• 17. März 2019 · 07:40 Uhr

GP Australien: Valtteri Bottas gewinnt Formel-1-Saisonauftakt 2019!

Stallorder bei Ferrari, "Fuck-you"-Funkspruch bei Mercedes: Das Rennen in Melbourne war lange nicht so langweilig, wie es im TV vielleicht gewirkt hat ...

(Motorsport-Total.com) - Wer nach den Barcelona-Tests auf dieses Ergebnis getippt hätte, der hätte wohl viel Geld verdienen können: Nicht Topfavorit Sebastian Vettel auf Ferrari gewann den Grand Prix von Australien in Melbourne, sondern Mercedes dominierte nach dem Qualifying auch das Rennen. Und teamintern setzte sich nicht Weltmeister Lewis Hamilton durch, sondern Underdog Valtteri Bottas!

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Das Podium in Melbourne: Valtteri Bottas strahlt am meisten Zoom Download

Der Finne gewann den Start - und ließ von da an nichts mehr anbrennen, gewann mit 20,9 Sekunden Vorsprung auf Hamilton und sicherte sich auch noch den Bonuspunkt für die schnellste Runde. "Was bitte hattest du heute zum Frühstück?", will Podium-Interviewer Mark Webber wissen. Bottas antwortet trocken: "Porridge."

Die Schlüsselszene war der Start. Bottas kam besser weg als Hamilton und ging in Führung. "Lewis hatte Wheelspin. Wir wissen nicht genau warum", sagt Teamchef Toto Wolff. Hamilton nimmt das auf seine Kappe: "Ich muss an meinen Starts üben." Gab es ein technisches Problem, etwa mit der Kupplung? "Nein."

Für den Weltmeister ist es ein zwiespältiges Ergebnis. Einerseits muss er innerlich Luftsprünge machen, dass Mercedes nach den Barcelona-Tests doch weiter die Nummer 1 zu sein scheint. Andererseits könnte ihm die Performance von Bottas Kopfschmerzen bereiten. Er habe "ein paar Ideen", warum die Pace nicht da war, sagt Hamilton: "Das werde ich mir mit den Ingenieuren anschauen."

Hamilton-Auto: Nach dem Rennen Schaden festgestellt

Erst in der Analyse nach dem Rennen stellte sich heraus: Am F1 W10 von Hamilton wurde im Bereich des Unterbodens, und zwar unmittelbar vor dem linken Hinterrad, eine Beschädigung festgestellt. Das kostete Anpressdruck - und könnte eine Erklärung für die schlechte Balance sein.

Melbourne 2019 war wohl eines dieser Rennen, das ganz anders verlaufen wäre, wenn Hamilton den Start gewonnen hätte. "Wenn du nach dem Start das Momentum mitnehmen kannst, dann kannst du das Tempo diktieren und dein eigenes Ding machen", analysiert der neue 'Sky'-Experte Ralf Schumacher. "Das sind so Rennen, die werden fast zum Selbstläufer."

Ganz anders der Nachmittag von Sebastian Vettel (Ferrari). Am Start konnte er die Attacke von Teamkollege Charles Leclerc noch abwehren. Leclerc hatte den besten Start aller fünf Topfahrer, war schon an Max Verstappen (Red Bull) vorbei, wurde dann aber in der ersten Kurve von Vettel abgedrängt und fiel wieder auf Platz fünf zurück.

Vettel kam dann in Runde 14 (von 58) an die Box und wechselte von Soft auf Medium. Doch vom Barcelona-Speed war weit und breit nichts zu sehen. "Warum sind wir so langsam?", fragte er am Boxenfunk. Antwort seines Renningenieurs: "Wir wissen es nicht."

Vettel räumt ein, dass der Boxenstopp zu früh war und Ferrari den Reifen vielleicht zu viel zugemutet hat. "Aber selbst wenn man das ausblendet, hatten andere weniger Probleme", seufzt er.

'RTL'-Theorie entpuppt sich als falsch

Im Duell gegen Verstappen, der nach dem längeren ersten Stint die frischeren Reifen hatte, hatte Vettel keine Chance. Der Ferrari war in jener Phase so zahnlos, dass 'RTL'-Experte Christian Danner sogar ein defektes Hybridsystem vermutete. Vettel dementiert das: "Wir waren einfach langsam."

Im Finish griff wahrscheinlich sogar zum ersten Mal die neue Nummer-1-Regel bei Ferrari, denn Leclerc attackierte Vettel nicht mehr, obwohl er die frischeren Reifen hatte. Ein paar Runden vor Schluss ließ sich der Monegasse auf 4,5 Sekunden zurückfallen, um einmal auf den Bonuspunkt loszugehen. Eine Runde später war er wieder auf 1,1 Sekunden dran.

"Soll ich hinter Sebastian bleiben? Ja oder nein?", erkundigte sich Leclerc am Boxenfunk. Die Instruktion war klar: "Ja. Und lass dich etwas zurückfallen." Leclerc bestätigte dies mit einem knappen "Okay". Besonders geschmeckt haben dürfte ihm die Stallorder aber nicht.

Ferrari ließ sich dann die Chance durch die Lappen gehen, in der Schlussphase noch einmal Reifen zu wechseln und zumindest den Bonuspunkt für die schnellste Runde abzustauben. Nach hinten hätte man mehr als eine halbe Minute Luft auf Kevin Magnussen (Haas) gehabt. Doch offenbar wollte man das Risiko, das ein Boxenstopp immer mit sich bringt, nicht eingehen.

Als Bottas nach 58 Runden über die Ziellinie fuhr, löste sich beim Finnen die Anspannung einer demütigenden Saison 2018. "To whom it may concern: Fuck you!", funkte er in einem lautstarken Gefühlsausbruch - und meinte damit natürlich die Kritiker, die ihn schon abgeschrieben hatten. Eine Übersetzung des Zitats sparen wir uns an dieser Stelle aus Gründen des Jugendschutzes.

Bottas nach seinem besten Rennen sprachlos

"In der zweiten Saisonhälfte", freut sich Wolff, "wurde Valtteri komplett abgeschrieben. Die Leute haben schon gezweifelt, ob er für den Job geeignet ist. Und jetzt schlägt er auf dominanteste Art und Weise zurück." Was Bottas selbst erst einmal realisieren muss: "Ich verstehe noch gar nicht, was gerade passiert ist. Das war sicher mein bestes Rennen in der Formel 1."

Dahinter hatte sein Teamkollege noch gegen Verstappen zu kämpfen. Der Red Bull tat sich im ersten Stint schwer, "aber nach dem Wechsel auf Medium fühlte sich das Auto richtig gut an", berichtet der Niederländer. Eine Attacke auf Hamilton war nicht mehr drin: "Sobald du auf eineinhalb Sekunden dran warst, haben die Reifen überhitzt." Immerhin bescherte er Honda die erste Führungsrunde seit Kanada 2008.

Die entscheidende Phase des Grand Prix von Australien 2019 waren die Boxenstopps. Vettel triggerte mit seinem Stopp in Runde 15 auch Mercedes. Weil der führende Bottas mehr Vorsprung hatte als Hamilton, wollte man zunächst mit Hamilton auf Nummer sicher gehen. "Wir mussten Vettel covern", erklärt Teamchef Wolff.

Aber mit Undercut war diesmal nichts - ganz im Gegenteil: In Melbourne stellte sich der längere erste Stint als Vorteil heraus. Bottas kam erst in Runde 23 rein. Als er mit frischeren Mediums wieder auf die Strecke fuhr, hatte er schon zehn Sekunden Vorsprung. Und am Ende noch genug Reserven, um in der vorletzten Runde auch noch den Bonuspunkt abzustauben.

"Best of the Rest" war - das ist nach den Wintertests keine Überraschung - Haas. Magnussen kam als Sechster ins Ziel und hatte beruhigende 6,8 Sekunden Vorsprung auf Nico Hülkenberg (Renault). Sein Teamkollege Romain Grosjean schied allerdings aus. Nach dem Boxenstopp war ein Rad locker, sodass er abstellen musste.

Kann nicht wahr sein: Wieder Boxenpanne bei Haas!

"Deja-vu! Wieder das gleiche Problem wie im Vorjahr", hadert der Franzose mit dem Schicksal. "Das ist mein dritter Ausfall hintereinander hier. Ich lag jedes Mal in den Punkten. Australien mag mich einfach nicht." Technikchef Günther Steiner betont zwar, er habe das Auto noch nicht gesehen. Aber: "Ich schätze, da ist einfach der Boxenstopp schiefgegangen."

Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) wurde Achter, vor Lance Stroll (Racing Point) und Daniil Kwjat (Toro Rosso). Kwjat war einmal nach einem "zu optimistischen" (Ralf Schumacher) Überholversuch gegen Stroll im Kiesbett, holte aber beim Comeback gleich einen Punkt. Und blieb vor Pierre Gasly (Red Bull), der außer eines extrem langen ersten Stints keine Akzente setzen konnte.

Gaslys Vorgänger bei Red Bull, Daniel Ricciardo, erlebte einen katastrophalen Einstand bei Renault. Nachdem er schon den Q3-Einzug verpasst hatte, verlor er im Rennen gleich am Start den Frontflügel. Irritiert (aber nicht berührt) von einem Konkurrenten zog er nach rechts auf die Wiese. Dort ging auf einer Bodenwelle seine Frontpartie kaputt.

Ricciardo kam zwar an die Box, um diese reparieren zu lassen, spielte danach aber keine Rolle mehr und wurde etwas später von seinem Team aus dem Verkehr gezogen. Auch Robert Kubicas Rennen war schnell gelaufen, wegen eines Schadens am Start. Der Comeback-Superstar schleppte den Williams aber immerhin über die Ziellinie - als Letzter, mit drei Runden Rückstand.

Die Formel-1-Saison 2019 geht in zwei Wochen mit dem Grand Prix von Bahrain weiter. Mercedes, da sind sich die meisten Experten einig, ist nun der Favorit für die nächsten Wochen. Aber genau wie 2018 kann das Pendel von Rennen zu Rennen neu ausschlagen. "Australien", sagt Leclerc, "ist eine sehr spezielle Strecke. Kein Grund, Panik zu schieben ..."

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