• 14. Juli 2019 · 18:30 Uhr

Duell des Jahrzehnts? Verstappen und Leclerc liefern Mega-Show

Max Verstappen und Charles Leclerc auf den Spuren von Gilles Villeneuve und Rene Arnoux: Die beiden Formel-1-Heißsporne liefern sich einen Kampf für die Ewigkeit

(Motorsport-Total.com) - Von manchen Duellen im Motorsport spricht man auch nach Jahrzehnten. Entsprechend rar gesät sind sie. Die Zuschauer des Großen Preises von Großbritannien 2019 dürften allerdings Zeuge eines derartigen Ereignisses gewesen sein. Der rundenlange, knallharte Kampf zwischen Max Verstappen und Charles Leclerc war das Herzstück eines Rennens, das das Potenzial zum "Instant Classic" hat. (Formel 1 2019 im Live-Ticker!)

Nach den Ereignissen aus Spielberg war die Luft zwischen Verstappen und Leclerc bereits angespannt. Der Monegasse tat alles, um sich für Österreich zu revanchieren. Das Duell hatte so eine sehr persönliche Note zweier angehender Topstars, die in der Formel 1 noch lange eine bestimmende Rolle einnehmen werden.

Im unmittelbaren Duell gegen Verstappen hatte Leclerc zunächst aufgrund einer schlechten Strategie von Ferrari beim Safety-Car das Nachsehen, doch aufgrund des Vettel-Abschusses holte er sich letztlich den dritten Platz. Verstappen wurde Vierter.


Fotos: Grand Prix von Großbritannien


An die finalen Platzierungen der beiden Streithähne dürften sich in ferner Zukunft nur wenige erinnern, das irre Duell der beiden wird aber noch lange in den Köpfen der Fans erhalten bleiben. Und bei den Fahrern wohl auch. "Das ist wohl das Rennen, das ich in meiner Karriere am meisten genossen habe", sagt Leclerc nach dem Rennen. "So viel Spaß hatte ich in der Formel 1 noch nie."

Verstappen kann sich einen kleinen Nadelstich im Nachhinein nicht verkneifen: "Die Kämpfe waren wirklich gut. Ich glaube, er war noch ein bisschen sauer nach Österreich. Er hat wirklich hart verteidigt, aber das ist schön, da bin ich gerne dabei. Das war schönes Racing."

Verstappen schneller, Leclerc aggressiver

Ausgangspunkt für das Duell war, dass Leclerc seinen dritten Startplatz gegen Verstappen verteidigen konnte. Sonst wäre der Red-Bull-Pilot wahrscheinlich von Anfang an davongefahren, weil er den etwas höheren Grundspeed in den folgenden Kämpfen hatte.

In Runde zehn geht es dann los: Verstappen greift Leclerc ein erstes Mal an, doch Leclerc blockt ab. In Kurve 4 macht er sich dabei so breit wie Verstappen in Österreich, doch der Niederländer lässt es erst gar nicht auf eine Berührung ankommen und zieht zurück.

Das bringt sogar Sebastian Vettel in Angriffsstellung, der aber trotz des Topspeed-Vorteils des Ferraris nicht an Verstappen vorbeikommt. Warum Verstappen zurückgezogen hat? "Ich wollte nicht zu viel riskieren, denn das Rennen war noch sehr lang, und wir waren klar schneller."

Die Fortsetzung gibt es vier Runden später an der Box: Red Bull fertigt Verstappen schneller ab als Ferrari Leclerc und beide fahren nebeneinander durch die Box. Am Ende hat Verstappen die Nase leicht vorn, die Red-Bull-Mechaniker klatschen sich ab. So mancher dachte kurzzeitig, dass damit das Duell durch sei und Verstappen sich nun lösen werde.

Doch Leclerc denkt nicht daran, sich mit dem Platzverlust abzufinden und attackiert gleich in den ersten Kurven. So aggressiv hat man den Ferrari-Youngster zuvor noch nie erlebt. Und tatsächlich rutscht Verstappen mit monumentalem Untersteuern in Kurve 4 von der Ideallinie, sodass Leclerc auf der Wellington Straight wieder durchgeht.

"Die Reifen haben da etwas blockiert. Ich hatte keinen Grip, deshalb kam er wieder vorbei", erklärt Verstappen. "Dann mussten wir wieder attackieren." Und das sollte er tun.

Die nächsten Runden über bekamen die Fans ein Duell zu sehen, von dem sie noch ihren Enkelkindern erzählen werden. Der Red Bull und der Ferrari bekämpften sich nach allen Regeln der Kunst und am absoluten Limit, aber immer mit Respekt. Leclerc wehrte alle Angriffe ab. Verstappen konnte mit DRS-Hilfe attackieren, doch die Geraden des Silverstone Circuit erwiesen sich als leicht zu kurz.

In Runde 19 hat es Verstappen eigentlich schon geschafft: Er zieht vor Stowe an Leclerc vorbei. Doch dessen Defensivmanöver müssen den Niederländer irgendwie aus der Fassung gebracht haben. In einem kurzen Moment wird der Red Bull am Einlenkpunkt auf der Innenbahn außergewöhnlich langsam und irgendwie setzt sich Leclerc außen herum wieder durch.

Diese Aggressivität bringt selbst Verstappen auf die Palme, der in der Vergangenheit schon so manche Grenze des harten Zweikampfs verschoben hat. "Er hat sich sehr spät bewegt", funkt er in Richtung seines Teams. Mehr als einige ziemlich amüsierte TV-Kommentatoren bringt die Message jedoch nicht.

Letztes Aufbäumen von Leclerc nach SC

Jäh unterbrochen wurde der Kampf durch die Safety-Car-Phase eine Runde später. Red Bull reagierte schnell und holte Verstappen rein, als noch kurz auf VSC geschaltet war. Ferrari verpasste die Gelegenheit und kam erst eine Runde später rein - dadurch zog Verstappen vorbei.

Doch wieder fasst sich Leclerc ein Herz, als er schon geschlagen schien: Er attackiert Verstappen kurz nach dem Restart im Komplex Vale/Club Corner, als dieser kurzzeitig hinter Teamkollege Gasly festhängt. Mit einer Berührung geht es am Red Bull vorbei, doch am Kurvenscheitel bricht Leclerc das Heck aus. Durch das Korrigieren gerät er auf den Randstein außen, was ihn letztlich Schwung kostet.

Verstappen kann über die Auslaufzone überholen. Das wurde in diesem Fall nicht geahndet, weil der Red-Bull-Pilot in der Situation einfach keinen Platz hatte und sich Leclerc durch den Quersteher selbst um den Schwung gebracht hatte.

Nun schien das Duell zugunsten Verstappens endgültig entschieden zu sein, der sich in der Folge auch an Pierre Gasly vorbeischob (Leclerc brauchte einige Runden länger, schaffte es dann aber seinerseits in Kurve 3). Die Kollision zwischen Verstappen und Vettel spülte letztlich Leclerc auf das Podium.

"Dieses Rennen hat mir die Augen geöffnet, wie weit ich gehen kann", sagt der Ferrari-Fahrer. "So aggressiv bin ich nie zuvor gefahren. Und nie zuvor hatte ich dermaßen viel Spaß. Es ist großartig für die Formel 1, dass wir so am Limit kämpfen dürfen und ich freue mich, wie dieses Rennen gelaufen ist." Und es dürfte sicherlich nicht das letzte Duell dieser beiden Heißsporne gewesen sein.

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