Whiting verteidigt Regel bei roter Flagge: "Wie konnte Vettel das übersehen?"
Warum Sebastian Vettels Rotvergehen in Austin für FIA-Rennleiter Charlie Whiting nicht nachvollziebar ist und wieso das Beharren auf Deltazeiten der einzige Weg ist
(Motorsport-Total.com) - FIA-Rennleiter Charlie Whiting verteidigt nach Sebastian Vettels Kritik in Austin die seit 2018 gültigen Regeln bei einem Abbruch. Der Ferrari-Pilot hatte im ersten Training bei roter Flagge die Delta-Zeiten missachtet und sich so eine bittere Rückversetzung um drei Startplätze eingehandelt. "Ich halte eine harte Regel für besser, denn sonst werden wir dauernd gefragt, um wie viel man langsamer fahren muss", erklärt der Brite, warum er sich nicht auf den gesunden Menschenverstand der Piloten verlasse.
"Mit den Teams ist es immer das gleiche: Sie wollen wissen, wie weit sie etwas ausreizen können. Und wenn es ein klares Limit gibt, dann ist es ganz einfach, das einzuhalten. Daher war das meiner Ansicht nach ein Fehler des Fahrers", wiederholt er seine Kritik an Vettel.
Der hatte gemeint, das System habe "seine Fehler und seine Lücken. Ich muss fast stehenbleiben, also auf 30, 40, 50 km/h, um das Delta zu erreichen. Das sollte ich das nächste Mal tun, auch wenn ich es nicht für richtig halte, weil ein Auto hinter dir in dich reinfahren könnte. Es ist aber wichtiger, dass man keine Strafe bekommt."
Whiting: Wie kann man rote Flagge übersehen?
Whiting kann währenddessen nach wie vor nicht verstehen, wieso sich Vettel erst 28 Sekunden nach dem Erscheinen der roten Flagge in einem der 20 Mini-Sektoren an den auf dem Display angezeigten Referenzwert von 145 Prozent der durchschnittlichen Trainings-Rundenzeit hielt. "Diese LED-Tafeln leuchten in grellem Rot auf", verweist er auf die alle 400 Meter angebrachten Signaltafeln. "Man kann das eigentlich nicht übersehen. Er hat das aber nicht gut genug hinbekommen." Über die Gründe kann er nur mutmaßen: "Vielleicht hat er sich nicht daran erinnert."
Auch die Rückversetzung um drei Startplätze sei mehr als gerechtfertigt gewesen. "Wenn man das nüchtern und mit etwas Abstand betrachtet, dann muss man sagen: Es ist ein schlimmes Vergehen, bei einer roten Flagge nicht entsprechend zu verlangsamen", sagt Whiting, der 2014 in Suzuka bei Jules Bianchi als Verantwortlicher miterleben musste, was passieren kann, wenn ein Pilot abfliegt, während gerade ein Bergefahrzeug im Streckenbereich aktiv ist.
Als Reaktion auf das tragische Unglück, das dem Franzosen ein Jahr später das Leben kostete, führte Whiting das Virtual-Safety-Car - also Delta-Zeiten auf Basis der durchschnittlichen Rundenzeit, die bei einer Neutralisierung auf keinen Fall unterschritten werden dürfen - ein. Diese Saison weitete er das System auch auf Renn- oder Trainingsabbrüche aus, da sich auch in diesem Fall Streckenposten in den Gefahrenzonen bewegen können.
Drei Startplätze zurück: Wie es zum Strafmaß kam
"Ursprünglich gab es keine Bedingung, um wie viel langsamer man bei einer roten Flagge werden soll - ganz im Gegensatz zu den Bedingungen bei einem Safety-Car oder einem Virtual-Safety-Car", erklärt Whiting. "Es war also logisch - und das war auch im Sinne der Teams - exakt das gleiche System bei einer roten Flagge anzuwenden. Alle waren der Ansicht, dass das eine sinnvolle Entscheidung ist."
Ursprünglich wäre es sogar angedacht gewesen, ein Vergehen mit einer Rückversetzung um fünf Startplätze zu ahnden. Doch als Daniel Ricciardo im Melbourne-Qualifying als erster Pilot gegen die Regel verstieß, weil er die Warnsignale auf dem Lenkrad-Display falsch interpretiert hatte, drückte man ein Auge zu. "Die Rennkommissare waren der Ansicht, dass Daniels Vergehen in Melbourne nicht so ernst war, also haben sie eine weniger harte Strafe verhängt", verweist er auf die Rückversetzung um drei Startplätze.
"Aus seiner Sicht war das natürlich eine heftige Strafe, aber das wurde dann zum Präzedenzfall." Und deswegen wurden auch Force-India-Pilot Esteban Ocon im Suzuka-Qualifying und Vettel in Austin mit dem gleichen Strafmaß konfrontiert.