• 19. März 2019 · 11:44 Uhr

Schnellste Rennrunde: Valtteri Bottas ignorierte Mercedes-Verbot

Der Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde sorgt nach dem Australien-Rennen für erhitzte Gemüter bei Mercedes - Red Bull im "Party-Modus" - Ferrari konservativ

(Motorsport-Total.com) - Mercedes-Pilot Valtteri Bottas schaffte es beim Formel-1-Saisonauftakt in Australien als erster Pilot in der Geschichte der Königsklasse, 26 WM-Punkte in einem Rennen zu sammeln. Möglich machte dies der Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde, der kurz vor dem Melbourne-Wochenende beschlossen wurde. Die Belohnung soll für mehr Dynamik in den Rennen sorgen, so der Hintergedanke der Regelhüter. Nach dem ersten Saisonrennen zeigt sich, dass alle Piloten in den Top 5 einen Angriff wagten, die Teamchefs allerdings das Risiko eines zusätzlichen Boxenstopps nicht eingehen wollten.

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Valtteri Bottas holt sich in Melbourne den ersten Zusatzpunkt Zoom Download

"Als wir uns [Sonntagmorgen] zum Meeting zusammengesetzt haben, habe ich verboten, dass sie auf die schnellste Runde gehen, wenn sie auf den Plätzen eins, zwei oder drei liegen", verrät Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Grand Prix. Der Österreicher begründet das Verbot mit dem erhöhten Risiko. "Meines Erachtens verführt [der Punkt] zu Risiken, vor allem, wenn man auf den vorderen Plätzen liegt. Sollte man da auf die schnellste Runde gehen?", fragt er sich.

Seine Piloten haben sich dieser Anordnung widersetzt. Sowohl Bottas als auch Lewis Hamilton versuchten in den letzten Rennrunden, die schnellste Zeit zu setzen. Im Teamfunk konnte man rege Diskussionen darüber hören. "Bono, ich will diesen Extrapunkt", funkte der amtierenden Weltmeister, der auf Rang zwei lag. Und auch der Führende, Bottas, war fest entschlossen: "Also was ist unser Plan in den letzten Runden? Werden wir noch einmal stoppen oder soll ich es mit diesen Reifen probieren?", fragte der Finne seinen Renningenieur.

Wolff wittert "Komplott der Ingenieure und Fahrer"

"Valtteri, wir werden kein Risiko eingehen. Daher werden wir nicht noch einmal stoppen", lautete die klare Antwort. "Verstehe, aber ich möchte diese 26 Punkte haben", funkte Bottas zurück. Der Finne hatte sich bis Runde 46 einen Vorsprung von rund 25 Sekunden auf Hamilton erarbeitet. Mit einer durchschnittlichen Boxenstopp-Delta-Zeit von 23 Sekunden wäre sich ein weiterer Boxenstopp in der Schlussphase rechnerisch ausgegangen, ohne die Führung zu verlieren.

"Sie haben mich alle ignoriert", ärgert sich Wolff. "Ich glaube, dass es ein Komplott der Ingenieure und der Fahrer gewesen ist, denn sie stehen bei uns an erster Stelle. Ich werde versuchen, die Funksprüche zu rekonstruieren, wie das passieren konnte", fragt er sich nach dem Rennen. Denn Bottas blieb zwar auf der Strecke, stieg aber in Runde 57 noch einmal aufs Gas und schaffte eine 1:25.580 Minuten.

Zuvor war schon Red-Bull-Pilot Max Verstappen in den Honda-"Party-Modus" gewechselt und dreht drei Runden vor Rennende auf. Mit einer 1:26.256 Minuten lag er am Ende jedoch knapp sieben Zehntelsekunden hinter der Bottas-Zeit, die auch Hamilton nicht mehr unterbieten konnte. Der Brite hatte von den Top-3-Fahrern die ältesten Reifen und schaffte daher nur noch eine 1:26.057 Minuten (+0,477 Sekunden Rückstand auf Bottas).

"Schlussendlich bin ich sehr zufrieden. Der Extra-Punkt ist gut. Er sorgt für gute Unterhaltung und ein gutes Spektakel", kann sich Wolff doch noch daran erfreuen. "Gemocht" habe er die Situation am Ende dennoch nicht. Der zusätzliche Zähler habe im Rennen am Ende doch noch "für einiges an Spannung" sorgen können.

"Es hat natürlich höhere Priorität, die Punkte des Ergebnisses einzufahren", gibt sich der Rennsieger nach der Zeitenjagd am Ende einsichtig. Seine zweite Priorität sei es dann aber doch gewesen, die schnellste Rennrunde zu drehen. "Ich habe um einen zusätzlichen Boxenstopp gefragt, aber das haben wir schon vor dem Rennen besprochen. Im ersten Saisonrennen möchte man keine dummen Dinge anstellen. Wir wollten eher konservativ sein in unserer Vorbereitung, natürlich aber noch hart kämpfen und bestmöglich abschneiden", erklärt er die Vorgehensweise der Silberpfeile.

Mit einem zusätzlichen Boxenstopp am Ende wäre das Risiko deutlich angestiegen, so Bottas. "Egal ob es ein Safety-Car gibt oder ein Problem beim Stopp", zählt er die Unsicherheitsfaktoren auf. Nachdem klar war, dass Mercedes keinen zweiten Stopp dulden wird, entschied sich der Finne für den Zeitenangriff auf 34 Runden alten Mediums.

Red Bull spekulierte mit Gasly

"Obwohl ich Verkehr hatte habe ich versucht, einen Abstand zu gewinnen. Ich habe mich ein wenig zurückfallen lassen, bin in einen anderen Motormodus gewechselt und habe eine schnelle Runde gedreht. Ich bin froh, dass es mir gelungen ist", strahlt er am Ende. Nicht nur Red Bull hat demnach in den Qualifying-Modus gewechselt, auch Mercedes hat am Ende den Antrieb noch einmal aufgedreht.

"Es ist ein Punkt und wenn man drei oder mehr einsammelt, dann kann das einen großen Unterschied ausmachen am Ende des Jahres. Das weißt du natürlich nie. Ein Punkt kann da schon alles entscheiden", argumentiert Bottas. Für ihn habe es sich bezahlt gemacht. Und auch die Zuseher erlebten am Ende noch ein wenig mehr Spannung, freut er sich: "Es geht nur um die Top 10 und die Priorität wird immer dein Endergebnis sein, aber es gibt mehr Möglichkeiten. Jeder möchte diesen Zusatzpunkt haben."

Während Bottas die Möglichkeit hatte, einen zusätzlichen Boxenstopp einzulegen, um am Ende auf frischen Reifen zu attackieren, war der Abstand von Hamilton auf Verstappen dafür zu gering. Der Red-Bull-Pilot hingegen erweiterte seinen Vorsprung gegenüber den Ferrari-Piloten Sebastian Vettel und Charles Leclerc auf über 23 Sekunden in Runde 56. Allerdings entschied man sich auch bei Red Bull gegen einen zusätzlichen Stopp, da Verstappen sich auf Hamilton-Jagd befand.


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"Das sind 21 mögliche Punkte, die man einfahren kann. Also kann das schon hilfreich sein, aber, wie Valtteri schon sagte, es ist schlussendlich wichtiger, 25 oder 18 oder 15 Punkte einzufahren", kommentiert Verstappen. Er kann nachvollziehen, warum die Topteams das zusätzliche Risiko nicht eingehen wollten: "Da versuchst du, einen Punkt mehr zu holen und alles läuft schief. Das kann manchmal passieren. In meiner Situation habe ich sowieso gepusht und versucht, Lewis einzuholen. Daher bin ich dann auch automatisch [vorübergehend] die schnellste Runde gefahren."

Red-Bull-Teamchef Christian Horner fand die Entscheidung am Ende "spannend". Er verrät, dass das Team mit dem Gedanken spielte, Verstappens Teamkollegen Pierre Gasly auf neuen Reifen angreifen zu lassen. "Wir haben überlegt, ob wir Pierre drauf ansetzen, obwohl er gar nicht in den Top 10 lag. Einfach um Mercedes den Punkt wegzunehmen", so der Brite gegenüber 'Sky'. Der Franzose lag fünf Runden vor Rennende auf 14 Runden alten Softs auf Platz elf im dichten Kampf gegen Toro-Rosso-Pilot Daniil Kwjat.

Von hinten drohte keine Gefahr, da McLaren-Fahrer Lando Norris über 24 Sekunden Rückstand auf Gasly hatte. Ein Boxenstopp hätte ihm demnach keine Position gekostet, Kwjat hätte er allerdings dennoch überholen müssen. Denn nur wenn der Fahrer mit der schnellsten Rennrunde auch in den Top 10 liegt, bekommt er den Zusatzpunkt zugesprochen.

Ferrari rechtfertigt: "War wichtiger, Auto nach Hause zu bringen"

"Da steckt viel Dynamik drin. Max hat's auch probiert. Ein paar Runden lang hatte er die schnellste Runde, bis Valtteri eine 1:25er-Runde gefahren ist. Das war für uns unerreichbar", gibt Horner zu. Der Brite freut sich dennoch über die "zusätzliche strategische Dynamik", die durch den Kampf am Ende entstanden ist.

Nicht nur Red Bull hätte die Möglichkeit gehabt, die Teamtaktik zu splitten. Auch Ferrari hat überlegt, mit Charles Leclerc auf Zeitenjagd zu gehen. Der Monegasse lag fünf Runden vor Rennende komfortabel an der fünften Position und hatte satte 33 Sekunden Vorsprung auf Haas-Pilot Kevin Magnussen. Zudem steckte er hinter seinem Teamkollegen Sebastian Vettel fest, nachdem er die Anweisung bekommen hatte, nicht zu überholen.

"Es gab ein Fenster, in dem wir Charles hätten reinholen können, um auf neuen Reifen um die schnellste Rennrunde zu fahren", gibt Ferrari-Teamchef Mattia Binotto zu, verteidigt im gleichen Atemzug allerdings die konservative Herangehensweise seines Teams: "Aber immer wenn man stoppt, ist das mit Risiko verbunden. Uns war wichtiger, das Auto nach Hause zu bringen und Punkte zu holen", rechtfertigt er die Entscheidung.

Denn: "Auch in Rennen, in denen du nicht das beste Auto hast, ist es immer noch wichtig, Punkte zu holen. Das war unsere Wahl. Wir werden das Rennen analysieren und auch diese Entscheidung", hält er aber auch fest. Ferrari hat damit wie auch Mercedes und Red Bull einen konservativen Ansatz gewählt - auch wenn man die Chance hatte, der Konkurrenz einen Punkt wegzuschnappen.

"Ich habe darüber nachgedacht, aber nur nachgedacht, weil Bottas wirklich sehr schnell war", erklärt Leclerc nach dem Rennen. Er habe in der letzten Runde alles versucht, nachdem er sich hinter Vettel zurückfallen lassen musste. Mit einer 1:26.926 Minuten auf 30 Runden alten Hard-Reifen blieb er allerdings weit von der Bottas-Zeit entfernt (+1,346 Sekunden). "Das war ganz eindeutig nicht genug. Ich glaube, wir wollten nicht das Risiko eines zusätzlichen Boxenstopps eingehen und das Rennen einfach sauber nach Hause fahren."

Nicht nur bei den Topteams wurde über die schnellste Rennrunde diskutiert, sondern auch in der neuesten Folge unseres Formel-1-Podcasts "Starting Grid". Gemeinsam mit Partner meinsportpodcast.de sprach Chefredakteur Christian Nimmervoll unter anderem über den Zusatzpunkt. Außerdem war das neue Sky-Kommentatorenduo Sascha Roos und Ralf Schumacher zu Gast.

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