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Nach Strömungsabrissen: Williams denkt über Rückzug nach
Nach seinem Qualifying-Unfall und dem Strolls bringt Sirotkin einen Verzicht auf das Silverstone-Rennen ins Spiel - Wir erklären, was genau bei Williams passiert ist
(Motorsport-Total.com) - Nach Unfällen von Lance Stroll und Sergei Sirotkin im Qualifying zum Großbritannien-Grand-Prix in Silverstone am Samstag steht die Williams-Mannschaft vor einem Rätsel: Offenbar waren beide Piloten bei ihren Abflügen machtlos und wurden das Opfer von Strömungsabrissen. Das Phänomen ist an sich nicht ungewöhnlich, in dieser Heftigkeit aber unbekannt.
Stroll ritt auf seiner ersten schnellen Runde beim Anbremsen der Brooklands-Passage aus - also direkt hinter einer DRS-Zone. Kurz darauf erwischte es Sirotkin am Ende der Hangar-Geraden vor der Stowe-Kurve, als auch er gerade den Heckflügel zugeklappt hatte. Technikchef Paddy Lowe ist sicher: Das Deaktivieren des DRS und die Strömungsabrisse stehen in direktem Zusammenhang.
Das Phänomen ist bei Williams altbekannt und war schon 2015 für einen Ausritt von Valtteri Bottas beim Rennen in Mexiko verantwortlich. Es trat danach immer wieder auf, jedoch in einem für die Piloten kontrollierbaren Maß und so, dass nie eine akute Unfallgefahr bestand. Bis jetzt jedenfalls.
Vorweg: Ganz vermeiden lässt sich ein Strömungsabriss beim Deaktivieren des DRS nicht, weil das System in aktiviertem Zustand damit arbeitet, den Luftstrom umzuleiten und zu beschleunigen. Dadurch, dass der Heckflügel herunterklappt und der Widerstand erhöht wird, verlangsamt sich der Luftstrom am Chassis und trennt sich im schlimmsten Fall. Der Wagen wird also nicht mehr auf den Boden gepresst. Nicht ungewöhnlich, insbesondere bei aggressiv entworfenen Autos.
Ein solches ist der Williams FW41 und möglicherweise hat ein Aerodynamik-Paket für Silverstone das Fass zum Überlaufen gebracht. Lowe kann sich eine Verbindung zu einem überarbeiteten Heckflügel vorstellen (der Unterboden wurde nicht angetastet), seine Vermutung fußt aber auf Indizien.
Dagegen spricht: Im Abschlusstraining funktionierte das Auto bis auf die üblichen Strömungsabrisse einwandfrei. Die Ingenieure beschäftigten sich sogar mit dem Problem, fanden aber keine Ursache und gaben grünes Licht. Einen "Fehler bei der Diagnose" nennt Paddy Lowe den Vorfall.
Anschließend gab es keine relevanten Set-up-Änderungen. Doch Stroll spricht von einem im Qualifying plötzlich "massiv ausbrechenden" Auto und glaubt, der Vorfall müsse als technischer Defekt behandelt werden. "Wir haben 60 Punkte Abtrieb verloren. Es waren 60 Prozent unserer Aerodynamik einfach so futsch", klagt er und vergleicht: "Was im Qualifying passiert, war dreimal so stark."
Sirotkin ahnte offenbar Böses und deaktivierte sein DRS schon 50 Meter vor dem Anbremsen, was eine Umstellung des kompletten Fahrstils erfordert und mit Zeitverlust verbunden ist. Aber es verschafft dem Luftstrom mehr Zeit, sich wieder an das Chassis anzuschmiegen, was den Strömungsabriss erträglicher macht. Doch auch der Russe war nur Passagier. "Wenn man die Onboard-Aufnahmen sieht, erkennt man, dass ich keine Chance hatte überhaupt zu erkennen, was los war", sagt er.
In der Fabrik in Grove und an der Strecke wird in der Nacht auf Sonntag fieberhaft gearbeitet werden, um dem Problem Herr zu werden. Die jüngste These: Der neue Heckflügel wäre nur indirekt verantwortlich. Denn das Update macht es nötig, andere Parameter anzupassen - etwa die Fahrwerkshöhe. So könnte eine Kombination verschiedener Faktoren das Unheil heraufbeschwören.
Sollten die Techniker keinen Erfolg haben, ist es nicht ausgeschlossen, dass Williams seine Autos vom Heimrennen zurückzieht. "Ich hoffe, wir können fahren. Ich weiß es aber nicht, denn wir haben das genaue Problem nicht identifiziert", meint Sirotkin. Ein möglicher Kompromiss wäre anzutreten, das DRS aber nicht zu nutzen. "Das wird ohnehin nicht allzu oft passieren", prognostiziert er.
Von den Plätzen 18 und 19 aus - möglicherweise sogar aus der Boxengassse, wenn die Chassis getauscht werden müssen - fahren Sirotkin und Stroll ohnehin nicht um WM-Punkte. Für den Russen kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen: "Ich würde es so oder so vorziehen zu fahren - selbst wenn ich wüsste, dass ich mit dem DRS vorsichtig sein muss", gibt er sich unbekümmert.