Leclercs Achterbahnfahrt in Spa: Trauer, Rekord und Schumi-Erinnerungen
Achterbahnfahrt der Gefühle: Charles Leclerc musste am Samstag den Tod von Anthoine Hubert verarbeiten und holte einen Tag später seinen ersten Formel-1-Sieg
(Motorsport-Total.com) - Glück und Trauer liegen häufig ganz eng beieinander. Und so erlebte Charles Leclerc am Wochenende in Spa eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ausgerechnet einen Tag nach dem Tod von Formel-2-Pilot Anthoine Hubert feierte Leclerc seinen ersten Sieg in der Formel 1. Beide waren ungefähr im gleichen Alter und kannten sich bereits seit Kartzeiten. Eine emotionale Situation für den Monegassen.
"Natürlich ist es momentan sehr schwierig, irgendetwas zu genießen", erklärt Leclerc nach seinem Sieg bei 'Sky' und verrät: "Ich habe schon realisiert, dass es der Moment ist, auf den ich gewartet habe, seit ich mit dreieinhalb Jahren im Kart angefangen habe. Das ist eine lange Zeit. Aber wenn man die Umstände bedenkt, dann ist es insgesamt ein schwieriges Wochenende."
Rein sportlich gesehen war der Sieg, den Leclerc Hubert widmete, überfällig. Bereits in Bahrain hätte er im zweiten Saisonrennen gewinnen müssen, wenn ihn nicht die Technik im Stich gelassen hätte. Auch in Österreich sah der Ferrari-Pilot schon wie der Sieger aus, ehe er im Schlussspurt noch von Max Verstappen abgefangen wurde. Nun passierte es ausgerechnet in Spa.
Jüngster Ferrari-Sieger aller Zeiten
Für Leclerc keine unbekannte Situation. Bereits 2017 gewann er in Baku in der Formel 2, nachdem wenige Tage zuvor sein Vater verstorben war. Zwei Jahre zuvor hatte er bereits seinen guten Freund Jules Bianchi verloren. Leclerc scheint in der Lage zu sein, aus diesen emotionalen Situationen Kraft zu ziehen. Sein Triumph in Belgien ist ein weiterer Beleg dafür.
Und sein Sieg ist noch aus weiteren Gründen bemerkenswert. Mit gerade einmal 21 Jahren und 320 Tagen löste Leclerc Jacky Ickx als jüngsten Ferrari-Sieger in der Formel 1 ab. Der Belgier hatte diesen Rekord mit 23 Jahren und 188 Tagen über Jahrzehnte gehalten. Außerdem ist Leclerc der erste Formel-1-Pilot seit Michael Schumacher 1992, der seinen ersten Formel-1-Sieg in Spa holte.
Fotostrecke: Leclerc und Co.: Die jüngsten Ferrari-Sieger in der Formel 1
Platz 10: Kimi Räikkönen (27 Jahre, 152 Tage) - Australien 2007 Fotostrecke
"Ja, das wusste ich. Jemand aus dem Team hat es mir gestern erzählt", verrät Leclerc und erklärt: "Es ist großartig, und hoffentlich werde ich nur halb so viele Siege holen wie er in seiner Karriere! Aber das ist noch ein langer Weg. Es fühlt sich aber gut an, endlich den ersten Sieg zu haben." Denn obwohl Leclerc bislang eine starke Saison fährt, lastete der Druck, ein Rennen gewinnen zu müssen, irgendwie auf ihm.
"Ich habe während des ganzen Rennens nie daran gedacht, was in Bahrain passiert ist", verrät der 21-Jährige. Und auch das Spielberg-Szenario sei in den letzten Runden nicht in seinem Kopf gewesen. "In meiner Position habe ich mich einfach darauf konzentriert, Lewis so weit wie möglich von mir fernzuhalten", erklärt er. Der Mercedes-Pilot kam in der Schlussphase immer näher heran.
Der erste Sieg ist nur ein Zwischenschritt
"Wenn es einen Überholversuch gibt, dann denkt man eigentlich nicht vorher darüber nach. Man kümmert sich darum, wenn es passiert. Ich habe mich auf meine eigenen Dinge konzentriert", betont Leclerc. Unter anderem habe er mit "ziemlich viel Abbau an den Hinterreifen" zu kämpfen gehabt. "Damit hatte ich Probleme", erklärt er. Auf Hamilton habe er sich deswegen nicht konzentriert.
Doch natürlich entging auch ihm nicht, dass die Lücke immer kleiner und Hamilton in seinem Rückspiegel immer größer wurde. Am Ende hielt Leclerc dem Druck stand und brachte den Sieg ins Ziel - mit weniger als einer Sekunde Vorsprung. Ein weiterer emotionaler Faktor: Leclerc holte seinen ersten Sieg mit Ferrari, nachdem er bereits seit 2016 Teil der Ferrari Driver Academy war.
Fotostrecke: Belgien: Fahrernoten der Redaktion
Antonio Giovinazzi (5): Giovinazzi lag an neunter Stelle, als er bei Pouhon zu aggressiv über den Randstein fuhr und crashte. Unnötig, denn nach vorne fehlten sieben Sekunden auf Kwjat, und nach hinten hatte er zehn Puffer auf Hülkenberg. Das trübt ein ansonsten solides Rennwochenende erheblich. Fotostrecke
In seiner Debütsaison 2018 parkte man ihn noch bei der damaligen Sauber-Truppe, 2019 beförderte man ihn ins Werksteam. "Ich wurde im Team bestmöglich aufgenommen", berichtet er und erklärt: "Zum Glück spreche ich auch Italienisch, so wie die meisten Leute im Team. Das hilft. Aber weil ich aus der Academy komme, kannte ich die meisten Leute sowieso schon, als ich herkam."
"Es ist großartig, jetzt mit ihnen zu arbeiten", so Leclerc, für den der erste Sieg lediglich ein Zwischenschritt ist. Sein großes Ziel ist klar. Er möchte eines Tages Weltmeister mit der Scuderia werden. 2019 ist es dafür noch zu früh. Doch schon im kommenden Jahr könnte Leclerc erstmals ein echter Titelanwärter sein. Es bleibt ihm zu wünschen, dass ihm weitere Schicksalsschläge auf dem Weg dorthin erspart bleiben.