• 23. Juli 2019 · 15:18 Uhr

Ferrari schwächelt im Renntrimm: Nur noch dritte Kraft hinter Red Bull?

Keine Balance, zu viel Untersteuern, zu hoher Reifenverschleiß: Die Probleme von Sebastian Vettel und Ferrari sind vielseitig, schnelle Lösungen nicht in Sicht

(Motorsport-Total.com) - "Schwierig", so fasst Sebastian Vettel die bisherige Formel-1-Saison 2019 nach dem Grand Prix von Großbritannien zusammen. Exakt hundert WM-Punkte liegt der Deutsche vor seinem Heimrennen hinter WM-Leader Lewis Hamilton. Im Vorjahr kam er mit acht Punkten Vorsprung noch als WM-Führender nach Hockenheim, bevor er den Sieg beim Heimrennen und die Titelhoffnungen im Kiesbett der Sachs-Kurve vergrub.

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Bei Ferrari geht es vom Qualifying zum Rennen rückwärts Zoom Download

Ein Jahr danach befindet sich die Scuderia in einer schwierigen Lage. Das Team hadert weiterhin mit dem SF90, der sich nicht als Titelfavorit herauskristallisierte, wie noch bei den Wintertests angekündigt. Der Wagen ist zwar im Qualifying eine Waffe auf einer Runde, im Rennen jedoch fiel das Team in den vergangenen Rennen regelmäßig hinter Red Bull zurück.

"Auf einer fliegenden Runde war die Leistung von Leclerc im Qualifying großartig", ist Formel-1-Sportchef Ross Brawn begeistert vom jungen Monegassen. Charles Leclerc verpasste die Pole-Position in Silverstone um nur 0,079 Sekunden. "Er hat die Pole erst im dritten Sektor verloren, auf einer Strecke, die dem SF90 nicht entgegenkommt, speziell bei kalten Bedingungen."

Leclerc: "Unser Hauptproblem ist die Frontpartie"

Im Rennen wandelte sich das Blatt. Ferrari war nur noch dritte Kraft, "weit hinter Mercedes" und auch Red Bull, konnte der ehemalige Ferrari-Technikchef beobachten. Tatsächlich waren die Italiener am Samstag noch überraschend gut dabei, nur Sebastian Vettel fiel ein wenig ab.

Ferrari kam entgegen, dass immer mehr Passagen auf der Strecke mit Vollgas gefahren werden. In diesem Bereich kann der SF90 seine Motorpower ausspielen. Wie 'auto motor und sport' berichtet, beträgt Ferraris Power-Vorteil je nach Streckenlayout drei bis acht Zehntelsekunden. Im Qualifying können die Roten auf 40 PS mehr Leistung zugreifen.

Im Renntrimm jedoch nicht. Deshalb stehen Vettel und Leclerc bei den Geschwindigkeitsmessungen nur selten ganz an der Spitze. Wie Teamchef Mattia Binotto bereits vor Wochen angekündigt hat, opfert Ferrari nun mit Updates ein wenig Topspeed, um die Schwäche in den Kurven in den Griff zu kriegen.


Fotostrecke: Der Crash von Sebastian Vettel und Max Verstappen in Silverstone

Mehr Abtrieb soll dafür sorgen, dass der Ferrari in den Kurven besser liegt, während dadurch auch mehr Luftwiderstand auf den Geraden entsteht. Leclerc hat nach seinem Qualifying-Versuch bestätigt, dass er vor allem mit Untersteuern zu kämpfen hatte am Samstag in Silverstone.

"Derzeit ist unser Hauptproblem die Frontpartie. Wenn wir dieses Problem gelöst haben, dann bin ich sicher, dass wir ziemlich viel Performance aus dem Auto rausholen können - denn vor allem im dritten Sektor hatte ich Probleme mit dem Grip auf der Vorderachse. Da steckt noch viel Performance drin."

Um eine bessere Balance zu finden, hat das Team von Freitag auf Samstag am Boliden gearbeitet. Jedoch wurde dadurch das Heck unruhiger, was Vettel im Qualifying Probleme verschaffte. Dadurch wurde außerdem das Risiko größer, dass die Hinterräder überhitzen.

Brawn: Reifenverschleiß ist Ferraris "Achillesferse"

Die kühleren Temperaturen in Silverstone kamen Ferrari entgegen, da man die Reifen nicht so schnell überhitzen konnte. Dennoch ist der Reifenverschleiß laut Brawn "die Achillesferse" von Ferrari. Denn durch die Instabilität in den Kurven rutscht der Bolide mehr, und dadurch überhitzen die Reifen schneller.

Der Reifenverschleiß steigt in weiterer Folge, das habe man am Trainingsfreitag beobachten können, meint der Brite. "Das Team konnte es zwar teilweise in den Griff kriegen, dennoch war es nicht genug, um in den Kampf um den Sieg einzugreifen. In Maranello müssen sie jetzt verstehen, warum das so ist und schnell reagieren, wenn sie ihre Titelhoffnungen am Leben erhalten wollen."

Sollte sich Ferrari zu Saisonmitte nicht eher nach hinten orientieren? Red Bull geht schonender mit den Reifen um, hat insgesamt einen Schritt in der Performance gemacht und mit dem neuen Frontflügel scheint sogar Pierre Gasly besser zurechtzukommen.


Verstappen vs. Leclerc: Das Duell der F1-Zukunft

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Max Verstappen und Charles Leclerc repräsentieren die Zukunft der Formel 1, in Spielberg & Silverstone duellierten sich die beiden - ein Vorgeschmack Weitere Formel-1-Videos

Max Verstappen hat sich bereits als erster Mercedes-Verfolger positioniert, sein Sieg in Österreich glich einer Machtdemonstration. Vettel und Leclerc fehlen jeweils bereits über zehn Punkte auf den Niederländer. Ohne den Unfall mit dem Deutschen in Silverstone wäre der 21-Jährige zum vierten Mal in diesem Jahr auf das Podium gefahren.

"Ich denke, es war ziemlich eng zwischen uns und Red Bull. Ich glaube, Max war heute im ersten Stint etwas schneller als wir - und auch am Ende des Rennens. Vielleicht wären wir Vierter geworden", schilderte Vettel direkt am Rennsonntag in Großbritannien. Dass Red Bull auch in der Konstrukteurs-WM nur noch 52 Punkte Rückstand auf Ferrari hat, sei nicht "beängstigend".

"Das ist keine Überraschung", zeigte sich Vettel unbeeindruckt. Obwohl er sich im Rennen gegen Verstappen kaum wehren konnte, war der Deutsche mit der Rennpace zufrieden. Er habe sich am Sonntag zumindest wieder wohler gefühlt. "Der Speed war in Ordnung", gab er sich mit der Performance zufrieden.

Binotto: Silverstone-Ergebnis "enttäuschend"

"Das Auto fühlte sich im Rennen viel besser an und wir haben das Auto nicht verändert. Am Samstag konnte ich einfach nicht die Performance aus dem Auto holen, am Sonntag kam es hingegen auf natürlich Weise zustande. Ich hatte mehr Vertrauen in die Reifen und das Auto generell", meinte der Heppenheimer.

Damit widersprach er allerdings Leclercs Aussagen. Der Monegasse ist klar der Ansicht, dass Ferrari im Qualifying die stärkere Kraft ist. Das belegen auch die Ergebnisse der vergangenen Rennen. Nur in Aserbaidschan konnte er sich von seinem achten Startplatz aus auf Platz fünf verbessern, in allen anderen Rennen hielt er seinen Startplatz entweder oder verlor Positionen.

"Im Moment können wir mit der Qualipace ganz stark abliefern, nur müssen wir an der Rennpace arbeiten." Insgesamt drei Pole-Positionen konnte Ferrari in dieser Saison nicht in einen Sieg umwandeln. Auch Leclerc ist aufgefallen, dass Red Bull im Rennen die Reifen besser und länger am Leben halten kann. Daran müsse man nun arbeiten.


Fotos: Ferrari, Grand Prix von Großbritannien


"Sie haben sich sicherlich verbessert", konnte auch Mattia Binotto nach Silverstone feststellen. "Wenn man sich die beiden vergangenen Rennen ansieht, dann haben sie in Österreich gewonnen und waren in Silverstone konkurrenzfähig. Ich denke, unsere Pakete liegen sehr eng beieinander, das haben die letzten Rennen gezeigt."

Wer ist derzeit die zweite Kraft hinter Mercedes? "Sind sie Zweiter, sind wir es?", fragt sich der Teamchef, "ich denke, wir liegen sehr eng beieinander. Das verschafft uns einen weiteren Schub, weil wir wissen, dass wir uns verbessern müssen."

Er möchte, dass Ferrari unabhängig von der Leistung der Konkurrenten, der Bedingungen und des Streckenlayouts auf jedem Kurs in jedem Rennen um den Sieg kämpfen kann. "Das war nicht der Fall, und deshalb ist das enttäuschend." Er weiß: "Es gibt noch vieles, was verbessert gehört."

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