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Trotz Vettel-Strafe: Lewis Hamilton wollte Ferrari überholen
Lewis Hamilton wollte sich den Sieg auf der Strecke herausfahren, glaubt Mercedes-Teamchef Toto Wolff - Sebastian Vettel: "Schien, als würde er Strafe anzweifeln"
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton siegt in Kanada, obwohl er als Zweiter die Ziellinie überquerte. Möglich gemacht hat das sein geringer Rückstand von rund 1,3 Sekunden auf Sebastian Vettel zu Rennende. Durch die Fünf-Sekunden-Strafe des Deutschen gewann der Brite schließlich um 3,7 Sekunden. Ursprünglich wollte er Vettel aber auf der Strecke schlagen.
"Ich denke, er wollte klarstellen, dass er in der Lage gewesen wäre, ihn auf der Strecke zu überholen", erklärt sich Mercedes-Teamchef Toto Wolff Hamiltons Pace am Ende des Rennens. Der Brite wollte sagen können, dass er den Grand Prix regulär auf der Strecke gewonnen hat - statt dank einer Strafe.
"Das wollte er erreichen. Das wusste ich", ergänzt der Österreicher. Diese Einstellung machte die Mercedes-Boxenmauer unnötig nervös, denn der Sieg war dem Briten sowieso sicher. Wohlgefühlt habe er sich in den letzten Rennrunden ganz und gar nicht, bestätigt Wolff.
Hamilton hatte Probleme mit der Bremstemperatur
"Nein, weil die Bremsen überhitzt haben", verrät er, "aber das ist eben das Verhalten und die Entscheidung eines Racers." Nachdem Vettel in Runde 48 der Fehler in Kurve 4 unterlaufen war, wurde die Fast-Kollision mit Hamilton am Kurvenausgang untersucht. Zehn Runden später stand die Fünf-Sekunden-Strafe fest.
Just in Runde 58 drückte der Deutsche aufs Gas. Er fuhr in 1:14.875 Minuten die bis dato schnellste Rennrunde. Hamilton lag zu jenem Zeitpunkt im Rennen 2,8 Sekunden zurück. In drei Runden holte er allerdings eine Sekunde auf.
In Runde 64 drückte Hamilton seinen Rückstand schließlich auf unter eine Sekunde. Bis zur letzten Rennrunde konnte er den Abstand auf rund eine Sekunde halten. "Sogar als ich schon wusste, dass er eine Strafe bekommen würde, habe ich einfach weitergepusht, weil ich mir dachte: 'Vielleicht können wir dieses Rennen noch holen'."
Wäre ein Manöver gegen Rennende noch möglich gewesen? "Ich denke nicht. Wir alle hatten Schwierigkeiten mit den Bremstemperaturen gegen Ende hin. Meine Reifen waren zu jenem Zeitpunkt, als er den Fehler machte, gut. Ich konnte so nahe ranfahren wie davor und danach nicht mehr."
Hamiltons Rückstand schwankte mehrmals im Rennen. Im ersten Stint auf dem Medium-Reifen fuhr Vettel auf rund 2,5 Sekunden davon, vor den Boxenstopps hatte der Deutsche noch rund zwei Sekunden Vorsprung auf Hamilton.
Der Mercedes-Pilot konnte in den beiden Runden bis zu seinem Stopp in Runde 28 keine "Hammertime" abliefern, wie dies sein Ingenieur von ihm verlangte. Trotz eines schnelleren Boxenstopps als jener der Ferrari-Crew kam der WM-Führende satte 4,5 Sekunden hinter dem Ferrari zurück auf die Strecke.
"Stolzer" Vettel: "Konnte dennoch vorn bleiben"
In gut zehn Runden nach dem Stopp hatte er auf dem harten Pirelli-Reifen die Lücke zugefahren und kam erstmals in das DRS-Fenster des Deutschen. Nach dessen Fehler musste Hamilton interessanterweise wieder etwas abreißen lassen, er fiel bis Runde 58 auf über drei Sekunden hinter den Deutschen zurück.
"Ich hatte blockierende Räder und die Lücke wurde wieder größer. Es war sehr schwierig zu folgen", schildert er nach dem Rennen. Mehrfach im Rennen blockierte Hamiltons rechtes Vorderrad beim Ambremsen auf die Haarnadel, auch in Runde 52.
"Ich war zu einem Zeitpunkt drei Sekunden voran, aber ich war ziemlich sicher, dass er seine Pace kontrolliert", schildert Vettel. "Als die Strafe kam, hatte es den Anschein, als würde er den Druck reduzieren, weil er nicht mehr musste. Dann hatte ich aber das Gefühl, dass er die Entscheidung anzweifelt und wieder Druck ausübt."
Deshalb habe er sich nicht zurückfallen lassen, betont der Brite. "Du bist einfach richtig schnell geworden und ich dachte nur: 'Oh, jetzt wird er fünf Sekunden rausfahren!' Ich hatte Schwierigkeiten auf den Reifen, als du die Pace angezogen hast. Und ich musste alles versuchen, um mithalten zu können", reagiert er auf Vettels Aussage.
Natürlich habe der Deutsche versucht, fünf Sekunden an Zeitpolster herauszufahren, damit er den Sieg trotz Strafe behalten könnte. "Ich hatte ein paar gute Runden, vielleicht war das gerade zu jenem Zeitpunkt, als Lewis Schwierigkeiten hatte, aber dann gegen Ende hin hatte auch ich Probleme."
Er musste mit dem SF90 außerdem Spritsparen. "Das war also nicht das einfachste Rennen, aber dennoch konnte ich vorn bleiben, was mich stolz und glücklich macht." Denn insgesamt sei Hamilton mit Mercedes am Sonntag "ein wenig" schneller gewesen, gibt der Ferrari-Pilot zu. Nur dank eines Fehlers konnte Hamilton schließlich doch noch seinen siebten Montreal-Sieg auskosten.
"Lewis erlebte eines der härtesten Rennen seit einiger Zeit. Er musste das letzte Quäntchen aus dem Auto herausquetschen, um mit Sebastian mitzuhalten. Man könnte sagen, dass der Zwischenfall, der zur Strafe geführt hat, das Resultat des Drucks war, den Lewis auf ihn ausübte", analysiert Mercedes-Technikchef James Allison.
Daher könne er auch eine "gewisse Befriedigung finden". Denn obwohl der Sieg verdient sei, fühle es sich unter diesen Umständen dennoch nicht so schön an, gibt der Brite zu. "Aber Lewis hat heute eine großartige Leistung gezeigt und das war die Belohnung für seinen Einsatz."