• 19. November 2019 · 08:35 Uhr

Hamilton relativiert Gemecker: "Nichts, was ich hätte tun können"

Am Mercedes-Boxenfunk klingt Lewis Hamilton meistens nach einer echten "Meckertante", doch in der Öffentlichkeit sucht er nicht nach Ausreden

(Motorsport-Total.com) - Wer beim Grand Prix von Brasilien nur den Boxenfunk von Lewis Hamilton gehört hat, aber kein Bild dazu hatte, der wäre wohl kaum auf die Idee gekommen, dass der Mercedes-Pilot um den Sieg kämpft. Selbst TV-Kommentatoren machen sich inzwischen darüber lustig, dass der sechsmalige Weltmeister offenbar am schnellsten ist, wenn er meckert wie ein Rohrspatz.

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Weltmeister Lewis Hamilton mit seinem Renningenieur Peter Bonnington Zoom Download

Beim Rennen am Sonntag ging das schon vor dem Start los, als Hamilton wegen der Temperatur seiner Bremsen Bedenken äußerte. Als er später am Ende der Start-Ziel-Gerade von Max Verstappen überholt wurde und seiner Antriebseinheit dabei etwas die Luft ausging, fuhr er seinen Renningenieur Peter Bonnington an: "Kommt schon, Jungs! Ihr müsst mir schon sagen, wenn meine Batterie tot ist."

Später dann ortete er noch einen angeschlagenen Motor, im zweiten Stint war ihm der Reifensatz nicht gut genug, er klagte über den Wind auf der Strecke (was andere Fahrer auch taten) und schließlich noch darüber, dass Bernd Mayländer mit dem Safety-Car in seinen Augen viel zu langsam herumbummelte.

Aber kaum war er aus dem Auto gestiegen und der Puls wieder auf Normalniveau, wirkte Hamilton wie ausgewechselt. Er zeigte sich als fairer Sportsmann, gratulierte Verstappen anständig zum Sieg und entschuldigte sich bei Alexander Albon, den er in der vorletzten Runde umgedreht hatte - obwohl etwa Nico Rosberg findet, dass die Kollision nicht nur auf seine Kappe ging.

Hamilton fairer Verlierer: Red Bull war "einfach sehr schnell"

"Wir hatten bis zum Schluss einen engen Fight", sagt Hamilton. "Unterm Strich war es ein schwieriges Wochenende für uns, und es war nicht einfach, mit Max mitzuhalten. Die Red Bulls waren einfach sehr schnell, besonders in der zweiten Saisonhälfte. Ist bei denen ja öfter so."

"Mit ihm zu kämpfen, dabei konstant und ihm das ganze Rennen hindurch auf den Fersen zu bleiben, das war ... Ich habe wirklich alles gegeben. Dann lagen wir nach dem Boxenstopp vor ihm, aber ich wurde von einem Ferrari ein bisschen aufgehalten, und daraufhin zog er auf der Geraden einfach an mir vorbei. Da war nichts, was ich hätte tun können."

Es ist (aus Fahrersicht) ein Fluch der modernen Formel 1, dass die Kommunikation mit dem Renningenieur während des Rennens inzwischen im Live-TV ausgestrahlt wird. Und gerade Hamilton liefert dafür, wenn er im Eifer des Gefechts voll unter Strom steht, jede Menge Stoff.

Was wir nicht wissen: Ob nicht Ayrton Senna & Co. einst genauso geklungen hätten, als es die technischen Möglichkeiten, den Boxenfunk im TV auszustrahlen, noch nicht gab.

Reifen: Wäre Medium statt Soft besser gewesen?

Sebastian Vettel war zuletzt nicht einmal bewusst, dass der Podium-Raum live im TV gezeigt wird. Er wunderte sich darüber, dass man in Austin sehen konnte, wie er Hamilton zum sechsten Titel gratuliert hat. Die Fahrer sitzen während des Rennens im Cockpit. Und nicht alle schauen sich nachher Re-Lives der Grands Prix an.

Hamilton wechselte in Brasilien beim ersten Boxenstopp von Soft auf Soft. Eine Entscheidung, die er schon nach wenigen Runden in Frage stellte. Nach dem Rennen erwähnte er das von sich aus aber mit keinem Wort. Gejammert wird nur teamintern, nicht aber in der Öffentlichkeit. Das ist eine Qualität, die ihn als Sportsmann auszeichnet.

Er müsse erst darüber nachdenken, ob die Reifenentscheidung wirklich eine schlechte war, sagte er während der FIA-Pressekonferenz: "Als ich nach dem ersten Stopp wieder auf die Strecke kam, dachte ich, dass ich auf dem Medium sein sollte, weil der Unterschied nicht groß war." Pirelli hatte diesen am Freitagabend auf etwa 0,5 Sekunden pro Runde geschätzt.

Aber Hamilton will das gar nicht als Ausrede verstanden wissen: "Er hätte mich auf seiner Out-Lap so oder so überholt, weil ich auch auf einem anderen Reifen vom Ferrari aufgehalten worden wäre. Und vielleicht wäre es schwierig geworden, Max' Tempo zu halten, denn er hatte ja den Soft drauf."

"Wir haben alles gegeben, haben alles reingeworfen, was wir hatten. Letztendlich sind es genau diese Kämpfe, für die wir das hier tun. Und ich hoffe, dass wir noch viele großartige Rennen wie dieses austragen werden", sagt Hamilton.

Das klingt dann ganz und gar nicht mehr nach "Meckertante" ...

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