• 07. Juli 2020 · 10:08 Uhr

Deswegen hat Mercedes die Positionen nach der Strafe nicht getauscht

Wäre Valtteri Bottas etwas schneller gefahren oder hätte Lewis Hamilton vorbeigelassen, wäre der auf dem Podium gewesen: Warum beides nicht passiert ist

(Motorsport-Total.com) - Gleich zweimal hat Valtteri Bottas seinem Teamkollegen Lewis Hamilton beim Formel-1-Auftakt in Spielberg Plätze gekostet. Sein Abflug am Samstag im letzten Versuch in Q3 ruinierte nicht nur Hamiltons Angriff auf die Pole, der Brite wurde durch das Gelbvergehen auch um drei Plätze zurückversetzt.

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Valtteri Bottas: Ist er in Spielberg etwas zu langsam gefahren? Zoom Download

Am Sonntag hätte Hamilton trotz seiner Fünf-Sekunden-Strafe noch auf das Podest fahren können, wenn Bottas in den letzten Runden vielleicht etwas schneller gefahren wäre. Auch ein Platztausch hätte den Briten vielleicht noch nach vorne bringen können. Doch Mercedes griff bewusst nicht in den Kampf zwischen den beiden ein.

"Im Nachhinein hätten wir vielleicht Platz drei erreichen können", gibt Motorsportchef Toto Wolff zu. "Es gab Diskussionen, aber das wird schnell chaotisch." Denn man müsse Bottas erst die Situation erklären und dieser würde dann seinem mutmaßlich größtem WM-Rivalen freiwillig helfen, mehr Punkte zu bekommen.

Zudem hätte dann die Gefahr bestanden, dass Charles Leclerc oder Lando Norris noch mit frischen Reifen in Schlagdistanz kommen. "Und statt zu gewinnen, ist Valtteri dann vielleicht nur noch Vierter", so Wolff. "Es wäre zu komplex gewesen, einen solchen Tausch zu machen. Zu viel Risiko."

Bottas wollte kein Risiko eingehen

Doch die Situation hätte auch ohne Tausch besser für Mercedes ausgehen können. Wäre Bottas etwas schneller gefahren, dann hätte man mit ziemlicher Sicherheit zumindest nicht Rang drei an Norris verloren. Denn der holte sich den Podestplatz um gerade einmal zwei Zehntelsekunden.

Bottas allerdings wollte nur so schnell wie nötig fahren. Unnötige Risiken wollte er mit dem Sieg vor Augen nicht eingehen, zumal den Fahrern seit Rennbeginn eingebläut wurde, dass sie nicht über die Randsteine fahren sollen, da sonst das Auto kaputtgehen könnte. "Ich wollte einfach das Risiko kalkulieren", wehrt sich Bottas, warum er nicht schneller gefahren ist.

"Ich wollte das Rennen unbedingt gewinnen", so der Finne. "Und mit den ganzen Umständen und Zuverlässigkeitssorgen möchte man natürlich nicht zu viel Risiko gehen, um vielleicht noch die letzten zwei Zehntelsekunden zu finden und über die Randsteine zu rumpeln. Am Ende falle ich dann in der letzten Runde aus - das wäre nicht ideal gewesen", sagt er.

Unter Gelb: Hamilton holt 1,6 Sekunden auf

Vor allem eine Aufnahme sorgte nach Spielberg noch einmal für Wirbel. In dieser war zu sehen, dass Hamilton innerhalb kürzester Zeit den Rückstand von 2,1 Sekunden auf 0,5 Sekunden verringerte - und das unter doppelt geschwenkter gelber Flagge.

War Hamilton unter Gelb zu schnell oder wollte Bottas Hamilton absichtlich einbremsen? Schließlich waren danach nur noch zwei Runden zu fahren. Doch Mercedes behauptet: weder noch.

Hamilton war in jener Runde mehr als eine halbe Sekunde langsamer als in der Runde zuvor und ist somit vom Gas gegangen. Bottas hat es in dieser Hinsicht jedoch übertrieben und war satte 2,4 Sekunden langsamer als im Umlauf zuvor.

"Wenn man in Führung ist, dann will man jedes Risiko minimieren", erklärt Bottas, der so eine Strafe um jeden Preis vermeiden wollte. "Man muss bei doppelt Gelb mindestens eine halbe Sekunde verlangsamen - idealerweise mehr."

Wolff & Hamilton: Keine Spielchen von Bottas

Dass Bottas damit Hamilton einbremsen wollte, kann sich Toto Wolff nicht vorstellen: "Valtteri hatte keine Ahnung, was hinter ihm los ist", winkt er ab. "Er hat nicht gebremst, aber es gab doppelt Gelb und er wollte sicherstellen, dass er da auf der sicheren Seite ist."

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Hamilton ist sich sicher, dass Bottas keine Spielchen spielt Zoom Download

"Natürlich könnte man sagen, dass wir das Podium behalten hätten, wenn sie bis zum Ende gepusht hätten", so Wolff weiter. "Aber als Fahrer weißt du nicht, was hinter dir abgeht. Du siehst einfach nur, dass dein Teamkollege auf einem sicheren zweiten Platz ist."

Auch Hamilton selbst kann sich nicht vorstellen, dass sein Teamkollege mit faulen Tricks spielen würde: "Ich kenne Valtteri vermutlich besser als viele andere. Diese Gedanken habe ich gar nicht. Ich weiß, dass er so etwas nicht machen würde", betont er. "Er ist ein echter Racer und möchte aus eigener Kraft gewinnen. Ich glaube ihm das, das muss er nicht einmal sagen."

Stallorder? "Werd nicht paranoid!"

Doch das war nicht das einzige Thema, das bei Mercedes für Aufsehen sorgte. Zwischenzeitlich gab es einige Funksprüche an die Piloten, die mit der Zuverlässigkeit der Boliden zu tun hatten. Dabei war unter anderem die Message "urgent chassis default 2.1" zu hören, was viele durchaus an Red Bulls "Multi 21" erinnert hat - eine versteckte Stallorder damals zwischen Sebastian Vettel und Mark Webber.

Auch diesmal eine Stallorder für die Mercedes-Piloten? "Werd nicht paranoid! Das hat nichts mit Multi 21 zu tun", stellt Wolff auf Nachfrage klar. "So haben wir nie gespielt. Wenn es kein Problem an einem Auto gibt, würden wir in den ersten Rennen einer Saison nie in den Kampf eingreifen", betont er. "Sie konnten komplett frei gegeneinander fahren."

Tatsächlich hat Mercedes beiden Fahrern im Rennen die exakt gleichen Nachrichten ins Auto gegeben. Das heißt bei einem Code wie "Multi21" zwar nicht automatisch, dass es keine Stallorder gibt, in diesem Fall sei es aber wirklich rein um die Zuverlässigkeit gegangen.

"Wir haben die Motoren zum Schutz heruntergedreht, weil es zu dem Zeitpunkt keinen Gegner gab. Es gab keine, null Teamorder", so Wolff. "Keine versteckte, keine subtile und keine direkte."

Hamilton: Safety-Car macht Strategie zunichte

Für Hamilton bedeutete das, dass er aus eigener Kraft vorbeikommen musste. Die Chancen darauf waren aus seiner Sicht aber sehr gering. Denn zu dem Zeitpunkt waren beide Mercedes-Piloten auf exakt den gleichen Reifen unterwegs - den harten. Mit diesen konnten beide das Rennen zu Ende fahren, was Hamilton ärgerte.


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Denn Mercedes hatte beide Fahrer in der ersten Safety-Car-Phase gleichzeitig zum Reifenwechsel geholt und ihnen die gleichen Reifen gegeben. Wäre es nach Hamilton gegangen, dann hätte er eine andere Strategie gewählt.

Schon das Safety-Car überhaupt sei aus seiner Sicht unglücklich gewesen: "Ich habe Valtteri zu dem Zeitpunkt gejagt. Und es war genau die Zeit, in der seine Reifen abgefallen sind. Ich konnte sehen, wie ich in jeder Runde aufhole" schildert Hamilton. "Und dann kam das Safety-Car und hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht ..."

Anweisung ans Team verpasst

Denn eigentlich wollte Hamilton seinen Stint ausdehnen, um dann mit anderen Reifen angreifen zu können. Anders hätte er keinen Weg an Bottas vorbei gesehen. "Wenn ich hinten bin, will ich immer Risiko eingehen", sagt er. "Aber das hat nicht funktioniert, und das war mein Problem."

Im Nachhinein hätte Hamilton auch beim gleichzeitigen Stopp gerne die anderen Reifen genommen - in dem Fall den Medium gegenüber Bottas' harten Reifen. Doch weil beide gleichzeitig in die Box kamen, wusste er nicht, wer welchen Reifen bekommt. "Ich hatte einfach nicht daran gedacht", sagt er.

"Ich habe angenommen, dass sie uns auf Hard setzen, weil noch so viel zu fahren war und der härtere Reifen auf die längere Distanz besser wäre", so Hamilton, "aber wie gesagt gehe ich gerne Risiken ein. Aber ich habe ihnen keine Anweisung gegeben, was ich normalerweise vor einem Stopp tue. Aber durch das Safety-Car haben andere Dinge plötzlich reingespielt und ich habe es nicht gemacht - aber es ist okay."

Bottas: Keine Spannungen im Team

Und so kam es am Ende zum Sieg von Valtteri Bottas und einem etwas unglücklichen vierten Platz von Lewis Hamilton, der auch durch Bottas' (unabsichtliches) Zutun so entstanden ist.

Für Zwist im Team sorgt das aber nicht: "Manchmal hat man einfach Pech. In der Formel 1 können viele Dinge passieren, und manchmal laufen die Dinge eben wie sie laufen", sagt Bottas. Man sei das Rennen aus Sicht beider Piloten noch einmal durchgegangen - ohne Spannungen.

"Lewis hat eine Menge Erfahrung. Er weiß, dass Dinge passieren können. Keine Spannungen", betont der Finne. "Am Ende haben wir ein gutes Ergebnis für das Team geholt. Natürlich hätte es vielleicht besser sein können, aber wir führen in der Konstrukteurswertung und ich habe das Rennen gewonnen. Der Start in die Saison hätte also deutlich schlechter laufen können."

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