Hamilton kämpft mit stumpfen Waffen: "Ferrari hat einen Jet-Modus"
Mercedes verliert auch in Sotschi auf der Geraden mehrere Zehntel auf Ferrari - Trotzdem gelingt es Lewis Hamilton im Qualifying, Sebastian Vettel zu schlagen
(Motorsport-Total.com) - Im Qualifying zum Grand Prix von Russland hatte Mercedes einmal mehr keine Chance gegen Ferrari. "Das war eine wirklich harte Qualifying-Session, denn diese Jungs haben einfach einen verrückten Speed auf den Geraden", sagt Weltmeister Lewis Hamilton. "Sie haben ein neues Level erreicht. Es wurde immer über unseren 'Party-Mode' gesprochen, doch die haben noch etwas viel stärkeres - einen Jet-Modus."
Hamilton konnte den Rückstand auf Charles Leclerc auf 0,4 Sekunden reduzieren und noch Sebastian Vettel aus der ersten Startreihe verdrängen. Valtteri Bottas fehlte eine Sekunde auf die Pole-Zeit von Leclerc. Das bedeutete Rang fünf. Durch die Rückversetzung von Red-Bull-Pilot Max Verstappen rückt der Finne auf Startplatz vier in die zweite Reihe nach vor.
Vor allem die Runde von Hamilton kam zum Schluss überraschend, denn eigentlich sah alles danach aus, dass Ferrari die komplette erste Startreihe belegen würde. "Ich habe nicht erwartet, in die erste Reihe zu fahren, daher bin ich glücklich", schmunzelt der Brite. Seit Hockenheim starteten Hamilton und Mercedes nicht mehr von der Pole-Position.
"In der zweiten Saisonhälfte fühle ich mich im Auto immer wohler, obwohl wir im Vergleich zu ihnen etwas Performance verloren haben", so Hamilton. Er glaubt, dass er das Optimum herausholt. "Die letzten Runden wären für die Pole würdig gewesen, so wie sie zustande gekommen sind. Es geht darum, die perfekte Runde zu schaffen und ich komme dem immer näher. Aber der Rückstand ist immer noch recht groß. Trotzdem fühlt es sich gut an, es zwischen die beiden Ferraris geschafft zu haben."
Wolff: Mercedes fehlen sieben bis acht Zehntel auf der Geraden
Lob für die gute Runde zum Schluss gibt es von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Ja, ich freue mich wirklich sehr für das Team, weil er alles aus der Runde herausgeholt hat. Es ist schade für Valtteri, da auch er auf einer gute Runde unterwegs war." Der Finne kämpfte mit Übersteuern im dritten Sektor und ließ dort wegen überhitzter Hinterreifen viel Zeit liegen.
Klar war an den beiden Trainingstagen auch, dass Ferrari in Sotschi erneut die Oberhand hat und Mercedes nur die zweite oder dritte Kraft ist. "Die Ingenieure haben das Meiste rausgeholt aus unserem Paket an diesem Wochenende, aber gegen sieben oder acht Zehntel Rückstand auf den Geraden gibt es nur begrenzte Möglichkeiten", meint Wolff. "Daher bin ich glücklich mit dem Ergebnis."
Medium-Reifen: Andere Strategie im Rennen
In Q2 fuhren Hamilton und Bottas ihre schnelle Runde mit dem gelben Medium-Reifen. Damit werden sie auch als einzige Fahrer in den Top 10 ins Rennen starten. Der Rest startet mit Soft. Mercedes hat sich im Kampf gegen Ferrari für das Rennen eine andere strategische Option offengehalten. "Wir wissen, dass sie [Ferrari] am Wochenende mit weniger Luftwiderstand fahren, dann kommt noch ihre Power dazu", meint Hamilton. "Daher mussten wir etwas probieren."
"In den vergangenen Rennen hat man gesehen, dass wir fast immer hinten waren. Wir haben das Glück, eine andere Strategie wählen zu können. Das Team hat einen wirklich guten Job gemacht, uns in eine solche Position zu bringen. Das ist eine lange Gerade hier bis zu Kurve 1, das könnte nicht gerade der beste Start auf den härteren Reifen werden, aber ich werde versuchen, so viel Windschatten wie nur irgendwie möglich von Charles zu kriegen - wenn ich die Chance bekomme."
Ferrari hatte zuletzt aber auch sehr gute Starts. Und Hamilton muss beim langen Weg bis zum ersten Bremspunkt auch nach hinten aufpassen, wo Sebastian Vettel und Bottas im Windschatten ihre Chancen suchen werden. "Wenn wir in der erste Reihe wären, dann würden sie uns bis Kurve 2 ohnehin überholen", macht sich Bottas von Startplatz vier Hoffnungen. "So können wir immer noch um alles kämpfen. Außerdem starten wir mit den Medium-Reifen. Das könnte eine gute Sache sein."
Als Favorit gelten die Silberpfeile für das Sotschi-Rennen nicht. Das hat man im Mercedes-Lager auch erkannt. "Ja, wir müssen bescheiden bleiben", sagt Wolff zur Gesamtsituation. "Wir verlieren sieben bis acht Zehntel auf den Geraden. Das ist schon recht viel. Aber jetzt stellen wir uns auch dieser neuen Herausforderung und kämpfen. Wir werden alles geben." Seit Ungarn hat Mercedes nicht mehr gewonnen. In der Weltmeisterschaft ist der Vorsprung aber immer noch beruhigend groß.