• 29. Juli 2018 · 20:06 Uhr

Bottas-Rammstoß: Nahm Sebastian Vettel zu viel Risiko?

Beinahe hätte Sebastian Vettel für die Kollision mit Valtteri Bottas bitter bezahlt: Wie er den Rammstoß erlebte, wieso er Riesenglück hatte und Toto Wolff kein Mitleid hat

(Motorsport-Total.com) - Mercedes-Pilot Valtteri Bottas prägte die Endphase des Ungarn-Grand-Prix: Fünf Runden vor Schluss kollidierte der Teamkollege von Lewis Hamilton bei seiner Verteidigungsschlacht mit dessen Titelrivalen Sebastian Vettel, dann mit Daniel Ricciardo, wofür er eine Zehn-Sekunden-Strafe erhielt. Vor allem für den am Ende zweitplatzierten Ferrari-Piloten hätte die Berührung mit dem Finnen aber nach Hockenheim erneut in einem Fiasko enden können, denn Vettel entging nur knapp dem zweiten Ausfall in Folge.

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Vettel hätte bei der Kollision mit Bottas fast die nächste Nullnummer geschrieben Zoom Download

"Plötzlich spürte ich eine Schlag", schildert Vettel den Zwischenfall in der zweiten Kurve, nachdem er mit DRS am mit 50 Runden alten Hinterreifen kämpfenden Mercedes-Piloten vorbeigezogen war. "Ich weiß nicht, wo er hinwollte, denn ich war vorne", beschreibt Vettel die Situation, als ihm der Silberpfeil ins linke Hinterrad knallte. "Ich war mir eigentlich ganz sicher, dass ich ihn überholt hatte, wollte nicht zu weit nach außen getragen werden sicherstellen, dass ich den Bremspunkt nicht verpasse. Als ich auf die Bremse stieg und einlenkte, spürte ich die Berührung. Ich hatte Glück, dass ich das Auto noch abfangen konnte und keinen Reifenschaden hatte."

Während Vettels SF71H kaum beschädigt wurde, wurde die rechte Endplatte von Bottas' Frontflügel ordentlich ramponiert. Doch wie hat der Finne den Crash erlebt? "Ich hatte eingangs Kurve 2 meine Nase immer noch innen, er war außen", erklärt der Mercedes-Pilot. "Er hat dann aus meiner Sicht sehr früh eingelenkt, und ich konnte nirgends hin. Wir haben uns berührt, und nur mein Auto wurde beschädigt. Was soll's - ein Rennunfall eben."

Warum Vettel Riesenglück hatte

Das sahen die Rennkommissare rund um Ex-Formel-1-Pilot Derek Warwick ähnlich, die den Mercedes-Piloten für den Crash nicht zur Verantwortung gezogen haben. Dabei hätte es für Vettel beinahe tragisch geendet. "Er hatte Riesenglück, dass sich der Reifen nicht aufgelöst hat, denn wir wissen, dass der Pirelli bei einer seitlichen Berührung ein sehr sensibler Reifen ist", stellt Ex-Formel-1-Pilot Alex Wurz gegenüber dem 'ORF' klar. "Da haben wir schon einige Reifenschäden gesehen."

Das Mitleid von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hält sich währenddessen in Grenzen. "Wir haben solche Situationen in diesem Jahr öfter gesehen - mit Lewis und Kimi in Silverstone und mit Sebastian und Valtteri in Paul Ricard", spielt er auf die bisherigen Stallkollisionen zwischen Ferrari und Mercedes in dieser Saison an, bei denen die Silberpfeil-Piloten unschuldig zum Handkuss gekommen sind. "Jetzt haben wir es mal in die andere Richtung. Business as usual würde ich sagen."

Den Rammstoß durch Bottas führt der Österreicher auch auf die "komplett fertiggefahrenen" Soft-Hinterreifen seines Schützlings zurück: "Valtteri war innen auf der dreckigen Linie, hat sich mit Händen und Füßen gewehrt und dann hat es eine Kollision gegeben. Das war für mich ein Rennunfall."

Wurz: Vettel hat nicht an die WM gedacht

Auch Landsmann Wurz sieht übrigens die Schuldfrage nicht ganz klar bei Bottas, zumal Vettel trotz des engen Titelkampfes alles riskierte. "Bottas hat in der ersten Kurve innen abgedeckt und ist ein bisschen weit nach außen gerutscht. Vettel hat sich am Kurvenausgang gerade positioniert und war daher früher auf dem Gas", erklärt er, wie Vettel das Manöver eingeleitet hat. "Dann lässt er Bottas die ganze Gerade im Schmutz fahren und deutet somit an: Mit mir spielst du dich nicht! Bottas hat aber auch nicht nachgegeben."

Das kompromisslose Manöver sei "sehr aggressiv von Vettel" gewesen, "der aufpassen muss, da er sich wegen der WM keinen Ausfall erlauben kann. Er denkt aber im dem Augenblick nur an den Zweikampf und zeigt, was für ein Kämpfer er im Auto eigentlich ist, was man ihm manchmal nicht ansieht." Und Christian Danner wirft gegenüber 'RTL' ein, dass Vettel das Duell in der zweiten Kurve gar nicht gewinnen hätte müssen: "Weil es wurscht ist, ob der andere innen oder außen herum fährt. Und Kurve 3 ist eine Rechtskurve, da hast du dann wieder gute Karten."

Interessant ist, dass auch Vettel, der sich über Bottas' Hartnäckigkeit wundert, den Mercedes-Rivalen aber nicht direkt als Übeltäter sieht: "Ich gebe ihm nicht die Schuld. Ich denke, dass er keinen Grip hatte, und dann ist es sehr schwierig, das Auto abzubremsen. Er hat sich dann verbremst, und so kam es zur Kollision." In Anbetracht dessen muss sich Hamiltons WM-Rivale, der nun in der WM schon 24 Punkte zurückliegt, den Vorwurf gefallen lassen, in manchen Situationen zu viel Risiko zu nehmen.

Ricciardo-Kollision: Darum wurde Bottas bestraft

Vorwürfe muss sich aber auch Bottas gefallen lassen: Hätte er nach dem Crash mit Vettel gegen Langzeit-Rivale Ricciardo zwei Runden vor der Zielflagge nicht etwas vorsichtiger zu Werke gehen können? Die Rennkommissare sind ganz klar dieser Meinung. Der Finne, der erneut am Ende der Start-Ziel-Gerade erneut die Innenbahn abdeckte und beim Einlenken in den Red-Bull-Boliden rutschte, erhielt nach der Anhörung bei den Rennkommissaren eine Zehn-Sekunden-Strafe und zwei Strafpunkte.

Begründung: Ricciardo habe auf der Außenbahn "genug Platz gelassen". Bottas, der durch seinen demolierten Frontflügel weniger Abtrieb hatte, habe sich hingegen "verbremst, durch die Kollision Ricciardo von der Strecke gedrückt und für eine Beschädigung gesorgt". Für Bottas hält sich der Schaden in Grenzen, denn er bleibt 13,3 Sekunden vor Pierre Gasly Fünfter.

"Ich hatte nur mehr den halben Frontflügel und habe mich verbremst, aber ich bin sicher, dass er gesehen hat wie schnell ich in die erste Kurve gefahren bin", verteidigt Bottas sein misslungenes Manöver. "Er hat dennoch eingelenkt und wir haben uns berührt." Ricciardo will den Vorwurf nicht gelten lassen: "Ich habe getan, was ich konnte und ihm genug Platz gelassen, aber ich schätze, dass es wegen seiner Beschädigung sehr hart war."

War Bottas Opfer seines kaputten Frontflügels?

Dass Bottas daraufhin per Boxenfunk aufgefordert wurde, die den vierten Platz Ricciardo zu überlassen, freut den "Aussie", der in der letzten Runde aber aus eigener Kraft vorbeiging: "Besten Dank an Mercedes. Ich wollte ihn dennoch auf der Strecke überholen, anstatt auf eine Strafe zu warten." Während Wolff mit der Strafe für seinen Schützling gerechnet hatte, hält Wurz dies für eine übertriebene Reaktion.

"Man sieht: Er will einlenken, und dann blockiert auch noch das Vorderrad. Und er kann die Kräfte der Physik nicht überwinden und rutscht hinaus", verteidigt er Bottas. Danner kann hingegen mit dem Urteil leben: "Wenn man auf Strafen verzichten kann, sollte man auf Strafen verzichten, aber es war doch schon relativ eindeutig, wie er Ricciardo über den Haufen gefahren hat."

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