Formel 1 Brasilien 2019: Hat Ferrari am Freitag nur geblufft?
Lewis Hamilton und Max Verstappen hängen Ferrari im Abschlusstraining in Sao Paulo deutlich ab - Helmut Marko lässt bezüglich Ferrari-Motor nicht locker
(Motorsport-Total.com) - Das Ferrari-Team hat seine starke Form nach der Doppel-Bestzeit am Freitag im Abschlusstraining am Samstagmorgen in Interlagos (Sao Paulo) nicht bestätigen können. Charles Leclerc und Sebastian Vettel belegten mit drei Zehntelsekunden Rückstand auf die Spitze - auf einer so kurzen Strecke eine Menge Holz - "nur" die Positionen drei und vier.
Das Abschneiden der Scuderia wird in Sao Paulo mit Argusaugen beobachtet, steht doch der Verdacht im Raum, dass die bis dahin angeblich illegalen Motoren nach einer technischen FIA-Richtlinie seit Austin zurückgerüstet werden mussten. Etwas, was Teamchef Mattia Binotto bisher energisch dementiert.
Nach dem Freitagstraining sah es so aus, als sei Austin tatsächlich ein von der Motorendiskussion losgelöster Ausrutscher gewesen. Aber Helmut Marko hatte schon da vermutet, dass Ferrari den Motor am Freitag mehr als sonst aufgedreht hat, um schnelle Zeiten zu setzen und die Diskussionen zu beruhigen.
"Wenn ich Ferrari wäre, würde ich alles daran setzen, den anderen auf den Geraden davonzufahren. Sonst glauben alle, dass sie tricksen", sagte der Red-Bull-Motorsportkonsulent am Freitag zu 'auto motor und sport'. "Interessant wird deshalb sein, was wir am Samstag sehen."
Ferrari nur noch im dritten Sektor voran
Und da bietet sich zumindest vorerst ein ganz anderes Bild: Im ersten Sektor fuhr nicht Ferrari, sondern Max Verstappen Bestzeit, und im dritten betrug Leclercs Vorsprung auf Verstappen weniger als zwei Hundertstelsekunden. Red-Bull-Teamchef Christian Horner sagt trotzdem: "Ferrari ist auf den Geraden ballistisch schnell!"
In den Kurven wiederum war Lewis Hamilton eine Klasse für sich. Der Mercedes-Pilot stellte im FT3 eine Bestzeit von 1:08.320 Minuten auf und blieb damit um 0,026 Sekunden unter der Verstappen-Zeit. "Unser Auto läuft im Moment ganz gut", sagt Horner. "Aber das ist noch nicht das Qualifying."
Zu Ferraris Ehrenrettung sei festgehalten: Leclerc und Vettel fuhren ihre Bestzeiten vor Hamilton und Verstappen, als die Strecke womöglich noch weniger Grip aufgebaut hatte. Aber: "Ich glaube nicht, dass die Evolution der Strecke etwas damit zu tun hat. Ich glaube, Mercedes sieht einfach sehr stark aus", analysiert Formel-1-Experte Paul di Resta bei 'Sky Sports F1'.
Aber: Mercedes scheint vorerst ein Ein-Auto-Team zu sein. Valtteri Bottas verlor auf Hamilton 0,881 Sekunden und wurde Sechster, knapp eine Zehntelsekunde hinter Alexander Albon, der im Duell mit Verstappen ebenfalls auf verlorenem Posten steht.
0,2 Sekunden zwischen P9 und P16
Spannend geht's aufgrund der engen Zeitabstände im Mittelfeld zu. Wer eine gute Runde trifft, hat Chancen auf die Top 10. Das gelang heute Morgen Daniil Kwjat (7./Toro Rosso), Antonio Giovinazzi (8./Alfa Romeo) und den beiden McLaren-Fahrern. Abstand zwischen P9 (Norris) und P16 (Grosjean): nur 0,213 Sekunden!
Mittendrin in diesem Paket landete Nico Hülkenberg (13./Renault), der auf seiner schnellsten Runde keine Verbesserung im dritten Sektor schaffte. Ganz hinten wie immer die beiden Williams. Robert Kubica (20.) tritt heute mit einem neuen Chassis an. Das alte, das er am Freitag gecrasht hatte, konnte nicht repariert werden.
Interessant ist, dass in Interlagos offenbar unterschiedliche Philosophien zum Erfolg führen können. Ferrari setzt mit bis zu 341 km/h Topspeed (fünf km/h vor allen anderen!) auf flache Flügel. Von den beiden Mercedes-Piloten taucht hingegen keiner an irgendeinem der drei Topspeed-Messpunkte in den Top 6 auf. Das deutet auf steil eingestellte Flügel hin.
Das Qualifying zum Grand Prix von Brasilien beginnt um 19:00 Uhr MEZ. Motorsport-Total.com und Formel1.de sind ab 18:55 Uhr live im Qualifying-Ticker dabei. Der Ticker "Paddock live" der beiden Schwesterportale liefert ununterbrochen Infos direkt aus Interlagos - auch vor und nach dem Qualifying.