• 03. September 2018 · 14:11 Uhr

Prellbock gegen Räikkönen: Hat Mercedes Bottas geopfert?

Warum Vatteri Bottas kein Problem damit hatte, Kimi Räikkönen für Lewis Hamilton einzubremsen, und wie sich die Strategie auf das Verstappen-Duell auswirkte

(Motorsport-Total.com) - Die Wut der Ferrari-Fans nach dem Heimrennen in Monza war groß: Mercedes habe Valtteri Bottas geopfert, um Kimi Räikkönen einzubremsen und Lewis Hamilton den Sieg zuzuspielen. Tatsächlich stoppte der Finne erst in der 36. Runde - also 16 Umläufe nach dem Finnen - und sorgte dafür, dass Hamilton nach seinem Stopp in der 28. Runde zu Räikkönen aufschließen konnte.

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Räikkönen im Mercedes-Sandwich: Bottas' später Stopp kommt Hamilton zugute Zoom Download

Aber musste Bottas wirklich für Hamilton die Bremse machen und seinen Stopp für den WM-Leader hinauszögern? "Ich habe das gerne getan, denn das hat ja mein eigenes Ergebnis nicht verschlechtert", sieht Bottas, der am Ende Dritter wurde, kein Problem. "Das war gut für mich, aber auch gut für Lewis, weil ich Kimi eingefangen habe. Und so hatte ich die Chance, Max Verstappen am Ende mit frischen Reifen zu attackieren."

Man kann also aus Mercedes-Sicht von einer Win-Win-Situation sprechen. Denn Red-Bull-Pilot Verstappen, der sich in der Anfangsphase gegen Bottas durchsetzte, absolvierte seinen Stopp in der 26. Runde. "Die Reifen haben gut gehalten, also sind wir einen langen ersten Stint gefahren", erklärt Bottas den Grund für seine Strategie mit dem späten Stopp.

Hatte Mercedes wirklich keine andere Wahl bei Bottas?

"Wir wussten, dass wir ihn so lange wie möglich draußen lassen mussten, denn er hatte seinen Platz bereits an Verstappen verloren", argumentiert Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "So sorgten wir dafür, dass seine Reifen gegen Rennende viel frischer waren. Das war die beste Chance für ihn, auf das Podest zu kommen, und außerdem hat die Strategie auch für Lewis funktioniert."

Wäre es wirklich nicht möglich gewesen, Bottas durch einen Boxenstopp unmittelbar nach Verstappens Reifenwechsel am Red Bull vorbeizubringen? Es wäre jedenfalls knapp geworden: Der Finne lag unmittelbar vor Verstappens Stopp 1,1 Sekunden hinter dem Red Bull, in der Runde nach dessen Stopp hatte er 22,4 Sekunden Vorsprung. Bei einer Deltazeit von etwa 23 Sekunden hätte der Mercedes-Pilot also sogar eine Chance gehabt.

Bottas: "Ein bisschen früher wäre ideal gewesen"

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Erst durch die Strafe für Verstappens Rammstoß kam Bottas auf Platz drei Zoom Download

Da Verstappen frische Soft-Pneus aufgezogen hatte, schrumpfte Bottas' Vorsprung bis zum Mercedes-Stopp auf 19,5 Sekunden zusammen. "Wäre ich ein bisschen früher hereingekommen, wäre es für mich ideal gewesen", gibt Bottas zu, dass er für Hamilton doch einen kleinen Kompromiss eingehen musste. "Da die Reifen auf dieser Strecke aber so lange halten, habe ich mein Rennen nicht wirklich geopfert, solange es mir gelang, Kimi hinter mir zu halten. Hätte er mich überholt, hätte ich mit Sicherheit Zeit verloren."

Und da Bottas im WM-Klassement bereits 97 Punkte hinter Leader Hamilton liegt, wehrt er sich nicht dagegen, seinen Teamkollegen zu unterstützen. "Mein Rückstand auf ihn ist inzwischen sehr groß, also bin ich auch gewillt zu kooperieren, wenn es Sinn ergibt", bietet Bottas seine Hilfe an. "Das Team will beide Titel holen, das ist nun mal so. Da muss man realistisch sein."

"Wingman" Bottas: Warum er in Ungarn verschnupft war

Dabei hatte sich Bottas in Ungarn noch dagegen gewehrt, nach seiner über 20 Runden andauernden Blockade gegen die beiden Ferrari von Wolff als "perfekter Wingman" für Hamilton bezeichnet zu werden. "Ich habe den Begriff Wingman ein bisschen falsch verstanden", gibt er heute zu. "Im Film Top Gun sieht man, was er eigentlich bedeutet. Und wir sind beide Wingman des anderen, also alles in Ordnung."

"Ich habe den Begriff Wingman ein bisschen falsch verstanden."Valtteri Bottas
Wenn Bottas den Ungarn-Grand-Prix mit Monza vergleicht, sieht er aber noch einen anderen Unterschied: "Dort hat die Strategie mein Rennen wirklich beeinträchtigt, was jetzt nicht der Fall war. Vielleicht hätte es ein bisschen besser sein können, ich weiß aber nicht, ob es eine Chance gab, Zweiter zu werden. Das Resultat wurde also nicht beeinträchtigt, was für mich akzeptabel ist."

Während also Mercedes die strategische Gelegenheit beim Italien-Grand-Prix nutzte, Hamilton zu helfen, erwies sich Räikkönen bis zu Sebastian Vettels Fehler in der dritten Kurve als harter Konkurrent des WM-Zweiten. Ob Vettel überrascht war, dass Räikkönen zweimal Gegenwehr zeigte? "Nein", antwortet Vettel, der es laut eigenen Angaben gewohnt ist, dass der Teamkollege sein eigenes Rennen fährt: "Das war für mich nie anders, und ich erwarte auch nichts anderes."

Wolff: Wollen auf Teamorder so lange wie möglich verzichten

Eine interessante Aussage, zumal sich Vettel nach Platz zwei im Qualifying verschnupft zeigte, weil der in der WM deutlich zurückliegende Räikkönen von der vor der Saison festgelegten Teamstrategie profitierte und in den Genuss des Windschattens seines Teamkollegen kam.

Sieht man das bei Mercedes anders und muss sich Bottas nun stets unterordnen? "Wir haben darüber vor dem Rennen gesprochen und keine Notwendigkeit dafür gesehen", winkt Motorsportchef Wolff ab. "Mal schauen, was wir in Singapur machen, aber ich will den Moment jedenfalls so weit wie möglich hinauszögern."

Der Grund? "Ich mag keine Teamorder", sagt der Österreicher. "Sie ist weder gut für den Sport noch für die Fahrer, denn auch Lewis will keine Geschenke. Wir werden uns das Rennen für Rennen anschauen."

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