Mercedes: Hamilton-Sieg durch Teamorder erleichtert, nicht erzwungen
Vom 14. Startplatz hat Lewis Hamilton den Grand Prix von Deutschland gewonnen - Nach dem Crash von Sebastian Vettel griff Mercedes mit Verzögerung ein
(Motorsport-Total.com) - Damit hatte Lewis Hamilton nicht gerechnet. Nach dem Technik-Drama vom Qualifying am Samstag nur von Startplatz 14 in den Grand Prix von Deutschland auf dem Hockenheimring gegangen, fuhr Hamilton im Verlauf der teilweise chaotischen 67 Rennrunden tatsächlich zum Sieg.
Für Hamilton ist es der vierte Saisonsieg 2018 und mit diesem hat er beim gleichzeitigen Ausfall von Ferrari-Pilot Sebastian Vettel, der in der 52. Runde in Führung liegend abflog, nun wieder die WM-Führung übernommen. Doch als das Rennen nach einer Safety-Car-Phase infolge des Vettels-Crashs wieder freigegeben wurde, kam Hamilton auf dem Weg zum Sieg auch eine Teamorder von Mercedes zu Gute.
Hamilton führte das Feld beim Restart an und hatte Teamkollege Valtteri Bottas direkt im Nacken sitzen. Beim Anbremsen der Haarnadelkurve am östlichen Ende der Strecke probierte es Bottas, kam aber nicht vorbei. Beim Herausbeschleunigen fuhren die beiden Mercedes-Piloten Seite an Seite, bevor sich Hamilton direkt vor der Mercedes-Tribüne schließlich doch behauptete und damit die Führung behielt.
Funkspruch an Bottas nach direktem Duell
Unmittelbar nach diesem Duell funkte Mercedes-Ingenieur James Vowles an Bottas: "Bitte Position halten, es tut mir leid." Daraufhin bestätigte der Finne mit "Copy", was so viel heißt wie "zur Kenntnis genommen". Hamilton ließ anschließend nichts mehr anbrennen und brachte den speziell nach dem missratenen Qualifying völlig unerwarteten Sieg mit einem Vorsprung von 4,5 Sekunden auf Bottas ins Ziel.
Mercedes ließ die beiden Piloten also zunächst einen kurzen Kampf auf der Strecke austragen, bevor man dann doch via Funkspruch an Bottas einschritt. Der ehemalige Mercedes-Pilot Nico Rosberg lobt seinen Ex-Teamkollegen Hamilton mit den Worten: "Megatoll verteidigt gegen Bottas" und fügt hinzu: "Der (Bottas; Anm. d. Red.) war voll im Kampfmodus und Lewis ist vorne geblieben."
Bezeichnende Szenen vor der Siegerehrung
Im Warteraum vor der Siegerehrung kam es dann aber zu bezeichnenden Szenen. Hamilton sprang Daimler-Boss Dieter Zetsche in die Arme. Die Freude war beiden anzusehen. Dann kam Bottas und trabte auf Zetsche zu, als die Kamera einen Schwenk machte.
Nach dem Rennen schildert Bottas die entscheidende Szene im Teamduell: "In der ersten Runde nach dem Safety-Car gab es einen kleinen Kampf mit Lewis. Ich kam nicht vorbei und dann haben sie mir gesagt, dass ich das Risiko minimieren soll. Das verstehe ich."
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff spricht in seiner ersten Reaktion davon, dass "all das Pech, das wir zuletzt hatten nun mit unglaublich viel Glück aufgewogen wurde". Den Funkspruch an Bottas erklärt Wolff so: "Zu dieser Zeit regnete es noch und der Kampf war sehr intensiv. Mit all dem Pech, das wir zuletzt hatten, hätten wir alles verlieren können. Deshalb wollten wir ab diesem Zeitpunkt für Ruhe sorgen."
Villeneuve: Teamorder in der Formel 1 nur logisch
Ex-Formel-1-Weltmeister Jacques Villeneuve findet es nicht ungewöhnlich, dass die Teams schon beim elften Saisonrennen zu Teamorder greifen. "Warum sollten die Leute sauer sein?", so Villeneuve im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' und weiter: "Die Teams versuchen, den WM-Titel zu gewinnen. Dafür tun sie, was immer notwendig ist. So ist das nun mal, wenn du verpflichtet bist, zwei Autos mit denselben Sponsoren einzusetzen."
"Dürfte man zwei Autos komplett unabhängig voneinander einsetzen, könnte man auch keine Teamorder aussprechen. So einfach ist das. Aber wenn es um so viel geht, gibt es keine Möglichkeit, Teamorder zu verbieten. Das ist normal und nicht überraschend", so Villeneuve.
Hamilton: "Nie gedacht, dass so etwas möglich ist"
Sieger Hamilton ist nach seinem unerwarteten Triumph außer sich vor Freude: "Ich habe es geschafft! Von dieser Position aus ist es natürlich sehr schwierig und höchst unwahrscheinlich, aber man muss immer daran glauben. Vor dem Rennen habe ich lange gebetet. Bei der Fahrerparade habe ich die ganze Unterstützung gesehen und in mich aufgenommen. Das Team hat einen tollen Job geleistet und das Auto war heute so fantastisch. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist."
"Es war so schwierig da draußen, aber es waren die richtigen Bedingungen, um zuzuschlagen", so Hamilton und weiter: "Als der Regen kam, wusste ich, dass ich eine gute Position habe, aber man weiß nie, was nach dem Crash (von Vettel; Anm. d. Red.) passieren würde. Andere hatten neue Reifen. Ich bin einfach so dankbar für die harte Arbeit, die das Team geleistet hat und hoffentlich bestätigt dies ihren Glauben an mich. Und für diejenigen, die mich noch nicht kannten, jetzt tun sie es!"
Bottas: "Heute lief es einfach nicht für mich"
Und auch Bottas trägt das Ergebnis nach ein paar Minuten Bedenkzeit mit Fassung. "Als Fahrer will man natürlich gewinnen. Nachdem Seb abgeflogen war, wusste ich dass Lewis hinter dem Safety-Car eine bessere Position hatte, denn ich hatte stoppen müssen und er konnte draußen bleiben. Ich muss das Positive mitnehmen. Es war beim Heim-Grand-Prix ein perfektes Ergebnis für uns", so der Zweitplatzierte.
In der Pressekonferenz nach dem Rennen bekräftigt Bottas, dass er mit dem Funkspruch einverstanden ist: "Ich habe kein Problem mit der Anweisung. Sie war aus meiner Sicht absolut sinnvoll. Wir kämpften eine Runde lang gegeneinander und das war es. Das Rennen hatte ich schon vorher verloren. Das Safety-Car kam für mich zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Dann dauerte der Boxenstopp noch lang. Heute lief es einfach nicht für mich."