25.000 Euro: Sebastian Vettel kommt mit saftiger Geldstrafe davon
Sebastian Vettel erhält nach dem Waagen-Vergehen im Qualifying zum Großen Preis von Brasilien 2018 eine Geldstrafe - Keine sportlichen Konsequenzen
(Motorsport-Total.com) - Ferrari-Pilot Sebastian Vettel kommt einem ziemlich blauen Auge davon: Nachdem er beim Großen Preis von Brasilien 2018 im Autodromo Jose Carlos Pace in Interlagos im Qualifying eine Pylone umgefahren, einen FIA-Delegierten beinahe erfasst und eine Waage zerstört hatte, erhielt er eine Geldstrafe von 25.000 Euro plus eine Verwarnung. Seinen zweiten Startplatz in Sao Paulo darf er behalten.
Für Vettel ist es die erste Verwarnung der Formel-1-Saison 2018, daher hat er keinerlei sportliche Konsequenzen zu fürchten. (Formel 1 2018 im Live-Ticker!) Bei drei Verwarnungen würde es automatisch eine Strafversetzung um zehn Plätze in der Startaufstellung geben, aber nur, wenn mindestens zwei davon für Fahrmanöver auf der Strecke verhängt wurden. Das ist hier nicht der Fall. Die Szene im Video!
Vettel war in zwei Punkten angeklagt: Er soll nicht den Anweisungen der Offiziellen Folge geleistet und nicht seinen Motor während des Wiegens abgestellt haben. Die FIA-Kommissare kamen zu dem Schluss, dass der viermalige Weltmeister - anders als von FIA-Technikchef Jo Bauer bei seinem Hinweis an die Rennkommissare angegeben - sehr wohl seinen Motor abgestellt hat. Hinsichtlich des anderen Anklagepunkts wurde der Ferrari-Fahrer schuldig gesprochen.
FIA-Mann ermunterte Vettel zum Drauffahren
Die Strafe wurde anhand des Artikels 12.1.1 i. des Internationalen Sportkodex der FIA verhängt. Dieser besagt, dass es als Verstoß zu behandeln ist, wenn ein Fahrer den Instruktionen des relevanten Offiziellen für einen sicheren und ordnungsgemäßen Ablauf eines Events nicht Folge leistet.
Aufnahmen von Onboard-Kameras zeigen, dass Vettel am Boxeneingang das Signal erhielt, an der sogenannten "Bridge", also vor der FIA-Garage, anzuhalten. Da dies im Qualifying nur Antreten zum Wiegen bedeuten kann (es wird per Zufallsgenerator ausgewählt), steuerte er zielsicher die Waage an - beziehungsweise das Karree, in dem die Waage mit einem zentralen Element und vier einzelnen Anbauten (für jedes Rad eine) aufgestellt sind.
Das normale Prozedere sieht vor, dass der Fahrer vor dem Karree anhält, seinen Motor abstellt, von den FIA-Offiziellen auf die Waage geschoben, dort gewogen und anschließend wieder von der Waage herunter geschoben wird, die Mechaniker auf Kommando den Wagen wieder anlassen und er damit entlassen ist.
In diesem Fall war die Lage etwas anders: Aufgrund des drohenden Regens stand Vettel unter enormem Zeitdruck. Der Ferrari-Wetterbericht hatte gerade ein trockenes Fenster vorhergesagt, das Ferrari nutzen wollte, um von Supersoft- auf Soft-Reifen zu wechseln. Denn die Regel besagt: Wer ins Q3 einzieht, muss das Rennen auf dem Reifen starten, mit dem er in Q2 seine schnellste Zeit gefahren ist. Der härtere Soft-Reifen gilt als die bessere Variante, das Rennen zu starten. Vettel sollte seine auf Softs hinbekommen. "Aber ich hatte nur zwei Minuten Zeit dafür", sagt er nach dem Training.
Jedenfalls brachte das Wiegen den Zeitplan durcheinander und aus diesem Grunde war Vettel extrem ungeduldig. Statt vor dem Karree zu warten und den Motor abzustellen, fuhr er mit laufendem Aggregat die Pylone um, die Fahrer vom eigenmächtigen Auffahren auf die Waage abhalten soll.
Ein Helfer räumte diese im Schneckentempo weg, was Vettel weiter provozierte. Er gab Gas, um aus eigener Kraft auf die Waage zu fahren, und fuhr den FIA-Mann beinahe um. Unterstrichen wurde die Ungeduld durch seinen Teamfunk. Dort schrie er auf Deutsch: "Komm, mach weg, mach weg! Hopp!" Und auf Englisch: "Los jetzt, macht hin, macht hin!" Dabei gestikulierte er wild herum.
Gleichzeitig gab jedoch ein anderer, vor der Waage befindlicher FIA-Mann mit drehenden Händen ein Signal, was sich als "Fahr auf die Waage" interpretieren ließ. Als Vettel genau richtig auf den vier Reifen-Waagen anhielt, reckte derselbe Helfer den Daumen nach oben.
Als sein Auto gewogen war, wartete Vettel nicht darauf, dass ihn die Offiziellen von der Waage schoben, sondern fuhr aus eigener Kraft selbst los. Allerdings gab auch hier der Helfer, der vor der Waage stand, ein Handsignal, das sich als "Fahr los" interpretieren ließ. Dadurch zerstörte der Ferrari SF71H das elektronische Gerät.
Verbrennungsmotor war beim Wiegen abgestellt
In der FIA-Begründung für die Strafe heißt es: "Die Kommissare ziehen in Betracht, dass der Fahrer die Signale des Offiziellen missverstanden hat. Auch kam durch die wegfliegenden Waagenteile niemand zu Schaden. Die Kommissare akzeptieren, dass er nicht auf rücksichtslose Art und Weise losgefahren ist. Allerdings ist das Prozedere aus gutem Grund wie es ist: Es sollen mögliche gefährliche Situationen oder Schäden an der Waage verhindert werden. Genau das ist in diesem Falle jedoch geschehen."
"Die Kommissare kommen daher zu dem Schluss, dass der Fahrer den Instruktionen der relevanten Offiziellen nicht Folge geleistet hat, und sprechen daher eine Verwarnung und eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro aus."
Nicht schuldig gesprochen wurde Sebastian Vettel hinsichtlich des Artikels 29.1.a.i. im Sportlichen Reglement der Formel 1. Dieser besagt, dass ein Fahrer den Motor beim Wiegen abstellen soll, wenn er das Signal dafür bekommt. Jo Bauers Bericht an die FIA-Kommissare zufolge hatte Vettel den Verbrennungsmotor nicht abgestellt und wurde mit laufender Antriebseinheit gewogen.
Videoaufzeichnungen, Datenanalysen und Aussagen Vettels und seines Teams widerlegten jedoch diese Angabe. Das Ferrari-063-Aggregat wurde abgestellt, wenn auch nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem es hätte abgestellt werden sollen (nämlich vor dem Karree). Das allerdings fiel in den Bereich des anderen Anklagepunkts. Anschließend startete er den Motor mittels der Batterie von selbst. Da der Motor während des Wiegevorgangs allerdings abgestellt war, konnte ein Verstoß gegen diesen Artikel nicht festgestellt werden. Aus diesem Grunde wurde Vettel "nur" für ein statt zwei Vergehen verurteilt.
Ob die Geldstrafe den Wert der zerstörten Waage aufwiegt, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Situation könnte allerdings noch weitreichendere Folgen haben: Daniel Ricciardo will das thema beim großen Preis von Abu Dhabi zur Sprache bringen und sich dafür einsetzen, dass keine Fahrzeuge im Qualifying mehr gewogen werden, die noch keine Zeit markiert haben.