"Iceman" taut auf: Kimi Räikkönen nach historischem Sieg "glücklich"
Kimi Räikkönen knackte einen Michael-Schumacher-Rekord und freute sich nach der Zieldurchfahrt schon auf die Party in Austin - Zehn Runden zitterte er um den Sieg
(Motorsport-Total.com) - Davon zu sprechen, dass Kimi Räikkönen auf seinen Sieg beim US-Grand-Prix am Sonntag emotional reagiert hätte, wäre eine Übertreibung. Dennoch war dem mit Sonnenbrille auf das Podium gestiegenen "Iceman" anzumerken, dass das Ende seiner Durstrecke eine Last von seinen Schultern nahm. "Es ist noch immer ein tolles Gefühl", murmelt er vor den TV-Kameras, um gleich wieder Contenance zu zeigen: "Aber im Großen und Ganzen hat sich im Leben dadurch nichts verändert."
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Kimi Räikkönen ließ sich feiern - und freute sich darauf, auch noch feiern zu gehen Zoom Download
Demzufolge wird der Erfolg wohl ähnlich intensiv begossen wie frühere. Ob er den Sieg-Bonus bei einer Party im als Feiermetropole verschrienen Austin auf den Kopf hauen wolle, will ein Reporter wissen. "Ich weiß ich nicht, ob es den überhaupt gibt", antwortet Räikkönen und fängt laut an zu lachen, "ich habe Boni, ja, aber das entscheidet nicht darüber, ob wir abends ausgehen oder nicht."
Grund zu feiern hat er. Räikkönen stellte mehrere Formel-1-Rekorde auf. Mit 15 Jahren, sechs Monaten und 28 Tagen ist die Zeitspanne zwischen seinem ersten Karriereerfolg und dem jüngsten so groß wie bei keinem anderen Piloten. Zuvor hielt die Bestmarke Michael Schumacher mit 14 Jahren, einem Monat und einem Tag. Dazu vergingen zwischen Räikkönens 20. Sieg - 2013 in Australien - und seinem 21. Sieg 114 Grands Prix, womit er einen Rekord Riccardo Patreses (99) brach.
Dass Räikkönen jetzt einen Erfolg mehr auf der Habenseite hat als Mika Häkkinen, macht ihn nach Rennsiegen zudem zum erfolgreichsten Finnen der Geschichte. In der ewigen Bestenliste rückt er auf den 15. Platz vor. Und ein ganz besonders hart erkämpfter Triumph war der 21. auch noch.
Nach Räikkönens Überholmanöver gegen Pole-Setter Lewis Hamilton in der Startkurve sah es kurz so aus, als würde Mercedes Ferrari mit einem Stopp unter dem Virtuellen Safety-Car überrumpeln. Die Befürchtung vieler Experten, dass er den richtigen Zeitpunkt für den Reifenwechsel verpasst hätte, teilte der Routinier aber nicht. "Nein, meine Reifen waren noch völlig in Ordnung", erklärt er.
Sein Renningenieur sagte ihm sofort, dass Hamilton wohl ein zweites Mal stoppen müsste und es sich deshalb nicht gelohnt haben könnte, das VSC auszunutzen. Als Räikkönens Supersoft-Reifen den Geist aufgaben und Hamilton hinter ihm klebte, wehrte er sich nach Kräften und hielt den Silberpfeil auf - die entscheidenden Sekunden. "Abgesehen vom Start die wichtigste Szene", weiß er.
Räikkönen holte sich frische Reifen ab und wusste, was zu tun war. "Ich musste nur den Abstand halten", meint er. "Ich habe etwas aufgeholt und dann ging es darum, bestimmte Rundenzeiten zu fahren." Ferrari wartete darauf, dass Hamiltons Reifen in die Knie gingen. Als der Brite nur noch herumrutschte, fuhr Räikkönen auf acht Sekunden heran und übernahm beim Stopp die Führung.
Als Max Verstappen und der frisch bereifte Hamilton in der Schlussphase aufschlossen, schwitzte aber selbst der "Iceman" unter dem Helm. "Zehn Runden war ich nicht der glücklichste Mensch der Welt", sagt er über eine Phase, in der die Pirelli-Reifen ohne Vorwarnung hätten einbrechen können. Dass sich seine Kontrahenten aber gegenseitig behakten, lieferte ihm aber zusätzliche Sicherheit.
"Wir haben versucht, konstant zu fahren und die Reifen über die Distanz zu bringen. Ich wollte aber nicht, dass sie dichter herankommen", sagt Räikkönen, der Verstappen erst spät in das DRS-Fenster kommen ließ. "Ich wusste: Umso länger das Rennen dauert, desto besser stehen meine Chancen."
Schließlich relativierte sich Hamiltons Vorteil der frischeren Reifen zusehends und war obsolet, als er Verstappen angriff und durch die Auslaufzone räuberte. Räikkönen atmete auf. "Es war ein Balanceakt, aber es hat prima geklappt. Ein großer Kampf - das, was wir Fahrer und die Fans wollen."
Die Gratulationen an Kimi Räikkönen fielen ungewohnt überschwänglich aus. Nicht nur Teamkollege Sebastian Vettel zeigte sich trotz eigener Irrfahrt "hoch erfreut", auch Hamilton widmete seinen ersten Beitrag beim Kurznachrichten-Dienst Twitter nach dem Rennen dem Ferrari-Kontrahenten.
Einige Kritiker, die ihm keinen Grand-Prix-Sieg mehr zutrauten, dürfte Räikkönen zum Verstummen gebracht haben. "Ich bin nie glücklich, wenn ich Zweiter werde. Jetzt aber bin ich zufrieden", meint der 39-Jährige. "Ich mag älter werden, aber so schlecht bin ich auch wieder nicht." Trotz seines Wechsels zu Sauber 2019 - einem Team, das nicht um Grand-Prix-Erfolge wird kämpfen können - beteuert er, sich stets mit dem Ziel, Rennen zu gewinnen, in Formel-1-Autos setzen würde.