lando am Schluss, auf den Medium-Reifen, war sehr, sehr ermutigend, weil wir auch heute wieder gesehen haben, dass wir die Pace grundsätzlich mitgehen können."
Bei Racing Point hält sich die Enttäuschung über den verpassten vierten Platz in Grenzen. Mit P6/7 hätte vor dem Start kaum jemand gerechnet. Pech: Stroll lief auf den letzten Metern "zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt" auf Perez auf: "Ich konnte in der Kurve nicht aufs Gas steigen." So hätte er fast Ricciardo wieder durchlassen müssen.
F1 Spielberg 2020: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
Perez war bis zur vorletzten Runde der Mann des Rennens. Unwiderstehlich, wie er durch das Feld pflügte und in Kurve 6 (!) am Sainz-McLaren vorbeiging. "Did you like that one, man?", plärrte er in den Boxenfunk. Wenig später hatte er auch Ricciardo überholt. Platz vier schien in Reichweite, bis im Duell gegen Albon alles anders kam.
An der Spitze fuhr Hamilton ein einsames Rennen zum Sieg. "Ich musste mich nur von den Kerbs fernhalten und es nach Hause bringen", strahlt der neue WM-Zweite (sechs Punkte hinter Auftaktsieger Bottas). "Es ist einfach toll, wieder zu gewinnen." Nur der Bonuspunkt für die schnellste Runde, den er eigentlich anvisiert hatte, war mit 44 Runden alten Mediums unerreichbar.
Aus Mercedes-Sicht war Spielberg 2 ein voller Erfolg, denn Bottas, von P4 gestartet, hatte mit Sainz am Beginn des Rennens keine Mühe, kam dann spät zum einzigen Boxenstopp und nutzte die frischeren Reifen, um Verstappen, dessen Frontflügel rechts vorne lädiert war, noch niederzufighten.
Verstappen: "Wusste, dass mich Bottas kriegt"
Verstappen wäre aber nicht Verstappen, hätte er sich dagegen trotz des großen Speed-Unterschieds nicht gewehrt: "Ich wollte Valtteri das Leben schwermachen. Aber im Grunde wusste ich, dass er mich eine Runde später kriegt", sagt der Red-Bull-Fahrer, und Bottas gibt zu: "Es war ein guter Fight mit Max. Ich hatte die besseren Reifen, weil wir den ersten Stint länger rausgezogen haben."
"Wir haben gesehen, dass wir von der Power nicht mitkönnen. Wir verlieren auf den Geraden", analysiert Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko. "Man hat ja gesehen, wie Perez durch das Feld gepflügt ist mit Mercedes-Motor. Dann kamen noch zwei Beschädigungen am Auto von Max dazu, der Front- und der Heckflügel. Damit war auch die Position gegen Bottas nicht zu halten."
Hinter den Top 3 landete Albon, mit 44,4 Sekunden Rückstand. Der Thailänder kam in der Anfangsphase zwar schnell an Sainz vorbei, war dann aber teilweise um eine Sekunde pro Runde langsamer als Verstappen. Dass am Ende nur zehn Sekunden auf den Teamkollegen fehlten, lag daran, dass Verstappen (erfolglos) frische Reifen aufziehen ließ, um die schnellste Runde zu fahren.
Die beiden Ferraris waren da schon längst aus dem Rennen. Gleich in der ersten Runde bremste Charles Leclerc den Berg hinauf zu Kurve 3 so spät, dass er von allen dicht nebeneinander fahrenden Autos ausgerechnet jenes von Sebastian Vettel aus dem Rennen beförderte. "War mein Fehler, da gibt's gar keine Diskussion", gibt Leclerc zu und beschimpft sich selbst als "Arschloch".
Davon kann sich Vettel jetzt aber auch nichts mehr kaufen: "Ich konnte nirgendswo hin", seufzt er. "Ich habe mich vorne raushalten wollen, weil schon zwei Autos neben mir waren. Und ich wäre dann das dritte gewesen. Deswegen war mir nicht ganz klar, wo Charles hinwollte. Ganz doof gelaufen, dass wir jetzt beide draußen sind."
Trotz Kollision: Kein Stunk bei Ferrari
Großen Stunk bei Ferrari gibt's deswegen nicht. "Vergangene Woche hat Sebastian einen Fehler gemacht beim Anbremsen. Heute halt Charles. Das macht keiner absichtlich", analysiert 'ORF'-Experte Alexander Wurz. Nur für Mattia Binotto wird's langsam eng. Nach zwei Rennen liegt Ferrari auf Platz fünf der Konstrukteurs-WM.
Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) machte seine Boxenfunk-Ansage, dass er sich Daniil Kwjat (AlphaTauri) noch holen und auf P10 losgehen würde, nicht wahr. Somit schrammte er knapp an einem WM-Punkt vorbei. Und George Russell (Williams), der Q2-Sensationsmann vom Samstag, wurde nach einem frühen Ausritt letztendlich nur 16.
In der Fahrer-WM liegt Bottas (43) nun vor Hamilton (37) und Norris (26). Verstappen hat 15 Punkte auf dem Konto. "Wenn du Weltmeister werden willst, musst du Rennen gewinnen", sagt er. "Nach hinten ist der Abstand riesig. Das hat mich richtig schockiert. Aber es ist trotzdem nicht gut genug. Sobald ich ein bisschen pushen muss, komme ich einfach nicht mehr mit ihnen mit."
Für Toto Wolff war das "einigermaßen überraschend, weil Red Bull hier wirklich gut war in den Longruns am Freitag. Da war es aber doch fast zehn Grad wärmer", analysiert der Mercedes-Teamchef. "Insofern: Ich glaube, wenn es heiß wird, dann ist das immer noch unsere Achillesferse. Aber jetzt muss man das mal auskosten!"
Weiter geht's mit dem Grand Prix von Ungarn in Budapest, dem dritten Rennen der Formel-1-Saison 2020, am kommenden Sonntag. Dort ist die Streckencharakteristik ganz anders als auf dem Red-Bull-Ring. "Viele Kurven, große Hitze - dort sollte es doch besser für uns ausschauen", hofft Helmut Marko.