• 30. März 2019 · 19:35 Uhr

Erst sauer, dann erleichtert: Wieso Vettel mit der Niederlage leben kann

Bei Sebastian Vettel überwiegt nach dem Qualifying von Bahrain die Freude über das Ferrari-Comeback - Keine Bitterkeit nach erster teaminterner Niederlage

(Motorsport-Total.com) - Das Qualifying von Bahrain war für Sebastian Vettel ein bittersüßes. Zwar blieb die Erkenntnis, dass Ferrari das Tief von Melbourne überwunden zu haben scheint (Formel 1 2019 live im Ticker), allerdings musste der Deutsche die erste teaminterne Niederlage gegen Charles Leclerc hinnehmen, der auf dem Wüstenkurs von Sachir seine erste Pole-Position holen konnte. Vettel blieb heute nur Rang zwei.

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Sebastian Vettel konnte Charles Leclerc zur ersten Pole gratulieren Zoom Download

Trotzdem überwiegt für ihn die Freude über die Doppel-Pole klar vor dem Ärger über die Niederlage: "Gerade nach dem Wochenende in Australien ist das ein guter Schritt und freut uns alle", sagt er. Der Deutsche fühlt sich in seinem Auto wieder deutlich wohler als in Melbourne und weiß nun, dass die Meisterschaft nun doch wieder realistisch ist. "Das ist eine riesen Erleichterung", meint er nach dem schwierigen Auftakt von Australien.

Dabei lief für ihn heute nicht alles rund. Vettel ging mit einem Handicap in Q3, weil er nur einen neuen Reifensatz und somit nur einen Schuss zur Verfügung hatte. Den zweiten geplanten Satz musste er bereits in Q2 nehmen, weil er sich nach seinem ersten Run nicht sicher in den Top 10 wähnte. "Mit Sicherheit hat das nicht geholfen", sagt er.

Ein Versuch in Q3 weniger

Ferrari hatte ihn zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf die Strecke geschickt, was Vettel mit dem Kommentar "schlechtestes Timing aller Zeiten" quittierte. Im Nachhinein sieht er das aber nicht mehr so eng: "In dem Moment war ich ein bisschen sauer, weil ich wusste, dass wir im dritten Qualifying-Abschnitt keinen zweiten Satz mehr haben würden", rechtfertigt er sich.

Vettel steckte im Verkehr zwischen Kimi Räikkönen und Daniel Ricciardo fest und leistete sich zudem eine unsaubere Runde. Zwar hätte die Zeit am Ende gereicht, um in Q3 einzuziehen, doch das wusste der Deutsche da natürlich noch nicht. "Klar nimmt man dann den anderen Satz noch einmal her, um auf Nummer sicherzugehen, dass man weiterkommt", sagt er.

Und so hatte Vettel im entscheidenden Q3 einen Satz weniger als die Konkurrenz zur Verfügung. Zwar hätte er noch einmal auf einem gebrauchten Satz rausfahren können, um eine erste Referenzzeit zu setzen und sich einzugewöhnen, doch darauf verzichtete er: "Ich hatte keine Lust mehr auf gebrauchte dann", so Vettel. "Ich habe dann ganz klar gesagt: Ich will nur einmal am Ende fahren - und fertig."

Vettel: Man muss aufrichtig gratulieren

Der Deutsche wurde zu Beginn von Q3 sogar gesehen, dass er aus dem Auto stieg und in der Garage verschwand. Die einfache Erklärung: "Ich musste noch einmal auf Toilette." Das passte ganz gut zu seinem fehlenden Interesse an einem ersten Run.

Ob es mit zwei Versuchen zur Pole gereicht hätte, ist nur Spekulation. Fakt ist, dass Vettel 0,294 Sekunden auf seinen Teamkollegen fehlten. Doch das kann er ganz gut erklären: Vor allem im zweiten Sektor sei er etwas zurückhaltend gewesen, denn bei nur einem Versuch müsse er einen Kompromiss eingehen: "Natürlich greife ich an, aber andererseits weiß ich: Wenn ich gar nicht ins Ziel komme, starte ich auf Platz zehn - das ist auch nicht so gut."

In dieser Hinsicht kann Vettel mit Rang zwei heute sehr gut leben - und er kann auch zugeben, wenn ein anderer heute die bessere Leistung gezeigt hat. "Man muss auch Manns genug sein, um aufrichtig zu gratulieren. Ich habe betont, es ist sein Tag heute", freut er sich mit Teamkollege Leclerc über dessen erste Pole-Position in der Formel 1. "Charles hat eine tolle Leistung gezeigt und steht verdient auf Pole."

Vettel geht von engem Kampf aus

Am wichtigsten war für ihn heute ohnehin die Erkenntnis, dass Ferrari wieder zurück im Geschäft ist. Das dominante Training hatte man noch mit einem besseren Motorenmodus erklärt, doch auch heute waren die Roten ganz vorne - wenn euch äußerst knapp. Lewis Hamilton fehlten lediglich drei Hundertstelsekunden, Valtteri Bottas nicht einmal eine Zehntelsekunde.

Von daher ist Vettel auch noch vorsichtig, was das weitere Wochenende angeht: Er rechnet am Sonntag im Rennen mit starken Mercedes und auch Red Bulls. "Zwischen den drei großen Teams ist es sehr eng", sagt er. "Es ist gut, dass wir vorne losfahren. Der Rest wird sich zeigen."

Der Start wird für Ferrari interessant, denn die Situation ist ähnlich wie in Monza, als Vettel hinter Räikkönen losfahren musste und es anschließend mächtig schiefging. Auch diesmal lauern die Silberpfeile wieder dahinter, doch noch macht sich Vettel keine Sorgen: "Hoffentlich kommen wir beide gut weg, und die anderen haben keine Chance. Das wäre mir am liebsten", lacht er. "Und wenn ich besser wegkomme, noch besser."

Binotto lobt: "Tolles Team"

Doch der viermalige Weltmeister geht ohnehin nicht davon aus, dass sich das Rennen am Start festlegen wird. "Ich denke, es wird nicht am Anfang entschieden, sondern über die Distanz", meint er. "Viel wird über die Reifen entschieden und wer wie damit haushält."

Das ist jedoch noch Zukunftsmusik. Erst einmal können die Roten nach dem guten Ergebnis aufatmen. "Die erste Reihe ist sehr wichtig", sagt auch Teamchef Mattia Binotto und lobt seine Crew dafür, dass sie wieder in die Spur gekommen ist: "Wichtig war, dass das Team an einem Strang gezogen hat und konzentriert gearbeitet hat. Es ist ein tolles Team" sagt er.

"Ich habe zum Team gesagt: Das Wichtigste ist, dass wir unsere Leistung gebracht haben", ergänzt Vettel. "Das Auto fühlte sich an diesem Wochenende viel besser an. Es wird immer besser, und hoffentlich können wir das auch morgen ins Rennen retten." Die Niederlage gegen Charles Leclerc kann er auch dann noch reparieren.

Allerdings drohte Vettel noch Ungemach: Wie nach dem Qualifying bekannt wurde, wurde gegen den Ferrari-Piloten eine Untersuchung eingeleitet. In Q1 soll er auf seiner Inlap "unnötig langsam" unterwegs gewesen sein. Entwarnung: Die Rennkommissare sprachen keine Strafe aus. Vettel habe nach einem Verbremser in Q1 starke Virbrationen auf den Reifen gehabt und habe daher die Zeit nicht mehr einhalten können.

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