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Mercedes hat mit DAS-Protest gerechnet: "Mal sehen, wer sich durchsetzt"
Red Bull hat offiziell Protest gegen das DAS-System von Mercedes am Trainingsfreitag in Österreich eingelegt - Toto Wolff bleibt gelassen - Ein Ausbau hätte gar Vorteile!
(Motorsport-Total.com) - Mercedes wird der Favoritenrolle am ersten Trainingsfreitag der Formel-1-Saison 2020 (F1 2020 live im Paddock-Ticker!) gerecht. Lewis Hamilton und Valtteri Bottas belegen im ersten und zweiten Freien Training die ersten beiden Ränge, der Weltmeister gibt mit der Tagesbestzeit in 1:04.304 Minuten den Ton an. Allerdings droht dem Weltmeisterteam Ärger, da Konkurrent Red Bull offiziell Protest gegen das DAS-Lenksystem bei der FIA eingebracht hat.
"Ich denke, das wird heute noch protestiert werden", prophezeit Mercedes-Teamchef Toto Wolff den Schritt von Red Bull nach dem zweiten Freien Training bereits im 'ORF'-Interview. Der Österreicher hat bereits mit einer solchen Maßnahme gerechnet. "Dann kommt es zu einer Klarstellung der FIA", ist er froh.
Nachsatz: "Dann werden wir mal sehen, welches Argument sich durchsetzt." Offiziell hat Red Bull laut FIA-Mitteilung Protest auf Grundlage der Artikel 3.8 und 10.2.3 des Technischen Reglements eingereicht. In diesen Passagen wird zum einen die Einflussnahme auf die Aerodynamik genau geregelt. Außerdem steht festgeschrieben: "Während der Fahrt darf keine Einstellung an einem Aufhängungssystem vorgenommen werden."
FIA hat "widerwillig" zugegeben: DAS legal
Mercedes hatte das neuartige Lenksystem der FIA bereits im Vorjahr präsentiert. Während das Team das System eben als Teil der Lenkung ansieht, argumentiert Red Bull, dass es sich dabei um einen Teil der Aufhängung handelt. Die jeweilige Auslegung ist dabei entscheidend.
Laut 'auto motor und sport' haben die Bullen ein ähnliches System entwickelt. Mit dem Protest will man also sicherstellen, was erlaubt ist und was nicht. Sollte die FIA grünes Licht geben, könnte auch Red Bull noch in diesem Jahr ein DAS-System einsetzen. Für 2021 ist es schließlich bereits verboten worden.
Mercedes-Technikchef James Allison erzählte während der vorgezogenen Sommerpause in einem Videointerview: "Wir haben der FIA unsere Idee gezeigt und erklärt, warum wir sie für legal halten. Und widerwillig haben sie zugestimmt, dass eine doppelachsige Lenkung legal ist."
Nur die Umsetzung habe dem Weltverband nicht gefallen, weshalb die Ingenieure in der Winterpause eine neue Lösung konzipiert haben. Bei den Wintertests in Barcelona staunte die Konkurrenz schließlich nicht schlecht, als Hamilton und Bottas plötzlich am Lenkrad zogen und sich dadurch die Spur der Vorderräder veränderte.
Seither hatte die Weltmeistermannschaft keine Möglichkeit mehr, das System zu testen. Erst in den Freitagstrainings in Spielberg sah man die Piloten erneut am Lenkrad ziehen. Laut Teamchef Wolff haben Hamilton und Bottas von ihren Ingenieuren genaue Anweisungen bekommen, wie sie DAS am effektivsten einsetzen können.
In der Onboard-Aufnahme des Finnen war zu sehen, wie er sein Lenkrad nach Kurve 4 herauszog und DAS in den zwei Linkskurven im Mittelteil des Red-Bull-Rings einsetzte. Das verwunderte einige Beobachte, unter anderem auch TV-Experten Alexander Wurz im 'ORF'. Laut dem GPDA-Präsidenten habe die Probe von Bottas eher wie ein "Funktionstest" ausgesehen.
In den Wintertests war das System vor allem auf den Geraden zum Einsatz gekommen. "Vielleicht macht es auf der Geraden mit den 870 Metern hinauf zu Kurve 3 nicht so viel Unterschied", mutmaßt Wurz. Er hat eine andere Theorie: "Vielleicht versuchen sie es nur in den beiden Linkskurven einzusetzen, weil der rechte Reifen nicht ganz so heiß ist wie der linke."
Indem die Fahrer die Spur verstellen, erzeugen sie mehr Reibung, wodurch die Temperatur in den Vorderreifen verändert werden kann, so Wurz. "Die Spur ist nur ein fahrzeugdynamisches Hilfsmittel. Das kann man entweder für Temperatur, Grip oder Topspeed einstellen."
DAS "am effektivsten" hinter dem Safety-Car?
Teamchef Wolff lässt durchblicken, dass sein Landsmann mit jener Theorie recht haben könnte: "[Am effektivsten] wird es nicht im Rennen sein, sondern wahrscheinlich in einer Aufwärmrunde oder in einer Runde hinter dem Safety-Car." Das deutet darauf hin, dass Mercedes über das DAS Reifenmanagement betreibt.
Generell will das Weltmeisterteam dem System aber keinen großen Vorteil zuschreiben. Wolff betont, dass das Lenksystem nicht so viel bringen werde, "wie alle glauben". Er spricht von "marginalen Zugewinnen". Die Performance hänge schließlich im Rennsport immer von sehr vielen Faktoren ab.
In der Geschichte der Formel 1 habe es bisher nur einmal eine technische Innovation gegeben, die tatsächlich bahnbrechend war: "Das war der Doppeldiffusor", erinnert der Wiener an die Saison 2009, als BrawnGP mit Jenson Button aus dem Nichts dank der Innovation Weltmeister wurde.
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DAS ist hingegen vielmehr eine Komponente von vielen, die Mercedes wieder zum Klassenbesten machen soll. "Es hilft mit Sicherheit beim Thema Reifentemperatur, aber wenn es rausgenommen wird, dann haben wir einen massiven Gewichtsvorteil", schildert Wolff.
Ein erfolgreicher Protest der Konkurrenz bedeutet demnach nicht unbedingt einen Performancenachteil für die schwarzen Silberpfeile. "DAS wiegt ein paar Kilo und das an einer Stelle, wo es relativ ungünstig liegt mit einem hohen Schwerpunkt." Müsste Mercedes DAS also bereits für die bevorstehenden Rennen wieder ausbauen, wäre das "nicht ganz so schlimm", schätzt der Teamchef.
Auch ohne die exzessive Nutzung des neuartigen Systems konnten Hamilton und Bottas in Österreich problemlos die Spitze einnehmen und das Feld hinter sich versammeln. Auf seiner schnellsten Runde schaffte der Weltmeister eine Rundenzeit von 1:04.304 Minuten, er distanzierte damit den drittplatzierten Racing-Point-Fahrer Sergio Perez bereits um sechseinhalb Zehntelsekunden.
Ausfall der Telemetrie - Getriebeproblem bei Bottas
Das Team berichtet von einem problemlosen Freitag, der "besser als erwartet" verlaufen sei. Während Ferrari (fehlende Power) und Red Bull (Dreher) zu kämpfen hatten, schien Mercedes unbeeindruckt von der außergewöhnlichen Situation nahtlos an die Performance der Wintertests anknüpfen zu können.
Das beeindruckt auch den Experten. "Man sieht, dass er einmal einlenkt. Das Auto beginnt über alle vier Räder zu rutschen, der Fahrer fühlt sich wohl und er muss nicht nachjustieren", kommentiert Wurz im 'ORF' die schnellste Runde von Hamilton in Spielberg. Das bedeutet: Der Grip auf Vorder- und Hinterachse ist gleich, die Fahrzeugbalance stimmt. "Das ist für einen Fahrer ein Traum."
Nicht nur auf einer Runde hat Mercedes den Ton angegeben, auch im Longrun in der zweiten Hälfte des zweiten Trainings war das Team in einer eigenen Liga zu finden. Mit konstant niedrigen 1:08er-Rundenzeiten konnte sich Hamilton vom restlichen Feld absetzen.
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Dennoch: Ganz problemlos verlief der Tag auch für den Favoriten nicht. "Bei Lewis gab es zu Beginn des zweiten Trainings einen Ausfall der Telemetrie, der uns aufgehalten hat", verrät Andrew Shovlin. Hamilton selbst ist zufrieden mit seiner Leistung am Freitag: "Positiv ist, dass sich das Auto heute gut angefühlt hat und dass wir das Auto im Vergleich zum letzten Jahr weiter verbessert haben."
Er weiß: "Es sieht definitiv gut aus, aber man sollte nie zu viel ins Training reinlesen." Hamilton betont: "Wir bleiben vorsichtig und werden versuchen, das Auto über Nacht zu verbessern." Nachbessern muss das Team jedenfalls auf der anderen Seite der Garage.
Denn: "Valtteri musste wegen eines Getriebeproblems vorzeitig aufhören. Dieses Problem sehen wir uns gerade an, im Moment kennen wir die Ursache aber noch nicht", berichtet Shovlin. Bottas hatte gegen Ende des zweiten Trainings gefunkt, er könne keine Gänge mehr einlegen. Deshalb kam er vorzeitig an die Box.
Bottas auf der Suche nach der perfekten Balance
"Der Tag war ganz okay. Wir hatten ein paar kleinere Probleme am Ende, aber abgesehen davon war es ein guter Tag. Es wurde immer besser und besser", freut sich der Finne. Und selbst der leitende Renningenieur ist ein wenig verwundert: "Die Strecke kam uns in den vergangenen Jahren nicht unbedingt entgegen, aber das Auto schien diesmal von Beginn an vernünftig zu funktionieren." Er stellt den Aero- und Motorenupdates ein gutes Zeugnis aus.
Für Samstag erwartet das Team eine höhere Streckentemperatur und mehr Grip. "Das bedeutet auf dieser Strecke meistens, dass wir das Set-up ändern müssen", prophezeit Bottas. "Für mich ist die Hauptsache, dass ich die Balance richtig einstelle, sowohl in schnellen wie auch langsamen Kurven."
Manchmal habe die Abstimmung am Freitag für langsame Kurven gepasst, manchmal für schnelle - "aber wir konnten noch nicht alles für eine gesamte Runde fein abstimmen". Das werde für die fliegende Runde am Samstag entscheidend sein.
Was kann Mercedes jetzt noch von einer Doppel-Pole am Samstag abhalten? "Unsere Pace schien heute konkurrenzfähig zu sein, aber wir wissen nicht, mit welchen Spritmengen und Motormodi die anderen Teams gefahren sind. Normalerweise wird es immer eng, wenn die Temperaturen ansteigen", gibt Shovlin zu bedenken.