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Fallende Temperaturen der Schlüssel zur Mercedes-Pole
Der Crash von Charles Leclerc hat das Qualifying in Baku pro Mercedes gekippt, weil die Unterbrechungen der Session Mercedes entgegengekommen sind
(Motorsport-Total.com) - Eineinhalb Sekunden hatten Mercedes nach dem Abschlusstraining in Baku (Formel 1 2019 live im Ticker) auf Ferrari gefehlt, und es deutete nichts darauf hin, dass am Ende eine Doppel-Pole für Valtteri Bottas und Lewis Hamilton stehen würde. Auf den weichen Reifen, war sich Toto Wolff vor Beginn des Qualifyings sicher, habe man "keine Chance" gegen Ferrari, außer "wir machen einen 'Reverse-Grid'" wie in der Formel 2.
Dass der Mercedes-Teamchef damit nicht gelogen hat, sondern tatsächlich von einer Ferrari-Pole ausgegangen ist, beweist sein SMS-Verkehr mit Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche. Dem hatte Wolff vor Beginn des Qualifyings sinngemäß geschrieben, dass diesmal kein Kraut gegen Ferrari gewachsen ist. Nach der Doppel-Pole für Mercedes "schimpfte" Zetsche seinen Sportchef scherzhaft als einen Lügner ...
Am Ende kam dann alles ganz anders, Pole-Favorit Charles Leclerc klebte in der Mauer, Sebastian Vettel hatte drei Zehntelsekunden Rückstand und die erste Reihe glänzte ganz in Silber. Dabei hatte Leclerc Hamilton selbst in Q1 noch zwei und Bottas sogar sechs Zehntelsekunden abgenommen.
Aber Leclercs Crash in der verwinkelten Altstadt-Passage kippte das Qualifying. Nicht nur, weil Ferrari plötzlich etwas aus dem Tritt wirkte. Sondern auch, weil die Asphalttemperatur während der Session durch die Verzögerungen von anfangs 36 auf später nur noch 26 Grad Celsius fiel.
Vettel gibt zu: Ändernde Bedingungen nicht einfach
"Es war mit Sicherheit schwierig, mit den Bedingungen mitzugehen", gibt Vettel zu. "Es macht doch einen großen Unterschied, wenn die Strecke so deutlich abkühlt. Die Sonne ist mehr oder weniger verschwunden. Das war mit Sicherheit nicht einfach."
Wolff nickt zustimmend: "Ich denke, wir haben mit dem Fallen der Temperaturen relativ an Performance gewonnen. Mit den Bedingungen und Streckentemperaturen, wie sie heute Morgen waren, war Ferrari in einer eigenen Liga. Als es kühler wurde, änderte sich das Kräfteverhältnis aber."
Damit scheint Ferrari den wahrscheinlich größten Vorteil für dieses Wochenende bereits verspielt zu haben. Denn Mercedes' Schwäche zeigte sich in den Freien Trainings vor allem mit den weichen Reifen. Mit den härteren Mediums von Pirelli, die im Rennen erste Wahl sein werden, hatte der Silberpfeil kein Problem.
"Am Freitag", analysiert Wolff, "war Ferrari sehr schnell, und heute Morgen in FT3 auch. Wir hatten keine Ahnung, wie wir das hinbekommen sollen, weil der Abstand zu groß war. Aber wenn die Abstände so groß sind, hat meistens nicht das Auto plötzlich Performance eingebüßt. Wir wissen ja, dass die Performance da ist. Sondern dann ist das Auto nicht im richtigen Fenster."
"Je länger die Session dauerte, desto besser fanden wir in dieses Fenster", sagt der Mercedes-Teamchef. "Gegen Ende in Q3 hatten wir dann ein Auto, das sehr gut war. Was wir am Vormittag noch nicht behaupten konnten."
Mercedes zog dann alle Register, um die Trainings-Dominanz von Ferrari zu brechen, und war damit erfolgreich. Der Plan, Ferrari mit einem Trick in die Irre zu führen, um nicht Vettel ungewollt Windschatten zu spendieren, ging voll auf. Und auch in Sachen Reifenstrategie erwies es sich als richtig, diesmal das komplette Qualifying auf der weichsten Mischung zu bestreiten.
Mercedes: Besserer Reifenpoker als Ferrari
Während sich die Ferraris mit dem Versuch, Q2 mit dem Medium zu überstehen, um am Start einen vermeintlichen Vorteil zu haben, selbst unter Druck setzte und so möglicherweise den Crash von Leclerc triggerte, wie Nico Rosberg vermutet, fuhr Mercedes alle Qualifying-Runs auf dem Soft.
"Wir legten heute Morgen vor dem dritten Training fest, dass wir in der Session nur einen statt zwei Softs fahren würden", erklärt Wolff. "Wir hatten das Gefühl, dass es auf einem Stadtkurs wie Baku das Beste für die Fahrer ist, wenn sie in Q1, Q2 und Q3 die gleichen Reifen zur Verfügung haben."
"Also fuhren wir einen Medium in FT3 und hatten sechs Soft-Sätze für das Qualifying. Ferrari fuhr am Vormittag im Gegensatz zu uns zwei Satz Soft, sodass sie gezwungen waren, im Qualifying einen Medium zu nehmen."
Der gelungene Windschatten-Trick gab Ferrari dann wohl den Rest. Wolff: "Der minimale Effekt, wenn ein paar Sekunden zwischen zwei Autos liegen, macht hier ein bis drei Zehntel aus. Wenn du die Mutter aller Windschatten erwischst, dann sind es sechs Zehntel. Das ist hier in Baku echt ein Unterschied."
"Wenn du ein paar Autos vor dir hast, die ein Loch in die Luft reißen, hilft das auf dieser Strecke enorm. So gesehen haben wir Ferrari gleich doppelt eins ausgewischt. Sebastian war ganz auf sich alleine gestellt, hatte keinen Windschatten - und die Streckentemperaturen kamen uns entgegen. Unser Auto wurde immer besser, je kühler es wurde", so der Österreicher.
Windschatten: Ferrari am Start im Vorteil?
Aber: Wenn der Windschatten-Effekt Mercedes in Q3 geholfen hat, so könnte er heute am Start und am Ende der ersten Runde auch Vettel helfen. Denn die Silberpfeile stehen in der ersten Reihe voll im Wind, während sich der Ferrari von hinten möglicherweise ansaugen kann.
"Ich stehe nicht auf Pole", versucht Vettel, das Glas halbvoll zu sehen. "Das könnte schon helfen. Es ist ein langes Rennen, hier kann alles passieren. Wenn wir einen guten Start hinbekommen, würde das helfen. Und dann kommt die lange Gerade am Ende der ersten Runde. Mal sehen, wie es läuft. Es ist jedenfalls möglich, auf dieser Strecke zu überholen."
Doch die Mercedes-Fahrer machen sich keine Sorgen, dass ihnen das Windschatten-Spielchen im Rennen auf den Kopf fallen könnte: "Ich glaube nicht, dass die Pole einen Nachteil hat", winkt Bottas ab. "Der Mittelsektor ist voller Kurven, und da ist es sehr schwierig, jemandem zu folgen."
"Ich würde meinen Platz jedenfalls nicht eintauschen wollen", sagt er. Und auch Hamilton steht lieber in der ersten als in der zweiten Startreihe für den Grand Prix von Aserbaidschan: "Ich stimme Valtteri in dem Punkt zu."
Bei allem Optimismus ist den Silberpfeilen aber klar, dass es für die Pole keine WM-Punkte gibt. Und gerade auf einer Strecke wie Baku, die 2017 und 2018 echte Chaos-Rennen produziert hat, wird erst am Sonntag- und nicht schon am Samstagnachmittag abgerechnet.
"Auf manchen Strecken", lacht Bottas, "ist die Pole die halbe Miete. Hier trifft das nicht einmal annähernd zu. Ich hatte hier schon einmal eine Runde Rückstand und wurde noch Zweiter. Und vergangenes Jahr habe ich drei Runden vor Schluss geführt und bin ausgeschieden ..."