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"Großes Highlight": Kann McLaren jetzt sogar Red Bull knacken?
Mit den Rängen fünf und sechs sorgten Lando Norris und Carlos Sainz für strahlende Gesichter bei McLaren - Geht bald wieder noch mehr nach vorne?
(Motorsport-Total.com) - Rang fünf und sechs, einen Ferrari geschlagen, einen Red Bull geschlagen: McLaren war der überraschende Star des Qualifyings in Le Castellet. Für das einstige Erfolgsteam ist es das erste Mal seit dem Großen Preis von Russland 2014, dass man beide Fahrzeuge in der Qualifikation in die Top 6 bekommen konnte (Formel 1 2019 live im Ticker). "Das ist ein großes Highlight", strahlt Lando Norris nach seinem besten Startplatz in der Formel 1.
"In der Formel 1 ist das wohl mein schönster Tag", sagt er. Sein schönster Tag im Leben sei allerdings ein anderer: "Vermutlich der, als ich geboren wurde", lacht der 19-Jährige. Bei McLaren hat man nach fruchtlosen Jahren das Lachen wiedergefunden. Der Rennstall befindet sich im Aufwind und konnte in Le Castellet die große Konkurrenz deutlich hinter sich lassen - Renault fehlte etwa eine halbe Sekunde.
Das überrascht Norris etwas: "Ich habe Gerüchte gehört, dass Renault ein heimliches Update hat. Ich wünschte, das wäre wahr. Denn dann wären wir noch schneller", sagt er. Doch ernsthaft: Der Brite hatte sich mit McLaren nicht viel von Frankreich versprochen. "Wir haben gedacht, das wird schwierig. Jetzt ist es besser geworden, als wir uns je vorstellen konnten."
Guter Freitag machte Sorgen
Und dass man zusätzlich noch einen Ferrari und einen Red Bull schlagen kann, habe man noch viel weniger erwartet. "Das bedeutet aber, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Wir machen unsere Analysen und bringen neue Teile", betont Sainz nach seinem sechsten Platz. Warum es aber heute so lief, gelte es zu analysieren - aber erst später. "Wir sollten das jetzt auch ein bisschen genießen und uns dann auf morgen konzentrieren."
Dass McLaren auf dem Circuit Paul Ricard eine gute Rolle spielen könnte, hatte sich bereits am Freitag angedeutet, als man die Ränge fünf und sieben holte. "Das hat uns etwas Sorgen bereitet, weil es fast zu gut war", lacht Norris. "Da denkt man sich, dass alle andere viel Benzin an Bord hatten oder so etwas."
Zudem fühlte man sich an Kanada erinnert, als es am Freitag auch gut lief, am Samstag aber Konkurrent Renault plötzlich auf Rang vier fahren konnte. "Aus irgendeinem Grund ändert sich das Auto in diesem Jahr von Strecke zu Strecke noch mehr. Das gilt vor allem für die Mittelfeldteams", rätselt Norris und warnt: "Es ist nur dieses Wochenende. In Österreich würden wir es jetzt vielleicht nicht mal in Q3 schaffen."
Barcelona-Paket passt zu Frankreich
Doch in Frankreich scheint das McLaren-Paket gut zu funktionieren. In Barcelona hatte man ein Upgrade eingeführt, das sich sehr gut in schnellen Kurven machen soll. Zwar waren langsame Kurven ein kleiner Schwachpunkt, "auf einer Strecke wie dieser, mit vielen schnellen und mittelschnellen Kurven, zahlt es sich aber wieder aus", meint Sainz. Hinzu komme ein Motor von Renault, der sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessert hat.
Ein großes Update hatte es vor dem Rennen nicht gegeben - das letzte war eben das in Barcelona. Doch McLaren bringt konstant kleinere Updates mit an die Strecke und sorgt so für kontinuierliche Verbesserungen. "Der Windtunnel läuft pausenlos und das Auto reagiert darauf", sagt Sainz, der immer wieder als Versuchskaninchen herhalten muss.
"Ich muss jeden Freitag mit irgendetwas rumexperimentieren. Das hat mich dieses Mal sogar ein bisschen zurückgeworfen", so der Spanier. "Da musste ich heute ein wenig aufholen und war vielleicht nicht so gut aufs Qualifying vorbereitet. Aber es zahlt sich aus."
Sainz experimentiert gerne
Gestern experimentierte McLaren beispielsweise mit einer neuen Vorderrad-Aufhängung. Zum Einsatz kommt sie im weiteren Wochenendverlauf aber nicht mehr, stattdessen nimmt man die Daten mit nach Hause nach Woking, um dort die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. "Man lernt immer etwas, selbst wenn die Experimente nicht funktionieren", sagt Sainz.
Von daher ist er auch gerne bereit, in Zukunft weiter Dinge auszuprobieren. "Weil wir uns des Autos so besser bewusst werden", sagt Sainz. "Solange wir nicht um Podestplätze oder Siege kämpfen, müssen wir weiter pushen, weiter experimentieren und weiter Dinge erfinden, bis wir etwas finden."
Teamchef Andreas Seidl ist erst relativ neu im Team, konnte aber seit seiner Ankunft große Fortschritte im Rennstall erkennen. Einen Geheimtrick sieht er darin nicht, vielmehr habe McLaren kontinuierlich gelernt und sich gesteigert. "Wir haben gesehen, dass wir immer noch Schwächen haben und haben bestimmte Bereiche des Autos entwickelt", sagt er. "Es sind kleine Evolutionen, die die Jungs in Zusammenarbeit mit den Fahrern erörtert haben."
McLaren will wieder ganz nach vorne
"Dabei geht es darum, die Schwächen des Autos zu verstehen und Maßnahmen zu ergreifen, etwa wie wir das Auto einstellen und besser werden", so Seidl. Am Donnerstag sei man noch etwas besorgt über die mögliche Performance gewesen, doch als die Pace am Freitag deutlich wurde, wich die Angst der freudigen Erkenntnis, dass die kleinen Arbeiten funktionieren. "Das ist einfach gut für die Moral im Team."
Dennoch muss der Deutsche auch betonen, dass McLaren noch lange nicht da ist, wo man hin will. Noch vor einigen Jahren war man ein ständiger Siegkandidat, heute muss man sich über die Plätze fünf und sechs freuen. Doch mittelfristig möchte man wieder dorthin, wo man jahrelang war: an die Spitze. "Verglichen mit den Topteams haben wir noch einen langen Weg vor uns", so Seidl.
Er geht davon aus, dass McLaren auf die Spitze noch 1,5 Sekunden fehlen - oder mehr, je nach Strecke. Und das sei vor allem aerodynamische Last. "Daran arbeiten wir Tag und Nacht in der Fabrik. Und wir versuchen, das Auto in das richtige Fenster zu bringen, damit wir den entwickelten Abtrieb auch nutzen können. Das ist der Hauptbereich, an dem wir arbeiten."
Red Bull am Sonntag schlagbar?
Für Frankreich scheint den Engländern aber ein guter Schritt gelungen zu sein. Zu sehr feiern darf man aber auch nicht, denn Punkte werden erst im Rennen vergeben. Doch was ist das Ziel bei einer so guten Ausgangslage? "Unser Ziel ist zu gewinnen", stellt Norris klar. "Ob das passieren wird? Ich weiß nicht. Ich denke nicht", sagt er weiter. Er weiß, dass Mercedes und Ferrari auf jeden Fall schneller sind.
Und Red Bull? "Es sieht so aus, als ob wir mit ihnen kämpfen können", meint Norris. Max Verstappen war lediglich neun Tausendstelsekunden schneller, Pierre Gasly sogar deutlich langsamer - und er muss auf den schlechteren Soft-Reifen starten. "Werden wir Red Bull morgen schlagen? Damit tue ich mich schwer", meint Sainz, betont aber: "Wir werden unser Bestes geben."
Hauptkonkurrent bleibt aber Renault, die auf acht und 13 starten. "In Kanada haben sie eine wirklich perfekte Runde hinbekommen und waren drei Zehntelsekunden voraus, heute haben wir es hinbekommen und sind drei oder vier Zehntel voraus", so Sainz. "Das zeigt einfach, dass man einen Vorteil hat, wenn man es mit den Reifen, der Strecke und der Balance hinbekommt. Das ist uns an diesem Wochenende wohl gelungen."