"Zu sehr reingesteigert": Ricciardo von Bottas-Staubwolke irritiert
Renault-Pilot Daniel Ricciardo beschwert sich im Qualifying zum Grand Prix von Österreich über Valtteri Bottas, revidiert aber später seine Meinung
(Motorsport-Total.com) - "Ich weiß nicht, warum dort eine gelbe Flagge war. Er ist auf der Strecke geblieben, das war scheiße. Er ist nicht ausgeritten." So reagierte Daniel Ricciardo im ersten Moment auf die Staubwolke im letzten Qualifying-Abschnitt zum Grand Prix von Österreich. Der Australier war knapp hinter Valtteri Bottas auf seiner schnellen Runde unterwegs - und daher dementsprechend verärgert.
Im Nachhinein muss er seinen Funkspruch revidieren. Bottas war tatsächlich in seinem letzten Q3-Versuch von der Strecke nach der Rauch-Kurve abgekommen und ins Kiesbett geschlittert. Ricciardo, der zu diesem Zeitpunkt nur wenige Meter hinter den Mercedes-Autos lag, fuhr auf seiner einzig schnellen Runde mitten durch die Staubwolke.
"Ich habe mich vielleicht zu sehr reingesteigert", gibt er nach dem Qualifying zu. "Ich hatte Staub gesehen. Ich vermutete aber, da war jemand einfach mit seinem Hinterrad [über den Randstein] hinausgekommen." Das sei in Kurve 4 durchaus möglich.
Ricciardo: "Dachte, man hatte überreagiert"
"Und dann sah ich gelbe Flaggen und dachte, man hatte überreagiert, weil jemand nur leicht von der Strecke abgekommen war. Offensichtlich aber ist [Bottas] wirklich abgeflogen. Das hatte ich nicht gesehen", so Ricciardo nach dem Zeittraining kleinlaut.
Da er in Q3 nur einen Versuch am Ende wagte und alles auf diese eine schnelle Runde setzte, verpokerte er sich. Mit einer Rundenzeit von 1:04.239 Minuten reiht er sich auf dem zehnten Rang ein, damit war er um zwei Zehntelsekunden langsamer als in Q2.
"Wenn es so war, dann hatte ich eben Pech." Der zehnte Platz spiegle jedenfalls nicht die Renault-Pace des Wochenendes wider, findet Ricciardo. Er glaubt, dass er ohne die Gelbphase am Ende auf Platz sieben gelandet wäre. Dafür hätte er die Rundenzeit von Charles Leclerc (1:03.923 Minuten) schlagen müssen.
"Daher bin ich ein wenig frustriert, aber es lag außerhalb unserer Kontrolle, und solche Dinge passieren. Zuerst war ich frustriert, aber es war alles gut, und ich denke, das Positive ist, dass das Auto auf jeden Fall besser ist."
Das zeigt auch der Vergleich zum Vorjahr: Im Qualifying 2019 ist Ricciardo eine Zeit von 1:04.790 Minuten gefahren. Er steigerte sich um mehr als eine halbe Sekunde. Das bestätigt auch sein Gefühl im Wagen, auf der Hinterachse habe er deutlich mehr Grip. Das große Update scheint zu wirken.
Nur eines hätte er anders gemacht: Statt in Q2 bereits zwei Runs zu fahren, hätte Ricciardo eine Reifenmischung für einen zweiten Versuch in Q3 aufgespart. "Das hätte uns eine zweite Chance gegeben."
Ricciardo bedankt sich für "robusten" R.S.20
Der leitende Renault-Renningenieur, Ciaron Pilbeam, fasst zusammen: "Das Ergebnis war nicht wirklich das, was wir uns vorgenommen haben. Dennoch sind wir in einer Position, in der wir morgen Punkte holen können. Daniel hatte in Q3 auf seiner schnellen Runde auf frischen Reifen vom Gas gehen müssen aufgrund der gelben Flagge."
Daher habe der Australier seine Zeit unmöglich verbessern können. "Wir sollten etwas besser sein als Platz zehn", findet Ricciardo. Teamkollege Esteban Ocon war wie schon am Freitag langsamer als der Teamleader. Mit einer Rundenzeit von 1:04.643 fehlen dem Franzosen in seinem Comeback-Qualifying satte vier Zehntelsekunden auf seinen Teamkollegen.
Wäre Ricciardo eine optimale Runde gelungen, würde der Rückstand wohl noch größer ausfallen. "Zu Esteban kann ich im Moment nichts sagen", wundert sich Ricciardo über die schwache Pace von Ocon. Er mutmaßt, dass dem Rückkehrer womöglich ein Fehler unterlaufen sein könnte.
"Die Runde hier ist so kurz. Ein Fehler, und dann tust du dich schwer, diesen Fehler wieder wettzumachen. Du kannst aber auch nicht einfach rumfahren, weil es so wenige Kurven gibt. Das macht es ziemlich schwierig, es richtig zu treffen", erklärt der Quali-Zehnte.
Aber auch Ricciardo selbst blieb nicht fehlerlos. Im ersten Qualifying-Abschnitt ritt er in Kurve 6 über die Randsteine ins Kiesbett aus, weil er zu ambitioniert ans Gas ging. "Ich habe in Q1 ziemlich viel Randstein mitgenommen, aber das Auto ist dabei nicht auseinandergefallen", schmunzelt er.
Im Nachhinein weiß er: "Ich hätte da leicht schon raus sein können, mit gebrochenem Querlenker oder so. Das Team hat das Auto aber robust gebaut, also danke dafür." Bei einer ähnlichen Situation am Freitag brach ein Teil der Windabweiser an Ocons Auto.
Ocon ratlos: "Weiß nicht, wo der große Abstand herkommt"
Am Samstag blieb aber auch der R.S.20 des Franzosen heil. Dennoch ist er nicht zufrieden. Platz 14 sei nicht das gewesen, was er sich vorgestellt habe. "Ich weiß, dass wir es besser hätten machen können", zeigt sich Ocon nach dem Qualifying selbstkritisch.
Er spricht von "ein paar kleinen Details", die man nicht richtig hinbekommen habe für das Zeittraining. Wirklich erklären kann er sich den Rückstand aber nicht. "Ich weiß nicht, wo dieser große Abstand herkommt, ehrlich gesagt", funkt Ocon kurz nach seiner letzten Q2-Runde.
"Das war eigentlich eine saubere Runde. Vielleicht hätte ich noch ein Zehntel finden können, aber ich verstehe nicht, wie es zu so einem großen Abstand kommt." Der Renault-Pilot hat bereits am Freitag im Shortrun ein wenig gestrauchelt und konnte den Anschluss an die Ricciardo-Pace nicht finden.
"Wir müssen uns das genau ansehen, denn der Abstand zu jener Zeit, die ich fahren wollte, ist schon recht groß", lautet Ocons Fazit. "Das war heute nicht gut genug, aber morgen möchte ich stärker zurückschlagen."
Pilbeam wirft ein: "Bei Esteban ist der Fall eingetreten, dass er nicht alles richtig zusammenbekommen hat. Außerdem hat ihm Windschatten auf seiner Q2-Runde gefehlt. Das hat ihm wohl ein bisschen Zeit gekostet", so der Renningenieur.
Einziger Vorteil für Ocon: Er kann sich auf Startplatz 14 seine Reifen für den ersten Stint frei aussuchen, Ricciardo muss hingegen auf den gebrauchten weichen Pneus starten. "Wir haben ein paar Strategieoptionen morgen", weiß Pilbeam.
Diese Optionen hat auch Sebastian Vettel von Platz elf im Ferrari, er steht direkt hinter Ricciardo. Fürchtet der Australier seinen ehemaligen Teamkollegen? "Ich habe mich dieses Wochenende nicht so sehr mit den Longruns beschäftigt. Man würde erwarten, dass sie im Longrun ein bisschen besser aussehen. Klar ist: Derzeit sind sie nicht superschnell."
Ab Position vier (Lando Norris) sei alles "ziemlich eng" zusammen, findet Ricciardo. "Da liegen acht bis zehn Fahrer innerhalb von ein bis zwei Zehntel im Renntrimm. Hoffentlich wird es also lustig im Rennen." Sein Ziel: "Ich denke, wir können in die Top 8 fahren, das ist realistisch. Oder vielleicht sogar noch besser sein."