"Longruns zu schlecht": Vettel sieht Ferrari nicht in Favoritenrolle
Trotz über acht Zehntel Vorsprung ist Ferrari für Sebastian Vettel in Spa nicht Favorit: Wieso Charles Leclerc so viel schneller war und wie man an der Aerodynamik feilt
(Motorsport-Total.com) - Starker Trainingsauftakt für Ferrari in Spa-Francorchamps: Die Roten aus Maranello belegten ein Jahr nach dem bislang letzten Ferrari-Triumph in beiden Sessions die ersten zwei Plätze und stellten durch Charles Leclerc in 1:44.123 die Freitag-Bestzeit auf. Der Monegasse war am Nachmittag um 0,630 Sekunden schneller als Teamkollege Sebastian Vettel, Valtteri Bottas im Mercedes fehlten auf Platz drei bereits 0,846.
Ist Ferrari durch den stärksten Motor im Feld, der sich im ersten und dritten Sektor auszahlt, überhaupt zu schlagen? "Im zweiten Sektor ist Mercedes sehr stark", wirft Leclerc ein. "Morgen werden sie auch den Motor aufdrehen, also werden sie im ersten und dritten Sektor nicht so weit weg sein." Der Ferrari-Youngster rechnet also damit, dass die Silberpfeile nachlegen werden.
Und auch in den Vorsprung auf Vettel am Nachmittag sollte man laut Leclerc nicht zu viel hineininterpretieren. "Ich hatte im ersten Sektor einen guten Windschatten, also bin ich ziemlich sicher, dass es auch mit ihm ein enger Kampf wird", erklärt er gegenüber 'Sky Sports F1'. Dazu kommt, dass Vettel in seiner schnellsten Runde in der Bus-Stop-Schikane einen Fehler hatte.
Nachholbedarf in den Longruns
Das erklärt auch, warum der viermalige Weltmeister mit seiner Zeit aus dem ersten Training, in dem er Schnellster war, nur 0,451 Sekunden Rückstand hat. Außerdem scheint Ferrari nur auf eine Runde überlegen zu sein. Bei den Longruns sah Red Bull mit Max Verstappen teilweise deutlich besser aus.
"Das Qualifying-Tempo war sehr stark, das Renntempo ein bisschen weniger", bestätigt Leclerc. "Wir müssen also am Renntempo arbeiten, auch wenn es in Ordnung aussieht." Das sieht Vettel nicht anders. "Auf eine Runde ist es nicht schlecht, aber im Longrun haben wir uns ein bisschen schwergetan", erklärt er.
"Insgesamt ist vielleicht der Rhythmus noch nicht ganz perfekt. Wir können und müssen uns noch steigern. Aber es war kein schlechter Auftakt heute." Ob er sich als Favorit sehe? Nein", antwortet der Heppenheimer. Warum nicht? "Weil die Longruns zu schlecht waren."
Vettel traut starken Freitagen nicht mehr
Und weil man mit Freitag-Bestzeiten überhaupt vorsichtig sein müsse. "Es ist nicht der erste Freitag, an dem es gut für uns ausschaut", weiß er. "Wahrscheinlich wird es auch am Samstag-Morgen gut für uns aussehen, aber dann werden wir sehen, was am Samstag-Nachmittag passiert. Für mich ist da noch nichts in Stein gemeißelt. Wichtig ist, dass es am Sonntag passt."
Die Laune passt bei Vettel trotzdem, wie er klarstellt: "Ich freue mich, dass ich wieder im Auto sitze. Und hier zu fahren, macht immer Spaß. Das macht viel mehr Spaß als auf vielen anderen Strecken."
Vergleichstest im ersten Training
Und das, obwohl Vettel im ersten Training Aero-Tests durchführen musste: Ferrari hat nämlich ein Paket für viel und eines für wenig Abtrieb nach Belgien mitgebracht, das aus einem neuen Front- und Heckflügel besteht.
Vor allem der neue Frontflügel, der über einen schmäleren oberen Flap verfügt, um für weniger Luftwiderstand zu sorgen, war zunächst im Fokus der Ingenieure. Charles Leclerc wurde zuerst mit dem neuen Flügel ausgerüstet, während Vettel gleichzeitig mit dem High-Downforce-Paket unterwegs war. Die beiden fuhren Vergleichstests.
So überprüft Ferrari Korrelation
Danach wurde getauscht, damit beide Piloten ihre Schlüsse ziehen konnten. Zudem brachte die Scuderia komplexe Messvorrichtungen an der Nase von Vettels Auto an, um Daten zu sammeln, wie sich der neue Frontflügel auf den Luftstrom des Autos auswirkt.
Außerdem wurden über kleine Messsonden hinter dem Frontflügel die Auswirkungen auf die Druckverhältnisse untersucht. Die Daten werden anschließend mit den Werten aus dem Windkanal und aus den CFD-Simulationen verglichen, um sicherzustellen, dass die Korrelation passt.
Leclerc passierte bei den Tests übrigens auch ein kleines Missgeschick: Der schnellste Mann des Tages war in der Boxengasse um 5,2 km/h zu schnellen und muss daher 600 Euro Strafe zahlen.