• 06. September 2019 · 20:04 Uhr

Ferrari traut Bestzeiten nicht: "Das ist nicht das wahre Bild"

Charles Leclerc beglückt die Scuderia Ferrari am Trainingsfreitag in Monza mit zwei Bestzeiten - Doch Mercedes ist näher dran als erhofft - Binotto schreibt WM ab

(Motorsport-Total.com) - Die Scuderia Ferrari durfte sich beim Trainingsauftakt der Formel 1 in Monza über zwei Bestzeiten durch Charles Leclerc freuen. Doch die Freude ist getrübt, denn die beiden Ergebnisse würden nicht "das wahre Bild" zeigen, warnt der Monegasse. Er hatte nur 0,068 Sekunden Vorsprung vor Lewis Hamilton. Sebastian Vettel reihte sich in der Gesamtwertung dahinter auf Platz drei (+0,201 Sekunden) ein.

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Charles Leclerc will sich nicht auf den Freitagsergebnissen ausruhen Zoom Download

Ferrari geht als Favorit in das Heimrennen, doch der geringe Vorsprung von Leclerc auf Hamilton scheint Grund für Beunruhigung zu sein. Mercedes hat in der nassen zweiten Session nicht alles gezeigt. "Es ist schön, Schnellster zu sein. Aber ich glaube nicht, dass das heute das wahre Bild ist", meint der 21-Jährige.

"Ich rechne damit, dass Mercedes morgen sehr stark sein wird. Sie sind ihre schnellste Runde heute unter schwierigen Bedingungen gefahren, aber morgen werden die Bedingungen für alle gleich sein. Sie sind sehr schnell. Wir haben für morgen noch ein bisschen Arbeit."

Ferrari wird Schwächen nicht mehr beheben können

Hamilton selbst war überrascht, dass er so nahe an die Ferrari-Bestzeit heranfahren konnte. Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin bestätigt, dass das Team nicht alles gezeigt hat. "Wir wollten im Nassen kein Risiko eingehen. In der zweiten Session sind wir erst spät auf Softs rausgefahren, haben daher das beste Fenster verpasst."

Hamilton drängelte sich am Ende zwischen beide Ferraris, er war um 0,133 Sekunden schneller als Vettel. "War schon okay", resümiert der Deutsche, "aber ich glaube, wir können noch mehr aus dem Auto rausholen. Es war eine zerzauste Session."

Denn durch eine Rotphase wurde der Rhythmus unterbrochen, außerdem wollten alle Fahrer danach wieder auf die Strecke, als die Bedingungen halbwegs gut waren. "Das Wichtigste ist, dass wir ein paar gute Runden hatten und wissen, wo wir noch Schwächen haben. Auf die werden wir uns jetzt konzentrieren."

Schwächen, die das Team in dieser Saison wohl nicht mehr gänzlich ausmerzen kann, wie Teamchef Mattia Binotto zugeben muss. Obwohl der Rennstall in Belgien den ersten Saisonsieg einfahren konnte, und auch beim Heimrennen als Favorit gilt, müsse man realistisch bleiben.

Der SF90 schwächelt schließlich auf jenen Strecken, auf denen besonders viel Grip gefragt ist. "Das müssen wir verbessern. Denn immer wenn wir zu Strecken kommen, auf denen es viele Kurven gibt und wo maximaler Abtrieb gefragt ist, zeigen wir unsere größte Schwäche."

Ist es noch bis Ende dieser Saison möglich, diese Schwäche in den Griff zu bekommen? Binotto muss abwinken: "Ich denke nicht, weil der Abstand in diesem Bereich [auf Mercedes] zu groß ist. Können wir die Situation verbessern? Wir arbeiten natürlich daran."

Vettel: "Mercedes schläft nicht!"

Da die Regularien auch in der kommenden Saison stabil bleiben, sei es jedenfalls nicht verkehrt, noch in diesem Jahr viel Fleiß in die Weiterentwicklung zu stecken. Auf Motorenseite kamen die Piloten bereits am Freitag in den Genuss einer Neuerung.

Die neueste Ausbaustufe wurde pünktlich zum Heim-Grand-Prix fertiggestellt. "Ja, wir haben den neuen Antrieb bereits im ersten Training verwendet. Das ist ein normaler Prozess, wo man am Freitag sichergeht, dass alles ordentlich läuft." Das erste Fazit fällt positiv aus.

Warum sind die Roten dennoch nicht so überlegen, wie ursprünglich angenommen? "Die anderen sind auch schnell. Mercedes schläft nicht", kontert Vettel. Er gibt aber dennoch nicht auf. "Mit ein bisschen mehr Vertrauen geht da noch was. Es war keine saubere Session, ich glaube, da hat keiner eine perfekte Runde hingebracht. Ich weiß, dass ich noch was finden kann."


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Der Deutsche weiß, dass am Samstag der Windschatten in der Zeitenjagd eine große Bedeutung haben könnte. Bei Mercedes zog Valtteri Bottas Hamilton mit dieser Taktik auf P2. Die Frage lautet daher: Welcher Ferrari-Pilot wird zuerst auf die Strecke gehen?

"Weiß ich ehrlich gesagt im Moment nicht. Darüber muss ich erst mit dem Team reden", meint Leclerc darauf angesprochen. Auch Vettel weicht der Frage aus: "Wir werden sehen. Warten wir mal die Bedingungen ab, die Reifen, wie vorsichtig man in der Out-Lap fahren muss. Dann sehen wir weiter."

"Es ist immer schön, einen Windschatten zu haben. Es ist weniger schön, wenn man keinen hat. Aber so ist es hier halt." Ob Ferrari im Qualifying tatsächlich wieder einen solch großen Vorsprung herausfahren können wird wie in Belgien (mehr als sieben Zehntelsekunden), ist angesichts der Freitagsperformance fraglich.

Binotto: Ferrari braucht "perfektes Wochenende"

"Wenn du Schwächen hast, kannst du die normalerweise auf eine Runde besser kaschieren als im Longrun", erklärt der Heppenheimer. Das würde bedeuten, dass Ferrari vor allem vor dem Rennen Bedenken haben muss. Denn während die Roten auf einer Runde den Ton angeben, scheint im Longrun ein Dreikampf möglich.

"Du versuchst trotzdem, das Auto schneller zu machen. Es ist schon lange nicht mehr so, dass Renn- und Qualifying-Set-up zwei völlig gegensätzliche Dinge wären", klärt Vettel auf. Wird der viermalige Weltmeister ausgerechnet beim Heimrennen seines Teams den ersten Sieg 2019 feiern dürfen?

Derzeit scheint Leclerc wieder einen Hauch schneller zu sein, wie in Belgien auch wusste er die Zehntel auf seiner Seite. Ferrari wartet bereits seit 2010 auf einen Heimsieg, die Chancen standen schon länger nicht mehr so gut. "Ohne Zweifel sind die Erwartungen hoch."

Schließlich ist der Vollgasanteil von über 70 Prozent der größte im gesamten Kalender. Auf keiner anderen Rennstrecke kommt es so sehr auf den Motor an - Ferraris große Stärke in dieser Saison. "Wir wissen, dass unsere Stärke auf den Geraden liegt."

"Dennoch konnten wir das Rennen in Belgien mit nur einer Sekunde Vorsprung vor unseren Konkurrenten beenden. Es gibt also keinen Spielraum", weiß Binotto. Zwar wisse man um die große Chance eines Heimsieges, aber nur, wenn "wir ein perfektes Wochenende erwischen", glaubt der Teamchef.

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