Nico Rosberg: Mercedes opferte Doppelsieg für weniger Stress
Nico Rosberg glaubt, dass Mercedes Lewis Hamilton ein zweites Mal reingeholt, um unangenehmen Diskussionen aus dem Weg zu gehen
(Motorsport-Total.com) - Valtteri Bottas als strahlender Sieger des Großen Preises von Japan 2019 nach einer überlegenen Fahrt - es hätte nicht zwangsläufig zu diesem Ergebnis kommen müssen. Nico Rosberg glaubt sogar, dass Mercedes einen möglichen Doppelsieg geopfert hat, um kein unangenehmes Gespräch mit den Fahrern führen zu müssen.
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War dieser Stopp wirklich nötig? Mercedes wollte Diskussionen aus dem Weg gehen, glaubt Rosberg Zoom Download
"Wenn sie Lewis draußen gelassen hätten, weiß ich nicht, wie es gelaufen wäre. Ich denke, er hätte gewonnen", sagt der Weltmeister von 2016 in seinem Vlog. "Ich denke nicht, dass Bottas ihn hätte überholen können. Denn Überholen ist auf dieser Strecke schwierig."
Doch dieses Szenario hätte Mercedes in eine sehr unangenehme Situation gebracht: Wie schon in Silverstone hätte Bottas einen möglichen Sieg durch die Strategie verloren. Damals war es virtuelles Safety-Car, diesmal wären es einfach die Umstände gewesen. "Mercedes hatte plötzlich ein Problem: Wie hätte man das vor den Fahrern rechtfertigen sollen?"
Die Alternative wäre gewesen, eine Stallorder anzuwenden und Hamilton hinter Bottas zu bringen. "Sie können aber dem WM-Führenden, der um seine Weltmeisterschaft kämpft, nicht sagen, dass er Bottas vorbeilassen soll. Mercedes hat sich da in eine Lose-Lose-Situation manövriert."
Ausgangspunkt: Vettels erster Stopp
Allerdings sei diese nicht von Mercedes heraufbeschworen worden. Den eigentlichen Stein ins Rollen gebracht hat nämlich Sebastian Vettel - und das schon viel früher im Rennen - am Ende des ersten Stints.
"Zunächst einmal haben wir Bottas an der Spitze. Er ist etwa vier Sekunden voraus. Dann kommt Vettel mit Hamilton im Schlepptau. Vettel musste in jedem Fall vor Hamilton stoppen. Sonst hätte Hamilton den Undercut gemacht und wäre mit Leichtigkeit vorbeigekommen. Dann wäre das Rennen für Vettel vorbei gewesen. Vettel muss also früh stoppen, um Hamilton zu covern."
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"Ab da macht es für Hamilton keinen Sinn mehr, zu stoppen. Seine einzige Chance ist jetzt, lang zu fahren. Bottas aber muss Vettel covern. Sonst würde er dem Undercut Vettels zum Opfer fallen."
"Bottas kommt also nächste Runde rein. Hamilton zwingt also Vettel an die Box und der Vettel-Stopp zwingt Bottas an die Box. Lewis fährt nun fünf Runden länger als Vettel und vier Runden länger als Bottas."
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"Jetzt wird es interessant: Weil Bottas so früh an der Box war, ist es für ihn unrealistisch, es bis zum Ende zu schaffen. Vettel und Bottas bleiben also bei zwei Stopps und kommen nochmal rein. Und plötzlich ist Lewis allein da draußen und fühlt sich auf den Mediums richtig wohl. Plötzlich realisieren alle, dass die Reifen womöglich gut genug sind, um bis zum Ende durchzufahren."
Das sei eine Folge der Tatsache gewesen, dass Mercedes zu diesem Zeitpunkt im Rennen wesentlich mehr Informationen hatte als zu Beginn. "Man lernt während des Rennens eine Menge hinzu", sagt Rosberg, der sich auf die Erfahrung aus 206 Formel-1-Rennen stützen kann.
Hamilton ein zweites Mal reinzuholen, hat aus teamstrategischer Sicht nur wenig Sinn gemacht: Vettel lag nach dem Hamilton-Stopp 20 Sekunden zurück bei noch 20 zu fahrenden Runden. Er hätte also eine Sekunde pro Runde aufholen müssen was er jedoch nicht tat. Er kam auf maximal 17 Sekunden heran. Hamiltons Zusatzstopp warf ihn jedoch fix hinter Vettel zurück.
"Ich denke, sie haben die Standardentscheidung getroffen, denn die war nach dem Rennen wesentlich leichter zu erklären. Das hat sie einen Doppelsieg gekostet", argumentiert Rosberg. "Es war eine schwere Entscheidung, aber sicherlich nachvollziehbar."
Er selbst hätte jedoch lieber gesehen, wie es mit einem Stopp ausgegangen wäre: "Hamilton sollte die Chance bekommen, das Beste aus der Einstoppstrategie zu machen. Er hat die Reifen ja entsprechend geschont. Das war sicherlich hart für Lewis, aber er dürfte darüber schnell hinwegkommen."